Unsere Liebe auf deiner Haut. E.M. Lindsey. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: E.M. Lindsey
Издательство: Bookwire
Серия: Irons and Works
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958238480
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nicht in sein Leben geplatzt wäre und Gefühle in ihm geweckt hätte, die er nie wieder empfinden wollte. Er erwachte an diesem Morgen mit dem Gefühl von Verlust und Bedauern. Verlust, weil er, obwohl er in einer Kleinstadt lebte, Derek noch nie zuvor gesehen hatte und es wahrscheinlich auch nie wieder tun würde. Bedauern, weil er sich auf eine Weise geöffnet hatte, wie er es nie wieder hatte tun wollen.

      Er hatte das Bild gekauft, ohne großartig darüber nachzudenken, denn er konnte den sanften Ausdruck in Dereks Augen nicht vergessen, als er die Seite aufgerufen hatte, um ihm etwas zu zeigen, das ihm wichtig war. Es war lächerlich, dieses seltsame, freudige Gefühl in seinem Bauch, das er empfand, wenn er daran dachte, dass er etwas besitzen würde, das ein Teil von Derek war ‒ das er aus seinem Inneren zu Papier gebracht hatte ‒, aber es war dennoch da.

      Beinahe hätte er die Bestellung storniert, als er seine E-Mails überprüfte, aber dann hatte er gemerkt, dass er Amas PayPal-Account benutzt hatte, weshalb Derek ihn wahrscheinlich sowieso nicht erkennen würde. Als Lieferadresse war der Laden angegeben und er glaubte nicht, dass er Derek seine Nachnamen genannt hatte. Daher konnte er einen Teil des Mannes, der ihm nicht aus dem Kopf ging, für sich behalten, ohne ein Risiko einzugehen.

      Es war eigentlich ideal.

      Und damit konnte er leben.

      Gegen elf Uhr knurrte sein Magen, deshalb streckte er den Kopf um die Ecke und sah, dass Ama sich ihr Handy vor die Nase hielt und etwas auf ein Blatt Papier notierte, das sie von dem Display ablas. Er wartete, bis sie fertig war, dann ging er in den glücklicherweise leeren Verkaufsraum.

      ›Fertig?‹, fragte sie, als er ihre Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte.

      Er schüttelte den Kopf. ›Ich mache Mittagspause. Möchtest du auch etwas?‹

      Sie dachte einen Moment nach, dann wedelte sie mit den Händen. ›Egal, was. Du weißt doch, was ich mag. Aber bring mir auf dem Rückweg einen Kaffee mit. Ich brauche einen Koffeinkick.‹

      Basil seufzte und schaute zu den Bestellungen auf dem Ladentisch. Er entdeckte drei neue. ›Wir sind fast überbucht‹, erinnerte er sie. ›Ich mache keine Mitternachtsschichten mehr.‹

      Sie warf ihm einen unbeeindruckten Blick zu und er wusste, was sie damit meinte. Die hektische Jahreszeit ließ sie die ruhige überstehen und hielt sie in den schwarzen Zahlen, damit die harte Arbeit ihrer Tante und ihres Onkels nicht umsonst war. Er hatte die beiden nicht gut gekannt, was eigentlich traurig war. Rachel war die einzige Schwester seiner Mutter gewesen ‒ sie hatte gemeinsam mit ihrer Schwester und Basils Dad an der Universität Botanik studiert. Rick war dort als Gastsprecher aufgetreten ‒ ein hörender Mann, der sowohl britische als auch amerikanische Gebärdensprache fließend beherrschte und gerade seinen Doktortitel in Pflanzengenetik gemacht hatte. Nun reiste er um die Welt, um seine neuesten Erkenntnisse zu teilen. Aus irgendeinem Grund hatte Rachel in ihrem letzten Studienjahr die Uni verlassen und war mit Rick in Fairfield gelandet. Das hatte zum Bruch zwischen ihr und Basils Mutter geführt und sie hatten sich erst wieder angenähert, als er und Amaranth bereits erwachsen gewesen waren.

      Er war erstaunt gewesen, dass Rachel ihn und seine Schwester als würdig erachtet hatte, ihren Laden weiterzuführen ‒ und das nicht nur, weil sie außer ihnen keine Familie mehr gehabt hatte, sondern sie hatte in ihrem Testament geschrieben, dass sie ihnen gern mehr gegeben hätte, aber sonst nichts hatte, was sie vererben konnte.

      Basil hatte die Forschungsarbeiten seiner Eltern auf dem Dachboden des Hauses verstaut, in dem er und Amaranth nun lebten, zusammen mit den Sachen von Rachel und Rick, um das Haus irgendwie zu ihrem eigenen zu machen. Trotzdem konnte er das Gefühl nicht abschütteln, dass er mit Geistern zusammenlebte. Mit Geistern seiner eigenen Vergangenheit, Geistern derjenigen, die er geliebt und die ihn verlassen hatten, Geistern seines verlorenen Mutes und seines verlorenen Lebenswillens. Aber er wollte trotzdem, dass das hier funktionierte, und fühlte sich verpflichtet, den Traum von Rachel und Rick am Leben zu halten.

      Deshalb gab er Amaranths verärgertem Gesichtsausdruck nach und ging zur Tür hinaus, um sich für einen weiteren langen Abend zu stärken.

      Als Amaranth und Basil vor zwei Jahren nach einer viermonatigen Trauerzeit die Türen von Wallflowers wieder geöffnet hatten, waren die Anwohner erleichtert, aber auch verwirrt gewesen. Es war ein Beweis dafür, wie gut Rachel sich angepasst hatte, dass niemand sonderlich besorgt schien, dass der Laden von einem gehörlosen Mann geführt wurde, der sich weigerte, ihre Art der Kommunikation auch nur in Erwägung zu ziehen, und von einer Frau mit mörderischem Blick, die den starken Akzent einer gehörlosen Person hatte und mehr redete, als den Leuten lieb war. Das lag wohl in der Familie ‒ er hegte die Vermutung, dass Rachel genauso gewesen war, und oft genug bereute er, dass er sie nie besser kennengelernt hatte. Wenn sie seiner Mutter ähnlich war, hätte er sie sehr geliebt.

      Er riss sich aus den melancholischen Gedanken und klopfte seine Taschen ab, um sicherzugehen, dass er sein Handy dabeihatte, dann machte er sich auf den Weg zu seinem Lieblings-Sandwichladen, der sich in einem kleinen, offenen Einkaufszentrum befand. Vor zwei Jahren war es schon genauso klein und idyllisch gewesen ‒ ein Bekleidungsgeschäft, eine Weinbar, ein Sushi-Restaurant und eine Reinigung. Dann der Sandwichladen und ein koreanisches Restaurant in der Nähe des Tattoostudios, das wahrscheinlich schon seit Ewigkeiten dort war.

      Erst da wurde Basil bewusst, dass es in Fairfield wohl nur dieses eine Tattoostudio gab, und er bekam Panik. Denn wo sonst sollte Derek als Tätowierer arbeiten? Vielleicht in Denver ‒ das lag über die 25 nur eine halbe Stunde entfernt, oder 45 Minuten, wenn man eine etwas malerischere Route bevorzugte. Außerdem konnte er sich einen Mann wie Derek in Denver gut vorstellen. Aber bei seinem Glück hielt sich die Person, die zum ersten Mal seit Langem dafür gesorgt hatte, dass er etwas empfand, ganz in seiner Nähe auf.

      Er schluckte seine Panik hinunter, betrat den Gehweg, der aus sorgfältig angeordneten Pflastersteinen bestand, und machte sich auf den Weg zum Laden. Doch seine Schritte verlangsamten sich, als die Türen des Tattoostudios sich öffneten und zwei identisch aussehende Männer herauskamen. Zwei identisch aussehende Männer, die Basil erkannte, denn dieses Gesicht würde er nie vergessen. Sein Herz begann, in seiner Brust zu hämmern, und er war einen Moment lang verwirrt, bis ihm einfiel, dass Derek von seinem Zwillingsbruder erzählt hatte.

      Seinem eineiigen Zwillingsbruder, und das hatte er ernst gemeint. Derjenige, der nicht Derek war ‒ Basil wusste auf Anhieb, welcher der Männer es war, der seine Gedanken beherrschte ‒, hatte kürzeres Haar mit einem Undercut, das er mit viel zu viel Gel nach hinten gestrichen hatte. Sie waren beide leger gekleidet mit T-Shirts, engen Jeans und Stiefeln. Nicht-Derek hatte am Hals ein Tattoo, aber er hatte sich ein wenig abgewandt, sodass Basil nicht erkennen konnte, was genau es darstellte, aber es passte zu ihm.

      Aber am meisten schockierte ihn, dass die Zwillinge nicht allein waren. Bei ihnen waren zwei Kinder, ein Kleinkind, das zwischen ihnen lief, und ein Baby, das Nicht-Derek auf dem Arm hatte. Basil ging hinter einem dicken Baumstamm in Deckung und versuchte, außer Sichtweite zu bleiben, und ihm tat das Herz weh bei dem Gedanken, dass Derek in einer Beziehung war und Kinder hatte. Nicht, dass es eine Rolle spielte, aber…

      Es gefiel ihm nicht. Sein Magen drehte sich um und der Appetit war ihm vergangen. Er zog sich tiefer in die sattgrünen Büsche zurück, die den Gehweg flankierten, und spähte zwischen ein paar Zweigen hindurch. Die Brüder unterhielten sich schnell, als sie an ihm vorbeigingen, und einen Moment lang wünschte er sich, er könnte verstehen, was sie sagten. Erinnerte Derek sich überhaupt an ihn? Hatte er ihn vergessen? Hatte Basil irgendeinen Eindruck bei ihm hinterlassen?

      Er vermutete, schon. Wie Derek ihn angesehen hatte, als die Lichter wieder angegangen waren, wie er ein klein wenig enttäuscht über das Ende ihrer gemeinsamen Zeit gewirkt hatte, wie er Basils Gesicht nicht aus den Augen gelassen hatte. Basil hatte die Gelegenheit genutzt, diesen kurzen Moment, bevor Derek hinausgegangen war, um ihn eindringlich zu mustern. Die kunstvollen Bilder auf seinen Armen, seine große Nase, die ein wenig nach unten zeigte, wie sein feuchtes Haar versuchte, sich zu kräuseln, obwohl er es immer wieder zurückstrich.

      Aber vielleicht hatte er sich etwas eingebildet. Vielleicht entwickelte er Gefühle für einen Mann, der unerreichbar war, um