Unsere Liebe auf deiner Haut. E.M. Lindsey. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: E.M. Lindsey
Издательство: Bookwire
Серия: Irons and Works
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958238480
Скачать книгу
ging zum Kühlschrank, um sich ein Bier zu holen, dabei verdrehte er die Augen und schüttelte den Kopf. Er öffnete die Flasche und nahm ein paar tiefe Schlucke, bevor er antwortete.

      Größtenteils, weil er nicht wusste, was er sagen sollte.

      Eigentlich war es ganz einfach. Er hatte eine kurzfristige Bestellung für eine Hochzeit erhalten, die eine Ewigkeit in Anspruch genommen hatte, denn die Frau ‒ die Mutter der Braut ‒ hatte sich geweigert, mit Notizblock und Stift zu kommunizieren, und stattdessen zwanzig Minuten lang darauf bestanden, dass er von ihren Lippen ablas, obwohl er mehrmals aufschrieb, dass er sehr schlecht darin war, und nach einem langen Arbeitstag war es ihm nahezu unmöglich.

      Er hatte kurz davor gestanden, sie hinauszuwerfen, damit sie einen anderen Ladenbesitzer bevormunden konnte, doch dann hatte sie endlich nachgegeben und er konnte sich die vorläufige Bestellung, das Datum und die Arrangements notieren. Dann hatte er ihre Anzahlung angenommen und sich wirklich gefreut, sie nur noch von hinten zu sehen. Dann hatte der Wolkenbruch seine Fahrt nach Hause verkompliziert. Da er ganz auf sein Sehvermögen angewiesen war, um sicher durch die Straßen zu manövrieren, hatte es ihn ein wenig verängstigt, dass er nur durch die Windschutzscheibe etwas sehen konnte.

      Er hatte vorgehabt, im Vorraum der Bank mit dem Geldautomaten auszuharren, bis der Regen ein wenig nachließ, aber er hatte nicht mit dem gerechnet, was passiert war, direkt nachdem er hereingekommen war. Weder mit dem unglaublich attraktiven Mann und seiner schlimmen Panikattacke, noch mit den Gefühlen, die er in Basil geweckt hatte, denn er hatte schon vor langer Zeit aufgegeben, etwas für dahergelaufene Hörende zu empfinden. Egal, wie groß und attraktiv sie sein mochten.

      Und der Kerl war beides gewesen. Er überragte Basil um mindestens zehn Zentimeter und seine Arme waren in so intensiven Farben tätowiert, dass man die Bilder sogar in der Dunkelheit erkennen konnte, als der Strom ausgefallen war. Außerdem war er sehr nett und hatte für die gehörlose Tochter seines Freundes ein paar Gebärden gelernt, was Gefühle in Basil regte, die er nicht empfinden wollte. Wirklich nicht.

      Dann hatte der Mann ‒ Derek ‒ ihm die Seite mit seinen Kunstwerken gezeigt. Eine Seite, die Basil sich nicht gerade unauffällig in seinem Browser gespeichert hatte. Da hatte er gewusst, dass er in Schwierigkeiten steckte.

      Das Schlimmste war aber, dass, wenn er Amaranth davon erzählte, sie sich freuen und ihn sogar ermutigen würde. Denn obwohl sie wusste, was Basil mit Chad alles durchgemacht hatte, was sie selbst mit Männern erlebt hatte, die hörend waren, sah sie immer das Beste in den Menschen. Sie wollte nicht zwangsläufig, dass Basil mit einem hörenden Mann zusammenkam, aber sie wollte auf keinen Fall, dass er den Gedanken aufgab, die Liebe überall finden zu können.

      Sie war schon immer fürchterlich romantisch veranlagt gewesen und das gefiel ihm am besten an ihr, obwohl er sich dagegen wehrte.

      ›Du siehst aus, als wolltest du eine komplizierte Gleichung lösen‹, sagte sie, nachdem sie mit der Hand gewedelt hatte, um seine Aufmerksamkeit zu erregen. ›Was ist passiert?‹

      Er fasste es für sie kurz zusammen, aber als ihre Augen aufleuchteten wie eine Menora, wusste er, dass er am Arsch war. Sie war mit einer vagen Beschreibung von Derek nicht zufrieden und wollte Details wissen. ›Er war ganz okay. Kurz vor einem Nervenzusammenbruch‹, erklärte Basil ihr. ›Am Ende ging es ihm gut.‹

      ›Hast du seine Telefonnummer?‹, wollte sie wissen.

      Basil stieß sich vom Tisch ab und fuhr sie an: ›Nein‹, dann ging er zum Herd, um in den Topf zu schauen.

      Hühnersuppe. Wahrscheinlich das Rezept ihrer Mutter. Da war ihm zum Weinen zumute. Nach einem langen Tag mit der schrecklichen Brautmutter und dem tätowierten Kerl, zu dem er sich seltsam hingezogen fühlte, brauchte er etwas für die Seele.

      Ama boxte ihn in die Schulter, um seine Aufmerksamkeit zu erregen, und er drehte sich mit finsterem Blick zu ihr um. ›Warum hast du dir nicht seine Nummer geben lassen? Das klingt wie aus einer Rom-com.‹

      ›Ich hasse solche Filme‹, gab er zurück, dann drehte er ihr demonstrativ den Rücken zu, denn er wusste, dass sie sich darüber ärgern würde. Er spürte, wie sie hinter ihm mit dem Fuß aufstampfte, aber er ignorierte sie, holte sich stattdessen eine Suppenschüssel aus dem Hängeschrank und füllte sie. Dann aß er ein paar Löffel, drehte sich wieder zu ihr um und versuchte, bei ihrem wütenden Gesichtsausdruck nicht in Gelächter auszubrechen.

      ›Arschloch.‹

      Er zuckte mit den Schultern.

      ›Du musst damit aufhören, andere auszuschließen, nur weil sie Chad vielleicht ein bisschen ähneln. Damit streichst du hörende Männer, blonde Männer, Männer mit Bart und solche, die Hemden mit Kragen tragen, ja komplett von der Liste.‹

      Er zuckte erneut mit den Schultern und aß noch ein paar Löffel, dann stellte er seine Schale ab, um ihr eine vernünftige Antwort geben zu können. ›Wenn ich sicher sein könnte, dass er Chad nicht im Geringsten ähnelt, würde ich ihm eine Chance geben. Aber ich bin nicht bereit dazu, jemandem zu vertrauen. Jedes Mal, wenn ich an ihn denke, denke ich an jenen Abend und dieses Risiko kann ich einfach nicht eingehen.‹

      Ama wurde ernst und trat einen Schritt vor, um eine Hand auf seine Schulter zu legen. ›Es tut mir leid‹, sagte sie mit der freien Hand, dann zog sie sich zurück. ›Ich verstehe dich, Basil, und ich will nicht, dass du so etwas jemals wieder erleben musst. Ich erwarte nicht von dir, dass du Risiken eingehst, ich bitte dich bloß, nicht zu vergessen, dass nicht jeder so ist wie er.‹

      Er wusste zu schätzen, dass sie nicht erwähnte, dass er mit Beziehungen in der Gehörlosengemeinschaft auch kein Glück gehabt hatte. Er begann allmählich zu vermuten, dass es nicht an den anderen lag ‒ sondern an ihm. Irgendwann vor langer Zeit musste anscheinend jemand die Zweitgeborenen seiner Familie namens Basil verflucht haben und nun musste er die Konsequenzen tragen. Doch es gab Schlimmeres, als Single zu sein. Er war seit drei Monaten nicht mehr mit jemandem ausgegangen und das Gefühl der Einsamkeit ließ langsam nach. Grundsätzlich war er ein glücklicher Mensch und er genoss es, allein zu sein.

      Daher würde er nicht zugeben, dass er eine drängende Leere verspürt hatte, nachdem Derek den Vorraum verlassen hatte, oder dass er auf dem Weg nach Hause geübt hatte, die Buchstaben von Dereks Namen mit den Lippen zu formen. Oder dass er auf seinem Handy die Seite der Galerie öffnete, nachdem er zu Bett gegangen war.

      Und falls ‒ nur falls ‒ er auf den Kaufen-Button unter dem hinreißenden Oktopus tippte, na ja, dann wüsste niemand, wieso.

      Kapitel 2

      »Oh nein, nein, nein, nein«, stöhnte Derek, als sein Handy schrill klingelte. Er schaute mit einem Auge verschlafen auf das Telefon und sah, dass es erst kurz nach sechs Uhr morgens war. Was bedeutete, dass er ganze drei Stunden geschlafen hatte, bevor er so rüde gestört worden war. Wenn auf dem Display ein anderer Name gestanden hätte als der von Sam, hätte er das Handy quer durch den Raum geworfen und in Kauf genommen, dass es zerschellte. »Was, zur verdammten Hölle, willst du um sechs Uhr morgens?«

      »Beth hat gerade angerufen.«

      Wenn es etwas gab, das ihn dazu brachte, aus dem Tiefschlaf gerissen so wach zu werden, als hätte er einen Liter Espresso getrunken, dann war es der Satz Beth hat angerufen. Beth war die Sozialarbeiterin, die mit Maisys Fall betraut war. Und Maisy war die Tochter von Sams verwahrloster Cousine, die das Jugendamt ihr direkt nach der Geburt weggenommen hatte. Danach war sie neun verfluchte Monate lang von einer Pflegefamilie zur nächsten weitergereicht worden, bis man endlich einen Verwandten ausfindig gemacht hatte, der sie aufnahm.

      Sam hatte sofort angeboten, sich um das Baby zu kümmern, war aber zunächst aufgrund seines Äußeren abgelehnt worden. Sam war den Zwillingen sehr ähnlich ‒ unglaublich groß und einschüchternd mit massiven, hart erarbeiteten Muskeln, den Großteil seiner Haut von Tattoos bedeckt. Aber das Schlimmste war, dass man ihn offiziell wegen seiner Behinderung abgelehnt hatte. Die ursprüngliche Sozialarbeiterin hatte Sam die Aufnahme des kleinen Mädchens verwehrt, weil sie nicht überzeugt war, dass er in der Lage sein würde, einem Baby das zu geben,