Er nahm seine Laute von der Wand und griff träumend ein paar Akkorde; es ging ihm plötzlich durch den Sinn, dass er alle diese Herrlichkeit, ja die Welt hingeben würde um den Besitz eines Mädchens, das er liebte und auf die er, so sagten Oxenstierna sowohl wie seine Mutter, verzichten müsse, weil sie zwar adligen, aber nicht fürstlichen Standes war. Wenn die Leute erst einmal merkten, sagte Oxenstierna, dass die Gräben zwischen den Ständen sich überspringen ließen, würde keiner mehr Untertan sein wollen. Das Heiraten sei ein Geschäft, und jeder wolle doch ein gutes Geschäft machen, bei dem er sich verbessere. Heirate er eine vom Adel, das würde Einmischungen, Einreden und Übergriffe der Verwandtschaft, Eifersucht der anderen geben; anstatt dessen könne ein fürstlicher Schwiegervater ihm im Notfall Verstärkung geben und sein Ansehen erhöhen. Zu seiner Mutter sagte er, dass die Geliebte klüger und feiner sei als alle Königstöchter der Welt und dass er, indem er sie heirate, sie zur Königin mache; worauf seine Mutter entgegnete: was Herz und Geist eines Menschen tauge, gehe Gott an, die Menschen müssten nun einmal nach Titel und Stand unterscheiden. Wer in der Welt fortkommen wolle, müsse das Weltliche und Göttliche auseinanderhalten, denn das beides vermische sich nicht. Wolle man sich das Gebäude irdischen Wohlergehens errichten, müsste man Stein und Mörtel, Holz und Balken dazu nehmen. Liebe, Großmut, Mitleid und Frömmigkeit, das sei alles gut an seinem Ort, nur dürfe es keine Folgen im Weltlichen haben. Es stehe deshalb auch geschrieben, der Mensch könne nicht Gott dienen und dem Mammon. Ach und die Liebe! Er werde doch ein paar warme Nächte nicht mit seinem Leben bezahlen? Seiner Mutter könne er vertrauen: an die Liebe glaube nur, wer nie ein Geliebtes besessen habe.
Dies alles leuchtete Gustav Adolf nicht ein; denn gab es überhaupt Vorschriften für einen Willen? Machte ein Wille nicht alle Erfahrungen und Gesetze schmelzen wie die Sonne den Schnee? Er, er sollte nicht zugleich in der Welt herrschen und Gott dienen können? Dennoch brachte er die Vorstellung nicht wieder aus dem Sinn, wie die verschwägerte Adelssippe ihn beeinträchtigen und belästigen würde, während verwandte Fürsten, etwa im Reich, sein Ansehen heben und seine Macht verstärken könnten. Gerade eine solche Heirat würde ihn in den Stand setzen, Gott zu dienen, indem er seine Anhänger um sich scharte und, von ihnen unterstützt, seine Widersacher bekämpfte.
18.
Nach Rudolfs Tode nahmen die Streitigkeiten in der habsburgischen Familie ihren Fortgang und drehten sich jetzt besonders um die Person Khlesls, den Matthias nach seiner Thronbesteigung sogleich zum Direktor des Geheimen Rates ernannt hatte. Dem rüstigen Manne wollte fast der Mut sinken, als er sich in dem Wust umsah, wo er Ordnung schaffen sollte: da war die nun entlassene Dienerschaft des verstorbenen Kaisers, die, seit Jahren nicht bezahlt, aus bitterem Elend heraus um ihr Recht klagte, da waren die vielen Personen, die sich während der vergangenen Kämpfe um Matthias verdient gemacht hatten und ihren Lohn forderten, und statt Geldes waren da die unter Rudolf zu Millionen angeschwollenen Schulden. Dazu lief der Waffenstillstand mit der Türkei ab, und ein neuer, fürchterlicher Krieg konnte entstehen, während im Reiche die Union und die Liga trotzten und nirgendwo auf redlichen Beistand zu rechnen war. Der Reichstag lief kläglich auseinander, denn die evangelischen Stände wollten sich zu keiner Steuer verstehen, bevor nicht die Stadt Donauwörth dem Herzog von Bayern abgenommen und wiederhergestellt würde, dieser aber wollte den Raub nicht herausgeben und konnte von dem Kaiser nicht dazu gezwungen werden.
Bald bemerkten die Eiferer unter den Katholischen voll Missvergnügen, dass der ehemalige Vertilger der Ketzer eine versöhnliche Haltung gegen dieselben annahm, ja sie zuweilen geradezu zu begünstigen schien. Auf diesbezügliche Vorwürfe verantwortete sich Khlesl mit solchen Worten: Wer etwas ausrichten wolle, müsse die facta gelten lassen, und er lerne nun als ein factum kennen, dass die Evangelischen im Reiche zu mächtig wären, als dass sie gänzlich könnten ausgerottet oder unterdrückt werden. Also müsse man sich mit ihnen einzurichten suchen. Diejenigen, die in Kirchen und Klöstern steckten und nur Heiligenbilder um sich herum sähen, könnten sich wohl einbilden, der ganze Teig ließe sich in einen himmlischen Model kneten; wer aber in der Welt zu tun hätte, müsse sich aller Art Pasteten gefallen lassen, sonst käme zuletzt gar nichts auf den Tisch. Man müsse die Glaubenssachen von den politicis trennen, es herrschten in der Welt nun einmal nicht die gleichen Grundsätze wie im Reiche Gottes. Der rechte Glauben eröffne dem Menschen den Himmel, auf Erden komme es darauf an, dass einer ein fester und gehorsamer Untertan sei, und es komme vor, dass die Ketzer ihre Pflicht gründlicher täten als rechtgläubige Katholiken.
Dieser Umschwung in Khlesls Politik erzürnte vor allem den Erzherzog Ferdinand, den der Bischof früher in seinem reformatorischen Treiben unterstützt hatte und den er jetzt warnte, er solle die Untertanen nicht zur Verzweiflung und von Haus und Hof treiben, sonst mache er sein Land zur Einöde anstatt zu einem Gottesstaate. Das eigenmächtige Walten des hochfahrenden Bischofs kam Ferdinand überhaupt wie ein Eingriff in seine Rechte vor, da er sich schon als künftiger Herrscher fühlte; denn die oft ausgesprengten Gerüchte von der Schwangerschaft der Kaiserin erwiesen sich stets als Täuschung, und ebenso blieb Erzherzog Albrechts Ehe kinderlos. Erzherzog Maximilian, der Tirol regierte und dem die Evangelischen den Vorzug gegeben hätten, lebte in einem angenehmen Verhältnis mit einer Frau von Rosenberg und wollte seine gesicherte Behaglichkeit nicht um unabsehbare Kämpfe und Widerwärtigkeiten aufgeben, sondern verbündete sich mit Ferdinand, um diesem die Nachfolge seines Bruders zu verschaffen. Während Maximilian seine Abneigung gegen Khlesl weder verbergen konnte noch wollte, behielt Ferdinand einen freundlichen Verkehr mit ihm bei, um sich bei seinem Oheim als ein liebevoller und getreuer Sohn einzunisten. Zunächst kam es ihm darauf