Aus dem zweiten Buch – Impulse für ein inneres Leben
Freude des guten Gewissens (Kap. 6)
Mit Jesus befreundet sein (Kap. 8)
Des Trostes bedürftig (Kap. 9)
Dankbar in Gott gegründet (Kap. 10)
In der Schar der Freunde Christi (Kap. 11)
Der Königsweg des Kreuzes (Kap. 12)
Aus dem dritten Buch – Vom inneren Trost
Innen redet die Wahrheit zu uns (Kap. 2)
Wie das Wort zu hören ist (Kap. 3)
Aus dem vierten Buch – Vom Sakrament des Altars
Nicht neugierig, sondern demütig (Kap. 18)
III. Thomas von Kempen in seinen Briefen
IV. Stimmen und Zeugnisse zu Thomas von Kempen
F.W. Wentzlaff-Eggebrecht (1969)
I. EINFÜHRUNG
EIN KLASSIKER CHRISTLICHER MYSTIK
Wer sich in Bücher vergangener Jahrhunderte vertieft, muss sich die Frage gefallen lassen, was sie für ihn bedeuten oder welchen Gewinn er gerade von Schriften erwartet, die vor einem ganz anderen Lebens- oder Erkenntnishorizont zustande gekommen sind. Unschwer lässt sich auf die etwaige Zeitgebundenheit mancher Aussagen verweisen. Von daher mögen sich auch Verständnisschwierigkeiten ergeben. Dennoch üben Texte und Dokumente vergangener Epochen nicht selten eine erstaunliche Faszination auf uns, die Nachgeborenen, aus. Das trifft auf das umfangreiche Schrifttum der Mystikerinnen und Mystiker in besonderer Weise zu. In einem nicht unerheblichen Maß gilt das auch für das Buch von der Nachfolge Christi (De imitatione Christi).
Es handelt sich um eine in den Niederlanden entstandene spätmittelalterliche, ursprünglich lateinisch abgefasste mystische Schrift. Wie kaum eine andere hat sie das geistliche Leben vieler Generationen befruchtet, und zwar auch ungeachtet der jeweiligen unterschiedlichen kirchlichen oder bekenntnisbedingten Einbindungen. Das erklärt neben anderen, auf den Inhalt bezogenen Gesichtspunkten die weite Verbreitung des Buches. Sein Bekanntwerden in handschriftlicher Form setzte bereits im 15. Jahrhundert ein. Diese Schrift von der Nachfolge Christi gehörte infolge des anhaltenden Interesses zu jenen Büchern, die man – wie einst in den Schreibstuben der Klöster üblich – offensichtlich systematisch kopierte. Neben dem Autograf aus dem Jahre 1441 zählt man Hunderte von Manuskripten, ehe die nachfolgende Drucklegung möglich wurde. Und was die gedruckten Editionen anlangt, so werden über 4000 genannt. Somit geht die Gesamtauflage zusammen mit einer ebenfalls sehr großen Zahl an Übersetzungen weltweit in die Millionen.
Entsprechend groß und imponierend ist somit auch die Zahl der Zeugnisse, die die Bedeutsamkeit des Buches unterstreichen. Katholiken und Protestanten waren und sind sich in der Wertschätzung ziemlich einig geblieben. Das zeigt die Aufnahme der Schrift in allen Reformationskirchen und deren geistlichen Gemeinschaften ebenso wie in den geistlichen Exerzitien des Ignatius von Loyola. So nachhaltige Erneuerungsbewegungen wie der überaus differenzierte Pietismus haben aus dem Buch von der Christus-Nachfolge geschöpft. Das geht aus den Lebensbeschreibungen Ungezählter hervor. Offizielle Empfehlungen wurden katholischerseits ausgesprochen. „Die Zeugnisse hervorragender Männer und Frauen ließen sich endlos fortsetzen“, schreibt der Jesuit Josef Sudbrack: „... so haben die Päpste bis heute immer wieder auf die Imitatio Christi hingewiesen. Und wenn auch die überschwängliche Bewunderung des Clemens Brentano, der die Imitatio sogar der Bibel vorziehen wollte, weil sie ungeschichtlicher sei, nicht mehr geteilt wird, so ist der Einfluss des bescheidenen Büchleins doch geblieben. Man denke nur an die zahlreichen Neuausgaben der jüngsten Zeit.“1
Schon der Philosoph Leibniz (1646 – 1716) pries denjenigen glücklich, der „nach dessen Inhalt lebt und sich nicht damit begnügt, es nur zu bewundern“. Diese Schrift ist für auf buchstäbliche Erfüllung setzende praktizierende Christen zu einem Lebensbuch geworden. Aber nicht nur für sie. Es war Dietrich Bonhoeffer (1906 – 1945), der protestantische Theologe im kirchlichen Widerstand gegen Hitler, der im Gefängnis der Nazis die Nachfolge Christi las. Und, wie er seinem Freund Eberhard Bethge gemäß dem Briefbuch Widerstand und Ergebung schrieb, benutzte er die ursprüngliche lateinische Fassung, weil sie „doch unendlich viel schöner ist“ als deutsch. Darüber darf nicht vergessen werden, wie existenziell bedeutsam dieses Thema für Bonhoeffer