Er wolle es glauben, erwiderte Skytte; aber der Mensch folge auch unbewusst dem Rat, der ihm beständig ins Ohr falle. Er wisse wohl, was Oxenstierna im Sinne habe: er wolle den König durch Krieg beschäftigen, damit sich der Adel daheim des Steuers wieder bemächtigen könne. Darum wecke er in Gustav Adolf die Erinnerung an das alte skandinavische Dreikönigreich und reize ihn gegen Dänemark, mit dem er es doch nicht aufnehmen könne.
Nein, rief der junge König rasch und heftig aufspringend, wenn er es wissen wolle, so sei es umgekehrt. Er, ja er, hätte sich blind auf den König von Dänemark stürzen und ihn am liebsten mit den Händen erwürgen mögen, den aufgeblasenen Prahler, der sich erdreistet hätte, ihn mit seiner Flotte bis in das Schloss von Stockholm zu beunruhigen! Oxenstierna sei es, der ihm zurede und vorstelle, er müsse jetzt an sich halten, bis er seine Flotte verstärkt und ein tüchtiges Heer formiert und es im Kampfe mit schwächeren Feinden geübt habe. Er sei weder eine Puppe in Oxenstiernas Händen noch ein Schwächling, der sich vor dem König von Dänemark verkrieche, das wolle er seinerzeit beweisen!
Skytte trat einen Schritt zurück und betrachtete nicht ohne Wohlgefallen die hohe und breite Gestalt des blonden Königsknaben, der auf ihn zugesprungen war und mit blitzenden Augen drohend vor ihm stand. »Es scheint zuweilen«, sagte er sinnend, »als hätte ein Geschlecht nur einen einzigen durch die Zeit sich streckenden Riesenleib; denn so, wie du jetzt vor mir stehst, denke ich mir deinen Oheim, den unglückseligen Erich Wasa.«
»Und warum nicht?« sagte Gustav Adolf, »habe ich doch sein Blut in meinen Adern.«
»Das Blut der Wasa«, sagte Skytte, die Stirn zusammenziehend, »fließt nicht wie ein breiter, befahrener Strom, sondern wie die Katarakte des Nordens, die donnern und schäumen und hoch aufspritzen.«
»Das ist rechtes Königsblut!« fiel Gustav Adolf rasch ein, dessen blaue Augen leuchteten.
Skyttes Gesicht verdüsterte sich immer mehr. »Wie könnte ein König wohltätig herrschen«, sagte er, »der sein eigenes Herz nicht bändigen kann!« Nun, sagte Gustav Adolf, es seien jetzt andere Zeiten als die seines Großvaters und seiner Oheime, und er habe wohl ihr Blut, aber einen anderen Geist. Dass er sein Herz bemeistern könne, beweise er jetzt in der dänischen Angelegenheit und werde es ferner tun; aber es bleibe doch wahr, dass eines Königs Brust heißer und begieriger sein müsse als die anderer Menschen; denn in ihm schlage das Herz des ganzen Volkes.
Wenn das wahr wäre, sagte Skytte eigensinnig, würde er, Gustav Adolf, die Scholle lieben, die das Volk pflüge, nicht aber nach dem Meere trachten. Was früge das Volk, das sein Leben auf den Schlachtfeldern verbluten lassen müsse, nach fremden Ländern, deren Schätze den König zum Tyrannen machten?
Von plötzlicher Ungeduld überwältigt, schlug Gustav Adolf mehrmals mit der geballten Faust auf den Tisch und rief, was denn alles dies heißen solle? Er, Skytte, sei es gewesen, der ihm als Knaben, während er ihn an der Hand durch die stillen verschneiten Wälder führte, von den Strömen des Nordens erzählt habe und wie man durch den Donner ihrer Wasserfälle zuweilen die schmelzende Harfe könne singen hören, die der Neck spiele. Er, Skytte, sei es gewesen, der ihm zuerst von seinem Großvater Gustav Wasa und von seinen Oheimen erzählt und seine Brust mit Träumen seines ungeheuren Geschlechts erfüllt habe. Warum er das getan hätte? Warum er seinen Großvater den Hort Schwedens und die Sonne des Nordens genannt hätte? Nun schelte er ihn, weil er Wolfsblut habe und König sei.
Skytte sah den erzürnten Jüngling erstaunt an und bedachte sich eine lange Weile. »Jener war ein Bauernkönig«, sagte er, »darum liebte ich ihn.«
Ob er das etwa nicht sei, sagte Gustav Adolf eifrig. Ob ihm die Bauern nicht zujubelten und anhingen? Aus seinen Bauern wolle er ein unbesiegbares Heer machen und unsterbliche Taten mit ihnen tun. Er verachte die Tugenden der Bauern nicht, ihre Genügsamkeit und Rauheit sei ihm mehr wert als weichliche Bildung. Was er zu tun vorhabe, werde er zum Wohle des schwedischen Volkes tun und zum Heil und Ruhm des reinen Christenglaubens, dessen Bekenner er sei.
Als Skytte ihn verlassen hatte, hing Gustav Adolf noch lange den mächtig durcheinanderflutenden Gedanken nach, die das Gespräch in ihm erregt hatte. Das leicht aus Holz gebaute Schloss, in dem er sich befand, bebte zuweilen von den Stößen des von einem starken Wind an die Küste geschleuderten Meeres, ohne dass es dem Träumenden zum Bewusstsein kam. Er dachte an das, was er dem dänischen König gegenüber bereits durchgesetzt hatte, dass er nämlich wie jener Wappen und Titel der drei skandinavischen Königreiche führen durfte und dass er ihm die große Summe, die er ihm zu zahlen sich verpflichtete, nicht als Schuldigkeit oder Tribut, sondern als freiwilliges Geschenk leistete. Viele Gesandtschaften waren darüber hin und her gegangen und viele Verhandlungen gepflogen, und auf keine der anzüglichen Prahlereien König Christians war er ihm die Antwort schuldig geblieben. Das mochte der Welt wenig scheinen, und es kostete ihn viele Mühe, sich mit so versteckten, einer Niederlage abgerungenen Erfolgen zu begnügen; aber einst würden sie seine Mäßigkeit und Weisheit bewundern und begreifen, um welch heroischer Ziele willen er seine Ansprüche und seinen Mut gezügelt hatte. Die Zeit würde kommen, wo Christian IV., der vermeintliche Riese des Nordens, kleingebeugt vor ihm weichen würde, wo seine Angelegenheiten die des ganzen Erdkreises sein würden. Er fürchtete weder ihn noch die anmaßenden Hansestädte, noch die reichen holländischen Staaten, die Griechen der neuen Zeit, noch England, noch seinen Vetter, den polnischen König Sigismund, der ihm die Krone streitig machte, und am wenigsten den gichtbrüchigen Jesuitenkaiser mitsamt seiner spanischen Verwandtschaft, die jenen offen und heimlich unterstützten; es war eine unaussprechliche Gewissheit in ihm, dass er, wenn er einmal seine ganze Kraft ausströmen ließe, über sie alle hinausginge. Er war nur der arme Schwedenkönig; aber sein war das salzige Meer, das einen Ring um die Erde schloss. Während in grauer Vorzeit die Völker des Festlandes miteinander um die Erde stritten, hatten die Nordmänner das Meer unterjocht, das Urelement, das Länder gebiert und verschlingt. Über das Meer hin rauschten sie auf geflügelten Drachen und gründeten stolze Staaten mitten in der Wonne des Südens. Auch er wollte nun reisen und die Welt sehen. Sowohl Skytte wie Oxenstierna hatten Deutschland bereist und ihm von seinen Wundern viel erzählt; seitdem liebte er es, sich das uralte Reich vorzustellen, schwer von Ruhm und Weisheit, geheimnisvoll starrend und glühend von den Juwelen seiner Städte, die wie köstliche Schreine den heiligen Staub von Jahrhunderten verwahrten. Da waren die handelsmächtigen