3. Kapitel
Größtenteils ein Idiot
Libby
In eine alte, abgewetzte Jogginghose, ein Tanktop und einem weiten Männerhemd aus Flanell gehüllt, liege ich auf der Couch. Meine Haare habe ich auf meinem Kopf zu einem Knoten zusammengebunden. Vor mir auf dem Tisch stehen eine halbvolle Box Lo Mein, eine geöffnete Tüte Chips und die Weihnachtsnaschereien, die ich von meiner Mom bekommen habe. Ich starre den Fernseher an, in dem eine Frau versucht, von einem Geist loszukommen – dem Geist, der sie seit Beginn des Films mindestes dreimal versucht hat, zu töten.
»Geh da nicht rein«, flüstere ich in Richtung des Bildschirms, als die Frau den Türgriff des Raums umfasst, in dem sich das Gespenst gerade befindet.
Ich bin derart vom Filmgeschehen gefesselt, dass ich zusammenzucke, als jemand an die Wohnungstür klopft. Ruckartig setze ich mich auf, wodurch all die kleinen, silbernen Verpackungen der Schokolade, die ich bereits gegessen habe, in die Luft gewirbelt werden.
»Libby?«
Als ich Antonios vertraute Stimme höre, starre ich ungläubig zur Tür.
»Libby?«, ruft er ein zweites Mal, als ich mich von der Couch erhebe.
Ich sehe auf die Uhr und bemerke, dass es erst kurz nach zwanzig Uhr ist. Nachdem ich Weihnachten und noch ein paar Tage mehr bei meinen Eltern in Long Island verbracht habe, bin ich heute Morgen wieder nach Hause gefahren. Es war schön, mal rauszukommen, aber jetzt bin ich froh, wieder zu Hause zu sein.
Als ich die Tür erreiche, spähe ich durch den Spion. Und ob ich meinen Augen nun trauen will oder nicht, aber davor steht Antonio. Kopfschüttelnd löse ich die Verriegelung und öffne die Tür.
»Antonio, wa...«
»Ich habe versucht, dich anzurufen«, unterbricht er mich und drückt sich an mir vorbei in die Wohnung.
Ich wende mich zu ihm um. »Was?«
»Ich habe dich mindestens ein Dutzend Mal angerufen, wenn nicht mehr.«
Verwirrt sehe ich ihn an. »Was ...? Warum?«
»Du musst heute Abend arbeiten.«
»Wie bitte?«, fauche ich und verbeiße es mir, zu sagen, was ich mir eigentlich über die Lippen will. Nämlich, dass ich nicht wirklich im Tony’s angestellt bin und ich seiner Familie und ihm bloß einen Gefallen tue, wenn ich aushelfe. Ja, ich mag für meine Tätigkeit in der Pizzeria bezahlt werden, aber dennoch arbeite ich nicht wirklich dort.
»Ich muss zur Feuerwehrstation. Einer der Jungs hat sich krankgemeldet, also fehlt ihnen ein Mann. Normalerweise wäre das keine große Sache, aber Marco hat heute frei, Peggy ist gerade nach Hause, um sich um Valeria zu kümmern, und Hector kann den Laden nicht allein dichtmachen.
»Also brauchst du meine Hilfe?«
»Ja.«
»Du hättest mich einfach freundlich fragen können.«
So wie er die Hände in die Vordertaschen seiner Jeans schiebt, ist ihm augenscheinlich etwas unbehaglich zumute. »Kannst du mir bitte aus der Patsche helfen?«, brummt er schließlich.
»In Ordnung.«
»Tatsächlich?«, fragt er überrascht.
»Ja.« Die Augen verdrehend, gehe ich zu meinem Schrank. »Ich muss mich nur kurz fertigmachen.«
»Okay, ich warte und begleite dich dann zur Pizzeria.«
»Danke, aber ich finde alleine hin. Musst du dich nicht auf den Weg zur Wache machen?«
»Ich warte.« Um mir seinen Entschluss deutlicher zu machen, setzt er sich auf die Couch.
Die Tatsache ignorierend, dass sich ein extrem attraktiver Mann in meiner Wohnung befindet – na ja, zumindest versuche ich, mich nicht darauf zu konzentrieren –, schnappe ich mir eine Jeans und das T-Shirt mit dem Logo der Pizzeria, das er mir neulich gegeben hat. Dann nehme ich alles mit ins Schlafzimmer und schließe die Tür hinter mir. Rasch ziehe ich mich um und laufe ins Badezimmer, um mir die Zähne zu putzen und die Haare zu kämmen. Anschließend kehre ich zurück ins Wohnzimmer, hole noch ein Paar Socken aus meiner Schrankschublade, bevor ich nach meinen Stiefeletten greife und mich neben ihn auf die Couch setze, um hineinzuschlüpfen.
»Das ist verdammt viel Junkfood ...«, erklärt er und klingt leicht entsetzt.
Ich bemerke, dass er die Verpackungen von all den Süßigkeiten, die ich heute in mich hineingestopft habe, aufgehoben und in seiner Hand zu einer Kugel gerollt hat.
»Nein«, widerspreche ich, wohlwissend, dass es eine Lüge ist, und sehe ihn an.
Er runzelt etwas die Stirn. »Ich habe dich noch nie ohne Make-up gesehen«, sagt er plötzlich.
In der Erwartung, dass er noch etwas hinzufügen wird – etwas, wofür er höchstwahrscheinlich einen Tritt in den Hintern verdienen wird –, wappne ich mich innerlich.
»Du brauchst es definitiv nicht.«
Okay, das habe ich nun nicht erwartet.
Als aus dem Fernseher ein Schrei ertönt, sehen wir beide auf.
»Scary Movie?«
»Ja.« Ich nehme die Fernbedienung und schalte den Flimmerkasten aus, ehe ich die halbvolle Box mit Lo Mein nehme und sie in den Kühlschrank stelle, damit ich es später noch essen kann.
»Du wirkst nicht wie der Typ Frau, der allein zu Haus gruselige Filme guckt«, meint er, als er aufsteht und mir dabei zusieht, wie ich in meinen Mantel schlüpfe, meine Mütze aufsetze und meine Handschuhe anziehe.
»Und welche Filme guckt eine Frau wie ich deiner Meinung nach?«
»Welche mit einer ordentlichen Prise Romantik«, antwortet er.
Angeekelt ziehe ich die Nase kraus. »Ich hasse Liebesschnulzen. Die sind voll von Klischees. Frau trifft Mann, der Kerl ist ein Idiot, die Frau findet ihn toll, obwohl er ein Arsch ist. Dann verliebt sie sich in ihn und vergisst, was für ein Idiot er war und später stellt sich heraus, dass er sogar ein noch größerer Arsch ist, als gedacht. Sie vergießt genug Tränen, um einen Pol damit zu füllen, und in der Zwischenzeit wird ihm klar, was er verloren hat. Also fleht er sie um Vergebung an. Immer – aber auch wirklich immer – nimmt sie ihn zurück, auch wenn sie das nicht tun sollte.«
»Wow, du magst wirklich keine Liebesfilme.« Seine Mundwinkel beginnen zu zucken, und ich verdrehe die Augen. »Ich lerne heute Abend so einiges über dich, Prinzessin.« Er lacht, und ich funkele ihn böse an.
»Geh mir nicht auf die Nerven, Antonio.« Ich öffne die Wohnungstür und bedeute ihm, vorauszugehen.
»Selbst wenn du genervt bist, bist du immer noch hübsch«, sagt er und bleibt vor mir stehen, um von oben auf mich runterzuschauen.
Mir rutscht der Magen in die Kniekehlen, und ein Ziehen geht durch meinen Bauch, das ich noch nie zuvor verspürt habe.
»Definitiv hübsch«, murmelt Antonio und geht an mir vorbei aus der Wohnung.
Kopfschüttelnd folge ich ihm und schließe hinter uns ab. Auf dem Weg die Treppe runter, starre ich auf seinen Rücken. Weder mein Magen noch die Muskeln in meiner Bauchgegend haben sich wieder beruhigt. Ich frage mich, was zum Teufel los ist. Draußen angekommen, gehen wir nebeneinander den Bürgersteig entlang, so nah beieinander, dass sich unsere Arme berühren.
»Hier.« Er reicht mir einen Schlüssel. »Hector ist heute den ganzen Abend an deiner