Aus harten Trends Kapital schlagen
Neben Bevölkerungsstatistiken gibt es eine weitere aussagekräftige Datenquelle, der sich zuverlässige Informationen über harte Trends entnehmen lassen. Aus dieser Quelle – dem unaufhaltsamen technologischen Fortschritt – werde ich in diesem Buch noch häufig schöpfen.
1993 stand ich bei der Konferenz des amerikanischen Buchhandelsverbands auf dem Podium. In meinem Leitvortrag prophezeite ich den rund 10 000 anwesenden Buchhändlern:
»Innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre wird irgendjemand auf die Idee kommen, einen großen Online-Buchladen im Internet zu eröffnen, der zur Folge haben wird, dass sich die Kaufgewohnheiten Ihrer Kunden von Grund auf ändern. Kann sein, dass diese Person hier und heute in diesem Saal sitzt. Ich glaube aber, dass es ein Branchenfremder sein wird, jemand, der unbefangen ist und außerhalb der gewohnten Bahnen denken und handeln kann. Jemand der das Geschäft aus einer vollkommen anderen Perspektive betrachtet und von einem visionären Geistesblitz getroffen wird.«
Meine Prophezeiung wurde nicht wirklich ernst genommen. 1993 war das Internet mit seinen Möglichkeiten für die meisten Leute ein Buch mit sieben Siegeln. Mosaic, der erste grafikfähige Webbrowser, der die Darstellung von Webinhalten ermöglichte, war gerade mal im April 1993 veröffentlicht worden, und der erste weithin bekannte Browser (der Netscape Navigator) sollte erst im Oktober 1994 auf den Markt kommen. »E-Commerce« wie wir es heute kennen, das heißt die vollständig elektronische Abwicklung von Geschäften und Unternehmensaktivitäten über ein weltweites Netzwerk, gab es damals noch nicht.
Wie es weiterging, ist bekannt. 1994 gründete ein 30-Jähriger Visionär namens Jeff Bezos eine innovative Internet-Firma namens Cadabra.com, die ein Jahr später als Buchhandelsplattform online ging und schließlich in Amazon umgetauft wurde.
1999 ernannte das Magazin Time Jeff Bezos zum Mann des Jahres und widmete ihm die Titelstory. Bezos erkannte den harten Trend und ist heute einer der reichsten Männer der USA.
1993 war das natürlich alles noch nicht geschehen, aber angesichts der Fortschritte, die sich in der Internet-, Computer- und Modem-technologie abzeichneten, war ich sicher, dass es so kommen würde – absolut sicher, sonst hätte ich meinen guten Ruf nicht aufs Spiel gesetzt und meine Prognose vor Tausenden von Buchhändlern verkündet. Dass ich mit meiner Prophezeiung Recht behielt, war weder Glück noch Magie. Die Entwicklung war ein harter Trend und somit glasklar vorhersehbar.
Es war auch nicht die einzige Prophezeiung, mit der ich einen Volltreffer landete. In den letzten 25 Jahren habe ich Hunderte von korrekten Vorhersagen bezüglich technologischer Innovationen und ihren Auswirkungen auf unseren Alltag getroffen. Einige Beispiele mit Jahresangaben finden Sie in folgender Tabelle. Ich möchte betonen, dass ich jede dieser Prognosen entweder in Vorträgen, Artikeln, Interviews oder Büchern öffentlich verkündete und keine nachträglich »korrigiert« habe.
Jahr der Prognose | Was ich vorhergesagt habe / Wann es eingetreten ist |
1983 | In den 1990er Jahren werden wir eine digitale Revolution erleben. |
1983 war unsere Welt noch analog und der Begriff digital hatte sich noch nicht einmal im Wortschatz von Unternehmern, Wissenschaftlern und Akademikern etabliert. In den 1990er Jahren löste die weltweite Umstellung von analogen Datenformaten auf digitale eine Vielzahl an revolutionären Innovationen in den Bereichen Mobilfunk, Fotografie und E-Mail-Kommunikation aus, um nur einige zu nennen. | |
1983 | Glasfaseroptik wird sich als Medium für die Breitband-Datenübertragung durchsetzen. |
1983 war die Glasfaseroptik ein noch relativ unbekanntes und nur ansatzweise erforschtes Feld. Ende der 1980er Jahre bildeten Glasfaserkabel weltweit die Grundlage für die Breitbandkommunikation, was wiederum zehn Jahre später dazu führte, dass das Internet und seine unbegrenzten Möglichkeiten praktisch der ganzen Welt zur beliebigen Nutzung offen standen. | |
1983 | Mitte der 1990er Jahre steht in jedem Klassenzimmer ein Computer. |
1983 waren Computer noch nicht sonderlich verbreitet, da man erst einmal eine Programmiersprache wie BASIC beherrschen musste, um etwas Sinnvolles mit ihnen anfangen zu können. 1995 hieß es in einem Artikel der Zeitung USA Today, dass in jedem US-amerikanischen Klassenzimmer mindestens ein Computer zur Verfügung steht. | |
1984 | Bis zum Jahr 2000 gelingt es, das menschliche Erbgut zu entschlüsseln. |
Sechs Jahre später, 1990, fiel der Startschuss für das »Human Genome Project«, das zum Ziel hatte, das menschliche Genom vollständig zu sequenzieren. Am 26. Juni 2000 präsentierten der damalige US-Präsident Bill Clinton und sein britischer Amtskollege Tony Blair die erste »Arbeitsversion« des menschlichen Erbguts der Weltöffentlichkeit. | |
1984 | Die Verwendung von Icons – das heißt von Symbolen – wird sich bis 1990 als Standard für grafische Benutzeroberflächen durchsetzen. |
Die grafische Benutzeroberfläche des ersten Apple Macintosh, der 1984 auf den Markt kam, wurde von vielen als nette, aber eigentlich überflüssige Spielerei betrachtet. Auch die Microsoft-Windows-Version 1.0, die ein Jahr später herauskam, löste noch keine Begeisterungsstürme aus. Windows 3.0 aber, das 1990 veröffentlicht wurde, entwickelte sich zu einem Renner und wurde in den ersten sechs Monaten zwei Millionen Mal verkauft. Ein Computer ohne grafische Benutzeroberfläche ist seitdem überhaupt nicht mehr vorstellbar. | |
1986 | Bis Ende der 1990er Jahre werden wir das Globale Positionsbestimmungssystem GPS in der Landwirtschaft, der Logistik und zahlreichen weiteren Anwendungsgebieten nutzen. |
1986 diente GPS ausschließlich militärischen Zwecken und nur wenige Leute konnten sich andere Anwendungsbereiche vorstellen. Seit Ende der 1990er Jahre wird GPS von Landwirten für das sogenannte »Precision Farming« (»Präzisionslandwirtschaft«) und von Spediteuren für die Positionsbestimmung ihrer Flottenfahrzeuge eingesetzt. | |
1988 | Bis Ende der 1990er Jahre wird weltweit hauptsächlich über E-Mail kommuniziert. |
1988 kommunizierten nur Wissenschaftler, Programmierer und Technikbegeisterte per E-Mail. 1998 übertraf die Zahl der online versendeten E-Mails die Zahl der über die Post verschickten Schriftstücke bei weitem. | |
1988 | Ab Mitte der 1990er Jahre werden die meisten Unternehmen das Internet nutzen und sich neue Online-Geschäftsoptionen erschließen. |
1988 waren zur Nutzung des Internets fundierte Programmierkenntnisse erforderlich, weshalb die meisten Leute geschäftliche Online-Aktivitäten für utopisch hielten. Das änderte sich schlagartig, als 1993 und 1994 die ersten Webbrowser mit grafischer Benutzeroberfläche auf den Markt kamen, die es den Unternehmen ermöglichten, sich ohne großen Aufwand im weltweiten Netz auf eigenen Webseiten zu präsentieren. | |
1988 | In Indien gibt es wesentlich mehr Programmierer als in den Vereinigten Staaten. Wenn sie sich erst einmal vernetzt haben, was Ende der 1990er der Fall sein wird, werden wir eine Revolution erleben. |
Nur sehr wenigen Leuten war damals klar, dass es in Indien sehr viel mehr Programmierer gab als in den USA. Dass dies unweigerlich zu einem rasanten Wirtschaftswachstum in Indien führen und eine Revolution im Dienstleistungssektor auslösen würde,
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