In einer stürmischen Winternacht stand der Kaiser vom Bett auf und verbarg sich jammernd in den dunklen Gängen der Burg; denn der Teufel, dem er sich verschrieben habe, sagte er, klopfe ans Fenster und wolle ihn holen. Wie er bald danach erkrankte und schwächer wurde, hörten diese ängstlichen Anfälle auf. Mit dem Beginn des Jahres 1612 bemerkte Rhutsky, dem die körperliche Pflege des Kaisers hauptsächlich oblag, allerlei Anzeichen, dass das Ende nicht mehr fern sein könne. Der arme Mann wusste wohl, dass er viele Feinde und Neider hatte, die nach dem Tode Rudolfs ihre Wut an ihm auszulassen versuchen würden, und machte Pläne, um mit dem Vermögen, das er zusammengebracht hatte, aus Böhmen zu entweichen; aber wenn er den alten, ins Grab sinkenden Mann ansah, wurde sein Herz weich, und er beschloss, noch einen und noch einen Tag auszuharren. Hatte der Kaiser auch in seinen schlimmen Tagen zuweilen gegen ihn getobt, auch mit Messern und Tellern nach ihm geworfen, so hatte er das doch hernach mit freundlichen Worten und Geschenken gutzumachen gesucht, ja sogar Tränen darüber vergossen. Besonders seit er das Bett hüten musste, war er sanft und fügsam und sagte wohl, er habe sich als Knabe in Spanien nach Deutschland als nach seiner Heimat gesehnt; aber es sei die rechte Heimat nicht gewesen, und er sei froh, es zu verlassen.
An einem Morgen im Februar erwachte Rudolf mit der Frage, ob sein Löwe noch am Leben sei; es gab nämlich eine Prophezeiung, nach welcher er zugleich mit dem Löwen, den er im Zwinger hielt, sterben sollte, und die Nachricht, dass derselbe krank sei, hatte ihn deswegen beunruhigt. An Rhutskys Verlegenheit erkannte der Kaiser, dass der Löwe wirklich in der Nacht gestorben war; er wurde aber nicht dadurch niedergedrückt, sondern sagte, er wolle die Prophezeiung zuschanden machen, fühle sich wohl und wolle aufstehen. Auch solle sogleich ein Brief an die Witwe des Kurfürsten von der Pfalz, Juliane von Nassau-Oranien, aufgesetzt werden mit Heiratsvorschlägen, weil er sich der kalvinischen Partei, als der tatkräftigsten unter den Evangelischen, verbünden wolle. Diese Wendung seiner Politik setzte seine Umgebung wohl in Verwunderung, fand aber wenig Glauben; auch kam nichts davon zur Ausführung, da der Kaiser noch am selben Vormittage verstarb, noch nicht sechzig Jahre alt, nachdem er sechsunddreißig Jahre lang regiert hatte.
Sogleich nach seinem Tode wurde die Burg besetzt und die Mehrzahl der kaiserlichen Diener ins Gefängnis geworfen, darunter Rhutsky, indem zugleich sein Vermögen eingezogen wurde. Da Khlesl dem vieler Verbrechen Beschuldigten in bösen und höhnischen Worten die Folter androhte und er einsehen musste, dass er von keiner Seite Hilfe zu erwarten hatte, erhängte er sich, sodass nur noch sein Leichnam gevierteilt werden konnte.
Das überaus prächtige Trauergerüst, das zu Rudolfs Leichenfeier im Dome aufgerichtet war, kaufte der noch immer in Prag anwesende Herzog Heinrich Julius als Andenken für eine große Summe und führte es auf einem Wagen mit nach Wolfenbüttel, konnte sich aber nicht lange mehr daran erfreuen, da er schon im nächsten Jahre dem Kaiser im Tode nachfolgte.
Dem Matthias fiel nun auch die letzte und höchste der Kronen seines Bruders zu, und im Mai begab er sich mit seiner Gemahlin zur Kaiserwahl nach Frankfurt. Unterwegs verweilte er mehrere Tage in Nürnberg, um sich auszuruhen, denn er litt gerade unter einem heftigen Anfall seiner Gicht, wovon er bis zu den Feierlichkeiten frei zu werden hoffte. Beim Einzuge in Nürnberg gab es Misshelligkeiten: der Markgraf von Ansbach nämlich, mit dem die Stadt ohnehin nicht in gutem Einvernehmen war, behauptete, das Geleitsrecht zu haben, und pflegte beim Besuch hoher Gäste der Stadt zum Trotz gewaltsam davon Gebrauch zu machen. Darüber kam es zwischen den Nürnbergern und Ansbachern zum Streit, bei dem es mehrere Verwundungen absetzte und keiner den Sieg davontrug; wenigstens wichen die Ansbacher nicht vom Platze. Dieses Blutvergießen konnte nur als ein übles Vorzeichen ausgedeutet werden, und überhaupt machte Matthias keinen tröstlichen Eindruck. Er trug das Wams so lose, dass das Hemd am Halse hervorlugte, und seine Füße waren mit wollenen Tüchern umwickelt; so, die Beine auf einen Schemel streckend, empfing er die Abgeordneten der Stadt, die ihm den Wein als üblichen Willkommen überbrachten. Dagegen war die Kaiserin guter Dinge, dick, weiß und rot, mit Haaren von der rötlich-blonden Färbung, wie sie vielen Habsburgerinnen eigen waren. Von ihrer Vorliebe für Leckereien in Kenntnis gesetzt, überreichte der Rat ihr eine große Schale auserlesenen Konfekts, wovon sie beständig naschte, während sie in einem weltlichen Historienbuche las, danach sie verlangt hatte und das im Besitz der Welserischen Familie vorgefunden und ihr ausgeliehen war. Überhaupt suchte sie sich zu belustigen und war erfreut über die Gelegenheit, einer Geschlechterhochzeit zuzusehen, die eben in diesen Tagen stattfand. Ihr zuliebe legten die Frauen und Mädchen altertümliche Trachten an, die sonst bei den Vornehmen nicht mehr üblich waren, und sie sah allem vom Fenster aus mit lautem Vergnügen zu, in die Hände klatschend, wenn ihr etwas besonders gefiel. Die Kränzeljungfern ließ sie zu sich in das Gasthaus bitten, betastete ihre mit Seidenbändern verflochtenen Zöpfe, ob sie echt wären, und ließ sich ihre Heiratsaussichten von ihnen erzählen. Auch benützte sie die Gelegenheit, sich einen Aderlass praktizieren zu lassen, und der Barbier, der damit betraut wurde, konnte nicht genug von ihrem fetten weißen Arm erzählen und wie zutraulich sie ihn aufgemuntert habe, fest anzugreifen, da sie nicht zimpferlich sei. Es hatte ihr in Nürnberg so wohl gefallen, dass sie die Augen mit dem Tüchlein trocknen musste, als sie in der breiten Reisekutsche, neben ihrem wohlverpackten Gemahl sitzend, ein Büchslein voll Konfekt auf dem Schoße, zum Tore hinaus- und den Krönungsfeierlichkeiten entgegenfuhr.
16.
Maximilian von Bayern führte mit Wolfgang Wilhelm von Neuburg viele Gespräche über den Glauben, wobei er alles das wiederholte, was er von den Jesuiten über die Wahrheit des katholischen Bekenntnisses gelernt hatte, während Wolfgang Wilhelm die lutherische Lehre so verteidigte, wie es ihm von Heilbrunner, dem Hofprediger seines Vaters, beigebracht worden war. Dabei gebot ihm der Umstand, dass Maximilian der Ältere war, eine gewisse Bescheidenheit, sodass dieser den Eindruck gewann, sein Schüler werde sachte von der Kraft seiner Beweisführung durchdrungen, und er müsse nur eine Weile zuwarten, um die