Vorträge über das Johannes-Evangelium, Band 2. Augustinus von Hippo. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Augustinus von Hippo
Издательство: Bookwire
Серия: Die Schriften der Kirchenväter
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783849659875
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aber sagte er von dem Tempel seines Leibes“. Das nämlich wurde wieder auferweckt, was starb. Denn das Wort ist nicht gestorben, jene Seele ist nicht gestorben. Wenn nicht einmal die deinige stirbt, sollte dann die des Herrn sterben?

       8.

      Woher weiß ich, sagst du, ob etwa die meinige nicht stirbt? Töte nur du selbst sie nicht, und dann stirbt sie nicht. Wie, sagst du, kann ich meine Seele töten? Um von andern Sünden zunächst zu schweigen: „Der Mund, der lügt, tötet die Seele“1327. Wie, sagst du, bin ich sicher, daß sie nicht stirbt? Höre den Herrn selbst, der dem Knechte die Versicherung gibt: „Fürchtet nicht diejenigen, welche den Leib töten und danach nichts weiter tun können“. Doch was sagt er ganz deutlich? „Fürchtet denjenigen, der die Gewalt hat, den Leib und die Seele in der Hölle zu töten“1328. Siehe, daß sie stirbt, siehe, daß sie nicht stirbt. Was ist für sie das Sterben? Was ist für dein Fleisch das Sterben? Das Sterben ist für dein Fleisch der Verlust des Lebens. Für deine Seele ist das Sterben soviel wie der Verlust ihres Lebens. Das Leben deines Fleisches ist deine Seele; das Leben deiner Seele ist dein Gott. Wie das Fleisch stirbt durch den Verlust der Seele, welche sein Leben ist, so stirbt die Seele durch den Verlust Gottes, welcher ihr Leben ist. Gewiß also ist die Seele unsterblich. Ja wirklich sie ist unsterblich, weil sie auch gestorben lebt. Denn was der Apostel von der genußsüchtigen Witwe sagt, kann auch von der Seele, wenn sie ihren Gott verloren hat, gesagt werden: „Sie ist lebendig tot“1329.

       9.

      Wie also gibt der Herr seine Seele hin? Brüder, untersuchen wir das etwas genauer. Es beengt uns nicht die Stunde, wie es am Sonntag der Fall zu sein pflegt, wir haben Zeit; davon sollen diejenigen Gewinn haben, welche zum Worte Gottes auch am heutigen Tage zusammenkommen. „Ich gebe“, sagt er, „meine Seele hin.“ Wer gibt hin? Was gibt er hin? Was ist Christus? Wort und Mensch. Und nicht so Mensch, als wäre er bloß Fleisch, sondern weil der Mensch aus Fleisch und Seele besteht, der ganze Mensch aber in Christus ist ― denn er würde nicht den geringeren Teil angenommen und den besseren Teil ausgeschlossen haben; der bessere Teil beim Menschen ist nämlich die Seele, nicht der Leib ―, weil also der ganze Mensch in Christus ist, was ist Christus? Wort, sage ich, und Mensch. Was ist Wort und Mensch? Wort, Seele und Leib. Haltet dies fest; denn es hat auch hinsichtlich dieses Lehrpunktes an Häretikern nicht gefehlt; sie wurden zwar schon längst von der katholischen Wahrheit abgestoßen, aber dennoch als Diebe und Räuber, die nicht durch die Türe eingehen, lassen sie nicht ab, dem Schafstall nachzustellen. Apollinaristen hießen die Häretiker, welche zu lehren wagten, Christus sei nur Wort und Fleisch, eine menschliche Seele aber, behaupten sie, habe er nicht angenommen. Einige freilich auch von ihnen konnten das Vorhandensein einer Seele nicht leugnen. Betrachtet den Widersinn und die unerträgliche Torheit. Eine unvernünftige Seele soll er nach ihrer Meinung gehabt haben, die vernünftige Seele bestritten sie; sie gaben ihm die Seele eines Tieres und nahmen ihm die des Menschen. Aber sie raubten Christus die Vernunft, indem sie selbst unvernünftig handelten. Das sei ferne von uns, die wir im katholischen Glauben ernährt und gegründet sind. Bei dieser Gelegenheit also möchte ich eine Mahnung an eure Liebe richten, wie wir euch auch in den vorhergehenden Lesungen hinreichend belehrt haben gegen die Sabellianer und Arianer: gegen die Sabellianer, welche sagen: Derselbe ist der Vater, welcher der Sohn ist; gegen die Arianer, welche sagen: Etwas anderes ist der Vater, etwas anderes ist der Sohn; als ob nicht der Vater und der Sohn von derselben Substanz wären. Wir haben euch auch, wie ihr euch erinnert und erinnern müßt, gegen die häretischen Photinianer belehrt, welche Christus für einen bloßen Menschen ohne Gott, gegen die Manichäer, welche ihn bloß für Gott ohne Menschen erklärt haben. So möchten wir euch nun betreffs der Seele auch gegen die Apollinaristen belehren, welche behaupten, unser Herr Jesus Christus habe keine menschliche Seele, d. i. keine vernünftige Seele, keine erkennende Seele gehabt, keine Seele, sage ich, durch die wir uns vom Tiere unterscheiden, weil wir Menschen sind.

       10.

      Wie also hat hier der Herr gesagt: „Ich habe die Macht, meine Seele hinzugeben“? Wer gibt die Seele hin und nimmt sie wieder? Gibt Christus, sofern er das Wort ist, die Seele hin und nimmt sie wieder? Oder gibt, sofern er eine menschliche Seele ist, diese sich hin und nimmt sich wieder? Oder gibt, sofern er Fleisch ist, das Fleisch die Seele hin und nimmt sie wieder? Drei Möglichkeiten habe ich vorgelegt, nehmen wir alle durch und wählen wir das, was der Richtschnur der Wahrheit entspricht. Denn wenn wir sagen, daß das Wort Gottes seine Seele hingegeben und sie wiedergenommen hat, so ist zu befürchten, es möchte sich der unpassende Gedanke einschleichen und uns erwidert werden: Also ist einmal jene Seele vom Worte getrennt worden, und es ist einmal jenes Wort, seitdem es die menschliche Seele annahm, ohne Seele gewesen. Ich sehe nämlich wohl ein, daß das Wort einmal ohne eine menschliche Seele war, aber damals, da im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Denn seitdem das Wort Fleisch geworden ist, um unter uns zu wohnen1330, und vom Worte der Mensch angenommen wurde d. i. der ganze Mensch, Seele und Leib, was hat da das Leiden, was hat der Tod getan, als daß er den Leib von der Seele trennte? Die Seele aber hat er vom Worte nicht getrennt. Wenn nämlich der Herr gestorben ist oder vielmehr weil der Herr gestorben ist ― er starb ja für uns am Kreuze ―, so hauchte ohne Zweifel sein Fleisch die Seele aus; auf kurze Zeit verließ die Seele das Fleisch, das aber mit der Rückkehr der Seele wieder auferstehen sollte. Daß aber die Seele vom Worte sich getrennt habe, sage ich nicht. Zu der Seele des Schächers sprach er: „Heute noch wirst du bei mir im Paradiese sein“1331. Die gläubige Seele des Schächers verließ er nicht, und die seinige sollte er verlassen haben? Das sei ferne! Aber freilich die Seele des ersteren behütete er als Herr, die seinige jedoch besaß er auf unzertrennliche Weise. Wenn wir aber sagen, daß die Seele selbst sich hingegeben und wieder genommen hat, so ist das ein ganz widersinniger Gedanke; denn sie, die vom Worte nicht getrennt worden war, konnte sich nicht von sich selbst trennen.

       11.

      Wir wollen also sagen, was wahr ist und zugleich leicht verständlich ist. Denke dir einen beliebigen Menschen, der nicht aus Wort, Seele und Fleisch, sondern aus Seele und Fleisch besteht. Von einem solchen Menschen wollen wir fragen, wie er seine Seele hingebe. Oder gibt vielleicht kein Mensch seine Seele hin? Du kannst mir entgegnen: Kein Mensch hat die Macht, seine Seele hinzugeben und sie wieder zu nehmen. Allein wenn der Mensch seine Seele nicht hingeben könnte, so würde der Apostel Johannes nicht sagen: „Wie Christus für uns seine Seele hingegeben hat, so müssen auch wir die Seele für die Brüder hingeben“1332. Also ist es auch uns erlaubt ― wenn anders auch wir von seiner Kraft erfüllt werden, weil wir ohne ihn nichts tun können ―, für die Brüder unsere Seelen hinzugeben. Wo irgendein heiliger Märtyrer für die Brüder seine Seele hingab, wer gab hin und was gab er hin? Wenn wir dies einsehen, dann werden wir auch begreifen, wie Christus sagen konnte: „Ich habe die Macht, meine Seele hinzugeben“. O Mensch, bist du bereit, für Christus zu sterben? Ich bin bereit, sagt er. Ich will es mit andern Worten ausdrücken. Bist du bereit, für Christus deine Seele hinzugeben? Auch auf diese Worte antwortet er mir so: Ich bin bereit, wie er mir geantwortet hatte, als ich sagte: Bist du bereit zu sterben? Dies also heißt seine Seele hingeben, was sterben heißt. Aber für wen? Alle Menschen geben nämlich, wenn sie sterben, die Seele hin, aber nicht alle geben sie für Christus hin. Und niemand hat die Macht zu nehmen, was er hingegeben hat. Christus aber hat sie für uns hingegeben, und er hat sie, da er wollte, hingegeben und, da er wollte, wieder genommen. Also die Seele hingeben heißt sterben. So sagte auch der Apostel Petrus zum Herrn: „Ich will meine Seele für Dich hingeben“1333, d. h. ich will für Dich sterben. Dem Fleische schreibe das zu; das Fleisch gibt seine Seele hin und das Fleisch nimmt sie wieder; jedoch tut dies das Fleisch nicht durch eigene Macht, sondern durch die Macht des Bewohners der Seele; das Fleisch also gibt seine Seele hin, indem es den Geist aushaucht. Betrachte den Herrn selbst am Kreuze. „Mich dürstet“, sprach er. Die Anwesenden tauchten einen Schwamm in Essig, banden ihn an ein Rohr und brachten ihn an seinen Mund, und als er davon genommen hatte, sprach er: „Es ist vollbracht“. Was heißt: „Es ist vollbracht“? Es ist alles erfüllt, was nach den Prophezeiungen vor meinem Tode geschehen sollte. Und da er die Macht hatte, zu der von ihm gewollten Zeit seine Seele hinzugeben, was bemerkt nach