Und dann führte er eine möglichst korrekte Verbeugung vor Doktor Bediener aus, der ihm lächelnd die Hand mit dem Brillanten entgegenstreckte.
»Sie sind mir als ein sehr aussichtsreiches Talent empfohlen, Herr – re…«
»Zumsee«, ergänzte Andreas.
»Herr Zumsee«, wiederholte Doktor Bediener.
Er wies auf einen Sessel, und Andreas, der dem Leiter des »Nachtkurier« gegenüber Platz nahm, sagte sich, dass der Empfang gar nicht günstiger hätte sein können. Doktor Bediener begann wieder:
»Die Empfehlung, die Sie geltend machen, ist mir besonders wertvoll, weil sie von einem langjährigen, lieben Freunde kommt. Ich hoffe, es geht meinem alten Schmücke gut?«
Andreas erteilte befriedigende Auskunft über die Gesundheit des alten Herrn. Aber er erfuhr mit Erstaunen die nahen Beziehungen des Chefredakteurs zu Schmücke, der sich deren nie gerühmt hatte.
»Ich meine sogar, Ihren Namen schon irgendwo gefunden zu haben, Herr, Herr – re…«
»Zumsee«, ergänzte Andreas.
»Herr Zumsee«, wiederholte Doktor Bediener, und er strich mit zwei gespreizten Fingern suchend über seine hohe Stirn. Dachte er an den »Gumplacher Anzeiger«? Andreas hätte gern von seinen Erfolgen und Hoffnungen, von den Gedichten, der Novelle, Köpf, dem »Café Hurra« und Türkheimer des längeren gesprochen. Aber durch die ungeahnte Liebenswürdigkeit des mächtigen Mannes ward in ihm ein solches Entzücken erregt, dass er, minutenlang stumm und rot vor heftiger Schwärmerei, den Doktor Bediener ansah.
Nie im Leben hatte Andreas solche ausgesuchten Manieren kennengelernt, solche weltmännische Haltung, solche natürliche Glätte in jeder Bewegung, jedem Blick und jedem Worte. Doktor Bediener saß ein wenig seitwärts über die Lehne geneigt, auf die er einen Arm stützte. Mit dem anderen beschrieb er zuweilen eine flüchtige, doch unnachahmlich runde Geste, die alles zu erklären schien, was er andeuten wollte. Sein Lächeln war offenbar so ganz für sein Gegenüber bestimmt, dass dieses sich nicht denken konnte, er werde je einem anderen so viel Aufmerksamkeit schenken. Er sprach zögernd, mit leicht verschleierter Stimme und ließ das R weit hinten im Halse verschwinden, was distinguiert klang. Er mochte mit einem armen jungen Manne noch so familiär tun, ohne es zu wollen, bewahrte Doktor Bediener in seinem ganzen Wesen stets eine so vornehme Zurückhaltung, dass es Andreas vorkam, als steige er aus einer höheren Diplomatensphäre hernieder, wohin er jeden Augenblick entrückt zu werden drohte.
Er ließ die Frage, wo er Andreas’ Namen schon gefunden haben mochte, nach einiger Überlegung auf sich beruhen, um sich zu erkundigen:
»Haben Sie schon literarischen Anschluss gefunden?«
»Es ist mir als ganz unbekanntem Anfänger sehr schwer gefallen«, erwiderte Andreas bescheiden.
»Ich kenne ein paar Redakteure, zum Beispiel Doktor Pohlatz.«
»Oh, Pohlatz«, sagte Doktor Bediener mit einer Handbewegung, die nicht viel Hochachtung auszudrücken schien. Doch setzte er hinzu:
»Ich schätze Pohlatz persönlich hoch, ich kann sogar sagen, dass wir recht gute Freunde sind.«
»Schon wieder jemand, mit dem ich verkehrt habe, ohne zu wissen, dass er mit dem Chefredakteur des ›Nachtkurier‹ befreundet ist«, dachte Andreas.
»Nur möchte ich Ihnen davon abraten«, fuhr Doktor Bediener fort, »an seinem Blatte mitzuarbeiten. Es würde für Sie wenig Wert haben – dies unter uns.«
Andreas verbeugte sich, voll Vergnügen über die vertrauliche Mitteilung, deren er gewürdigt wurde. Wie gut, dass Pohlatz gar nicht daran gedacht hatte, ihn beim »Kabel« einzuführen! Er lauschte atemlos auf Doktor Bedieners Belehrung.
»Alle diese Blätter mit strenger Parteirichtung taugen nichts für ein aussichtsreiches Talent«, sagte der Chefredakteur. »Sie würden sich dort kompromittieren, ohne für den Verlust Ihrer Selbstständigkeit entschädigt zu werden. Bei uns dagegen, wissen Sie wohl, behält jeder Mitarbeiter seine Eigenart. Der ›Nachtkurier‹ hat vor allen anderen erkannt, dass die Parteipresse sich überlebt hat. Dass man eine gesunde liberale Wirtschaftspolitik vertritt, versteht sich von selbst; wir wären verrückt, wenn wir es nicht täten. (Hier vollführte Doktor Bediener eine Armbewegung, die einer längeren Parenthese gleichkam.) Im Übrigen betrachten wir uns als ein Organ der deutschen Geisteskultur.«
Doktor Bediener hielt an; er war beinahe warm geworden. Aber er erlangte sofort sein vornehmes Gleichgewicht wieder, dessen augenblickliches Abhandenkommen Andreas in seiner Hingerissenheit gar nicht bemerkt hatte. Der Chefredakteur betrachtete den Eindruck, den er auf den jungen Mann machte, mit Wohlwollen. Er lächelte sogar, denn er hatte die Bemerkung gemacht, dass Andreas’ Blick, der zwischen dichten und langen Wimpern hervorkam, in seiner Treuherzigkeit merkwürdig einschmeichelnd sei, und dass die bedingungslose Verehrung, die er ausdrückte, einer Dame überaus angenehm sein müsse. Flüchtig dachte er sogar an Frau Türkheimer. Er zögerte noch, denn der misslungene schwarze Rock, der dem gut gewachsenen Jüngling etwas Ungeschicktes gab, forderte zur Vorsicht auf. Das Haar war erbärmlich geschnitten, doch trug Andreas den Kopf recht gut. Dann entschloss sich Doktor Bediener.
»Sie sollten sich vor allem beim Theater einführen, ich meine in den Kreisen, die dem Theater nahestehen.«
»Schon wieder das Theater«, dachte Andreas. »Es muss doch etwas damit los sein.«
Er