Die letzten Suchgruppen kehrten in den Schweren Erkunder zurück. Sie erstatteten Soray Bericht, und der Obmann nahm die Meldungen entgegen, ohne sich die Enttäuschung anmerken zu lassen. Er hatte sich bereits damit abgefunden. Wenn es die Heiligen Steine gab, dann nur auf dem unzugänglichen Planeten.
Die YOI 1 machte sich klar für den Start. Von den Fremden hatte man in der Zwischenzeit nichts mehr gehört, aber das wollte nichts heißen. Einer von ihnen hatte ausdrücklich sein Interesse an dem Heiligen Stein von Tessal bekundet, und Soray war nur zu geneigt, ihn mit sich auf die Heimatwelt zu nehmen. Es gab nur ein Hindernis.
Der Obmann hatte strikten Befehl, niemanden auf die Spur nach Tessal zu lenken. Während er in seinem Kommandantensessel saß und daran dachte, dass Derlag auf Anweisungen aus seinem Mund wartete, wog er die beiden Dinge sorgfältig gegeneinander ab. Der Heilige Stein war sehr wertvoll, und der Absolvent der Zeitschule konnte vielleicht mit seiner Hilfe erkennen, ob es irgendwo andere Vorkommen dieser Steine gab. Wenn alles der Wahrheit entsprach, was Lurquin erzählt hatte, dann waren diese Steine nicht nur wert, in religiöser Manier verehrt zu werden. Dann würden sie dazu beitragen, das Reich von Tessal zu vergrößern, und vielleicht würde es irgendwann möglich sein, dem Reich seinen alten, schon mythisch zu nennenden Namen zurückzugeben. Die Bestimmer des Reiches würden das entscheiden. Bislang durfte niemand den alten Namen aussprechen, und er war nur noch wenigen Eingeweihten bekannt.
Soray wusste ihn nicht, und seine früheren Versuche, den Namen herzuleiten, waren ohne Ergebnis geblieben. Inzwischen war der Tessaler alt genug geworden, um das Unsinnige seines damaligen Bemühens einzusehen.
Seine Besatzung war vollständig. Vierundzwanzig Tessaler drängten sich in dem kleinen Schiff, das war das Vierfache der zugelassenen Zahl, denn der Schwere Erkunder konnte normalerweise nur sechs Mann Besatzung fassen. Für den Erkundungsflug nach Außen-AX-1200 war eine Ausnahme gemacht worden, die sich derart auswirkte, dass sich die Tessaler in die Zentrale drängten wie die fliegenden Fische von Roryn in einem handtaschengroßen Aquarium. Sie mussten sich strecken, um nicht zu einer Belastung für die Kameraden zu werden. Die Hälfte der Tessaler schlief ohnehin in unmittelbarer Nähe der Triebwerksbereiche, in ständiger Angst, dass von der gefährlichen Sekundärstrahlung doch einmal etwas durch die Dämmung dringen könnte. Jetzt, kurz vor dem Start, hingen sie in den Sicherheitsschlingen, die an der Wand der Schiffszentrale angebracht worden waren.
»Sockel einfahren!«, verkündete Soray.
Ein Aufatmen ging durch die Mannschaft. Das Warten in unangenehmer Stellung belastete sie unnötig, und sie sehnten das Ende des Fluges herbei. Ein paar Stunden würden schon noch vergehen, bis sie die Enge der Erkunderdose verlassen konnten.
»Eine Verbindung mit einem der Schiffe!«, verlangte der Obmann. Derlag versuchte es. Aus Platzgründen und weil er als Hauptmann einen Sessel beanspruchen durfte, nahm er die Aufgaben des Funkers wahr. Der eigentliche Funker hing zwei Meter hinter ihm an der Wand.
»Nichts«, meldete Derlag. Es kam keine Verbindung zustande. Soray erinnerte sich daran, dass die Fremden einen der Ihren gesucht hatten. Vermutlich hielt sich niemand in den Schiffen auf, oder die Besatzungen hatten etwas Wichtiges entdeckt.
Glückssteine?
Der Obmann verwarf den Gedanken. Es gab nichts auf Orgro und im ganzen Cirgro-System, das noch hätte untersucht werden sollen.
»Start!«, ordnete er an.
Der Schwere Erkunder hob ab und raste schräg in den Himmel hinein. Wie immer war er staubverhangen, die Sonne kaum zu erkennen. Die Ortung war beeinträchtigt, und die YOI 1 machte, dass sie in eine Umlaufbahn kam. Sie umflog den Planeten zweimal entgegen seiner Rotationsbewegung, dann zündete Soray die Haupttriebwerke und führte das Schiff in den interplanetaren Raum hinein. Er steuerte mehrere der größeren Wrackansammlungen an, und er verschaffte der Besatzung dadurch Luft, dass er sie in Raumanzügen hinüberschickte, um nach Leichen, Hinweisen oder anderen Dingen zu suchen. Vor allem aber, um festzustellen, ob sich irgendwo an Bord ein brauchbarer Glücksstein befand. Zehn Einheiten tessalischer Zeitrechnung dauerte die Suche, dann kehrte die YOI 1 dem letzten Wrack den Rücken. Es waren keine Schiffbrüchigen gefunden worden und keine Glückssteine.
Die Expedition war ein totaler Fehlschlag geworden.
Dennoch gab der Obmann nicht den Befehl zum Heimflug. Er wartete noch immer, und er hoffte, dass die Warterei sich doch noch lohnen würde. Er konnte einen Namen nicht vergessen, mit dem sich für Tessal gewisse Hoffnungen verbanden.
Goman-Largo.
*
»Ich bin glücklich«, sagte Anima. »Es ist mir doch noch gelungen!«
Sie deutete auf den Bildschirm, der die kleine Medostation der STERNSCHNUPPE zeigte. Atlan ruhte auf einer Antigravliege. Er schlief. Er trug einen Slip und war ansonsten nackt. Sein Körper wies keinerlei Verwundung auf. Auf seiner Brust glänzte der Zellaktivator. Der Arkonide atmete gleichmäßig.
»Niemand hat daran gezweifelt, junge Vardi«, sagte Goman-Largo. »Du hast deine Fähigkeiten wieder einmal eingesetzt, um jemanden zu retten. Du bist eine treue Orbiterin. Du hast Grund, dich zu freuen und die Niedergeschlagenheit endgültig abzulegen, die dich gefangen hält.«
Anima nickte schwach. Sie wandte sich Mrothyr zu, der noch immer in seinem Fesselfeld hing.
»Dein Spiel ist aus«, rief sie. »Du bist nicht mehr der Freund Atlans, den dieser schätzte und dem er vertraute. Du bist ein Monstrum. Dein Anschlag ging schief, ein zweites Mal wirst du keine Gelegenheit erhalten.«
»Ich bin unüberwindlich«, sagte der Zyrpher gefährlich leise. »Du kannst es nicht verhindern. Ich komme in diesem Fesselfeld ohne Nahrung und ohne Luft aus. Sobald das Feld abgeschaltet wird, ist es aus mit euch. Atlan schläft, und du kannst mich auch nicht zurückhalten, Anima. EVOLOS Macht und Stärke ist keiner gewachsen!«
Anima schloss die Augen und konzentrierte sich. Auch die Vigpanderin erstarrte, und ihre Sensoren glühten unter starker Konzentration auf. Minuten des Schweigens vergingen. Als sich die Vigpanderin mit ihrer fremdartig hohen Stimme meldete, da klang diese gehetzt.
»Jetzt geht es«, schrillte sie. »Ich habe ein paar seiner Gedanken empfangen. Anima, er will sich selbst vernichten. Er denkt, dass die freigesetzte Energie ausreichen wird, das Feld zu zerstören und uns zu töten!«
»STERNSCHNUPPE, lässt sich das Fesselfeld überladen, dass es Mrothyr tötet?«, fragte Goman-Largo.
»Ist möglich«, erwiderte das Schiff. »Mrothyr wird die Energie jedoch zum Teil absorbieren und für seine eigenen Zwecke umwandeln!«
»Dann eben nicht!«
Der Zyrpher hing noch immer in dem Feld. Äußerlich war ihm nicht anzusehen, dass er etwas plante. Nur seine Augen glühten in einem verzehrenden Feuer.
Anima hatte Mitleid mit Mrothyr. Sie alle wussten, dass er nicht freiwillig zum Verräter geworden war. EVOLO hatte ihn rekrutiert, und EVOLOS Macht konnte ein gewöhnlicher Sterblicher nicht widerstehen.
Wie hat er ihn konditioniert?, fragte sich das Mädchen. Wie funktioniert das Prinzip, mit dem EVOLO Wesen in seine Abhängigkeit bringt?
Sie dachte an den Erleuchteten, an Guray und an das, was sie über die jüngsten Vorgänge in Manam-Turu wusste. Sie dachte an Psi-Kräfte und an die Macht, die sich in EVOLO potenzierte. Gegen EVOLO waren Vergalo und der Erleuchtete Schwächlinge gewesen.
»Gleich passiert es!«, schrie die Vigpanderin. »Rettet euch. Er wird uns in unsere Einzelteile zerlegen und neu zusammensetzen!«
Anima achtete nicht auf die Worte. Seit ihrem Erfolg bei Atlan