Auf den Computern von Dell, IBM und Apple steht »Made in Taiwan«; in welchem Land sie gefertigt werden, spielt aber keine Rolle. Es sind trotzdem Markenprodukte, die nach den strikten Qualitäts- und Markenstandards von Dell, IBM und Apple gefertigt werden. Auch GM könnte die Produktion ins Ausland verlagern.
Das muss aber gar nicht sein. GM könnte auch getrost weiterhin in Amerika mit einheimischen Arbeitskräften produzieren. Toyota lässt schließlich auch den Großteil der für den amerikanischen Markt bestimmten Autos mit amerikanischen Arbeitskräften in den USA fertigen. Vielleicht ließe sich mit Toyota als Hauptproduzent Ihrer kundenspezifischen Autos ein guter Deal aushandeln. Amerikanische Arbeitskräfte fertigen die Autos Ihrer Kunden nach Toyota-Spezifikationen, das fertige Produkt wird aber als Ihre Marke verkauft. Die unzähligen Kombinationsmöglichkeiten, die Ihre Kunden dank des Baukastenprinzips haben, müssen natürlich überprüft und technisch abgesichert werden; daher brauchen Sie jede Menge Kraftfahrzeugingenieure. Und mit wachsender Beliebtheit Ihrer individuell nach Kundenwünschen gefertigten Autos wird in Ihren Betriebsstätten Belegschaft auf- statt abgebaut.
Bevor Sie die ersten konkreten Schritte unternehmen, sollten Sie sich jedoch erst einmal von der überholten Vorstellung lösen, Sie seien ein amerikanischer Autobauer. Verstehen Sie sich stattdessen als global agierendes Unternehmen, das weltweit mit Arbeitskräften vor Ort produziert und jeden Absatzmarkt bedient. Können Sie strategische Allianzen mit Mitbewerbern wie Tata Motors schließen? Oder können Sie selbst eine Produktionsstätte in Indien eröffnen? China hat akzeptiert, dass umweltschädliche Benzinschlucker keine Zukunft haben, und hat sich das Ziel gesetzt, sich weltweit als führender Anbieter von Hybridfahrzeugen zu positionieren. In China zu produzieren, wäre gewiss auch keine schlechte Idee.
Wenn Sie schon den Wandel hin zu einem globalen Autobauer vollziehen, können Sie sich auch gleich in einen umweltbewussten globalen Mitspieler verwandeln. Statt (wie bei GM bisher üblich) Ihre in China gefertigten Autos zuerst zurück nach Amerika und dann zu den Verkaufsniederlassungen zu transportieren, verkaufen Sie Ihre Autos auf den regionalen Märkten der jeweiligen Fertigungsstandorte. Das ist doch viel umweltfreundlicher und schafft Arbeitsplätze an den Standorten Ihrer Produktionsstätten.
Damit hätten Sie viele, aber noch nicht alle Probleme gelöst. Die größten Hürden stellten arbeitsrechtliche Fragen und die Gesundheitsfürsorge dar. Gewerkschaften und Arbeitnehmervertretungen müssten bereit sein, der Zukunft ins Auge zu blicken, um sich zu modernisieren und Umschulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen als Chance zu begreifen, anstatt sich an die Errungenschaften vergangener Jahrzehnte zu klammern. Auch hier gilt, dass man sich von alten Vorstellungen lösen muss: An die Stelle der lebenslangen Beschäftigung tritt die lebenslange Beschäftigungsfähigkeit. Was die unternehmerische Gesundheitsfürsorge für Arbeitnehmer angeht, sind radikal neue Ansätze erforderlich. Auf beide Themen werde ich später noch ausführlicher eingehen, mit der soeben beschriebenen Generalüberholung wären Sie als amerikanischer Autobauer aber auf alle Fälle gut beraten.
Bei einer Zukunftsstrategie auf der Basis sicherer Fakten ist der Erfolg vorprogrammiert, während die Risiken minimal bleiben. Wenn Sie die sichtbare Zukunft aus harten Trends ablesen und den Verlauf weicher Trends zu Ihren Gunsten verändern – wenn Sie diese Unterscheidung treffen und entsprechend agieren –, verschaffen Sie sich die Sicherheit, die Sie für die erfolgreiche strategische Planung Ihrer geschäftlichen Aktivitäten benötigen. Dann wird Ihr Unternehmen nicht nur überleben, sondern über viele Jahre beständiges Wachstum verzeichnen.
Hoffnung ist kein stabiles Fundament für die Zukunft, Sicherheit schon.
Geschichte mag Mumpitz sein – die Zukunft aber ist real
Es heißt, aus der Geschichte kann man lernen, was ja auch stimmt – in gewissem Maße. Aber vielleicht steckt in Henry Fords humorvoll gemeinter Behauptung, Geschichte sei Mumpitz, mehr Wahrheit als man denkt. Fakt ist, dass uns die lehrreichen Lektionen der Vergangenheit nicht unbedingt klüger und weiser gemacht haben. Wenn dem so wäre, würden wir nicht immer wieder dieselben Fehler machen.
Was wir aus der Geschichte hätten lernen können, macht uns eher wehleidiger als weiser: »Hätte ich doch nur Google-Aktien gekauft, als der Preis noch bei 100 Dollar lag. Hätten wir unser Haus nur verkauft, bevor die Immobilienpreise in den Keller rauschten. Hätte ich nur früher erkannt, dass unsere Ehe zerbricht. Ich hätte es wissen müssen …«
Die altbekannte Klage: Ich hätte wissen müssen, worauf es hinausläuft. Wer zurückblickt, sieht nie, was vor ihm liegt.
Warum wird uns immer erst im letzten Moment etwas klar, wenn es schon zu spät ist, um das Ruder noch herumzureißen? Die Antwort ist geradezu erschreckend einfach: Wir sehen nicht, was auf uns zukommt, weil wir nicht hinsehen.
Als sich bei GM 2008 der unausweichliche Bankrott abzeichnete, bedauerte Rick Wagoner zutiefst, nicht schon viel früher in die Entwicklung alternativer Antriebstechnicken investiert zu haben. Es tat ihm extrem leid, dem Prototypen des Elektroautos EV1 den Hahn abgedreht zu haben. Und er gab offen zu, nicht erkannt zu haben, inwiefern die wachsenden Märkte in Indien und China zu einer Stabilisierung des Ölpreises um die 100-Dollar-Marke beigetragen hätten.3
Nachträgliches Bedauern – wie immer.
Kurz vor der GM-Jahresversammlung im Juni 2008 erklärte Rick, die stetig steigenden Benzinpreise hätten den »Strukturwandel« hin zu kleineren, kraftstoffsparenden Fahrzeugen forciert. Angesichts der Benzinpreise veränderte sich das Verbraucherverhalten nach Einschätzung des Konzerns rapide, nachhaltig und dauerhaft und sei keine vorübergehende Tendenz.4 Anders ausgedrückt: Es ist kein zyklischer, sondern ein linearer Prozess und somit ein harter Trend. Darüber hatte ich mich mit Rick bereits vier Jahre vorher unterhalten.
Warum öffneten Rick erst die hohen Benzinpreise die Augen für einen Trend, der schon Jahre vorher eindeutig erkennbar und absehbar war? Das ist eine gute Frage, die sich jeder Unternehmensmanager stellen sollte, denn GM ist nur ein Blinder unter Tausenden. Die Topmanager der amerikanischen Automobilhersteller tragen dieselben Scheuklappen wie ihre Kollegen aus anderen Branchen – wie wir alle, ob Manager, Arbeiter oder Angestellter, ob in Amerika oder anderswo. Wohin man auch blickt, nimmt uns die Gegenwart mit all ihren großen und kleinen Problemen so in Beschlag, dass wir überhaupt nicht daran denken, einen Blick in die Zukunft zu werfen, und daher sehen wir nicht, welche Risiken und vor allem Chancen auf uns zukommen.
Der Blick in die sichtbare Zukunft ist jedoch kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit, um im Strudel stetiger Fortschritte und umwälzender Veränderungen bestehen zu können. Wer an den Mythos glaubt, dass es so etwas wie Sicherheit nie gab und nie geben wird, weil sich die Welt im 21. Jahrhundert schneller dreht als jemals zuvor, riskiert Kopf und Kragen.
Es stimmt zwar, dass sich unsere Welt immer schneller dreht und verändert, aber im großen Fluss des Wandels gibt es Strömungen, die Sicherheit bieten. Strömungen, die uns nicht nur exakte Zukunftsprognosen gestatten, sondern deren Verlauf wir aktiv gestalten und lenken können. Wir müssen nur wissen, wo wir diese Strömungen finden.
Da es von Tag zu Tag komplizierter wird, die Zukunft zu erkennen, sollten Sie jetzt damit beginnen. Schon in den vergangenen Jahren vollzogen sich Veränderungen in zunehmend rasantem Tempo, doch das war erst die Aufwärmphase. Uns stehen keine Fortschritte, sondern Quantensprünge bevor.
➨ Kapitel 1 – Aktionsschritte
Vergessen Sie einfach einmal alles, was Sie nicht wissen und nicht können. Gewöhnen Sie sich an, sich auf die Dinge zu konzentrieren, die Sie wissen und tun können, und halten Sie sie schriftlich fest. Lassen Sie sich von Fragezeichen und Zweifeln nicht aus dem Konzept bringen. Wenn Sie auf etwas stoßen, das Ihnen unsicher erscheint, ignorieren Sie es. Halten Sie ausschließlich die Dinge fest, die Sie mit Sicherheit wissen.
➤ Erstellen Sie eine Liste aller zyklischen Prozesse, die sich auf Ihr Wohlbefinden, Ihr Privat- und Arbeitsleben auswirken.
➤ Erstellen Sie eine Liste aller linearen Prozesse, die für Sie relevant