Im Jahr 1984 stellte unser Krankenhaus eine begabte junge Frau ein, die als Pastorin ausgebildet worden war. Felicity Matala hatte gerade die Evangelical School of Theology in der Hauptstadt Kinshasa abgeschlossen, wo sie Kurse in Klinikseelsorge belegt hatte. Frau Matala hatte eine innige, persönliche Beziehung mit Christus, ein tiefgehendes Verständnis der Bibel, eine Ausbildung zur Seelsorgerin sowie die Gabe zuzuhören, zu ermutigen und den Dingen auf den Grund zu gehen. Wir – die Krankenhausärzte – und bald auch die Krankenschwestern begannen, kranke Menschen zu ihr in die Seelsorge zu schicken. Viele litten an Krankheiten, bei denen Stress eine bedeutende Rolle spielte. Andere litten hauptsächlich an physischen Problemen wie Tuberkulose, Zirrhose oder anderen chronischen Infektionen, darunter HIV/Aids. Uns beeindruckte, wie segensreich sich ihre Seelsorge bei denen auswirkte, die mit Beziehungskonflikten zu ihr kamen und Heilung fanden. Wir erlebten oft, wie sich deren körperliche Gebrechen besserten oder schneller heilten.
Wir entdeckten auch, dass eine geistliche Wiedergeburt – das Eintreten in eine persönliche Beziehung mit Jesus Christus – positive physische Wirkungen hervorbrachte. Wir erlebten, wie Gebet in einer Weise wirkte, die die Wissenschaft nicht erklären konnte. Erlebten wir mit, wie Christus heilte, wie er das auf ähnliche Weise einst in Galiläa getan hatte? Wir waren überzeugt: so war es, und dass wir endlich begonnen hatten, für die ganze Person Sorge zu tragen.
Wir erkannten auch den ungeheuren Vorteil, als heilendes Team zusammenarbeiten zu können. Wir Ärzte hatten weder die Zeit noch die Ausbildung, um Kranken bei den Belangen ihres persönlichen Lebens zu helfen, in ihre Gefühlswelt einzutreten oder etwas über ihre Beziehungen herauszufinden. Wir waren auch nicht ausreichend darauf vorbereitet, den oft zeitaufwendigen, weiterführenden seelsorgerlichen Dienst zu tun.
Frau Matala und mir war klar, dass alle Mitarbeiter des Krankenhauses Teil dieses fürsorgenden Prozesses waren. Krankenschwestern und Pfleger verbringen mehr Zeit im persönlichen Kontakt mit den Patienten als Ärzte. (Das ist überall so.) Operationsteams und Geburtshelfer begleiten Menschen in kritischen Phasen ihres Lebens. Sie alle sollten lernen, sich um die ganze Person zu kümmern und ihr wirksam zu helfen.
Darüber hinaus gab es die Mitarbeiter in der Technik und in der Verwaltung. Wie sie zu den Kranken in Beziehung treten, ist im Blick auf das Ergebnis ebenfalls sehr wichtig. Wenn der erste Kontakt eines Patienten mit dem Klinikpersonal zu einer warmherzigen Angelegenheit wird, begründet das bereits ein Vertrauensverhältnis, das für die weitere wirksame Behandlung unbedingt nötig ist.
So nahmen wir – Frau Matala und ich – uns trotz eines vollen Programms die Zeit, eine ganze Reihe unserer Angestellten weiterzubilden. Der Pflegedienstleiter, der dafür bemerkenswerte persönliche Begabungen mitbrachte, half uns dabei. Wir unterrichteten die Schwesternschülerinnen, denn sie sollten gleich zu Beginn ihrer beruflichen Laufbahn mit diesen Aufgabenfeldern vertraut gemacht werden. Kurze Zeit später auf meinem Weg durch die Stationen sah ich immer wieder Mitarbeiter oder Schülerinnen im Gespräch mit Patienten oder wie sie zusammen beteten. Uns wurde bewusst, dass Frau Matala gemeinsam mit ihrem Seelsorgeteam sowie die restlichen Klinikangestellten letztlich Heiler waren, weil die Sorge für den ganzen Menschen endlich ihren Platz gefunden hatte. Das möchte ich an einem konkreten Fall illustrieren.
Tuberkulose, die nicht weichen wollte
Vor einigen Jahren kam John mit schwerer Tuberkulose in unser Krankenhaus. Er war 18 Jahre alt, besuchte die Sekundarschule und war sechs Monate, bevor er zu uns kam, erkrankt. Obwohl er sehr krank war, waren wir zuversichtlich, ihn heilen zu können. Schließlich gab es zur Behandlung von TB hervorragende Medikamente. Wir nahmen ihn auf und verordneten ihm das Standardprogramm, bestehend aus drei Antibiotika.
Nachdem er auf diese Weise einen Monat lang behandelt worden war, hatte sich bei John nichts gebessert; stattdessen wurde er immer kränker. Wir vermuteten, dass seine TB-Bazillen resistent waren gegenüber unseren Antibiotika. Wir behandelten ihn stattdessen mit stärkeren und teureren Medikamenten. Auch das führte zu nichts. Schon bald wurde klar, dass John sterben würde, und niemand wusste, aus welchem Grund.
Eines Tages fand eine Schwesternschülerin heraus, warum John krank war. Sie kam zu uns und erzählte, dass John verflucht bzw. mit einem Bann belegt worden sei. John wollte unbedingt die höhere Schule besuchen, aber seine Eltern hatten dafür kein Geld gehabt. Also hatten sie sich das Geld für den Schulbesuch von einem Onkel geliehen. Einige Monate später hatte dieser das Geld wieder zurück verlangt. Doch Johns Eltern waren viel zu arm, als dass sie es sogleich hätten zurückzahlen können. Der Onkel war darauf hin wütend geworden und hatte John in seiner Gegenwart mit einem Bann belegt. Den Eltern hatte er Vorwürfe gemacht, weil John all sein Geld ausgegeben hatte. Dem Fluch zufolge würde John krank werden und trotz allem, was die Ärzte für ihn tun würden, sterben müssen. Genau das war John vor unser aller Augen im Begriff zu tun, trotz der bestmöglichen medizinischen Betreuung.
Für ein solches Problem haben Ärzte keine Lösung parat. Keine Tablette kann einen Bann aufheben, kein Skalpell ihn entfernen. Im afrikanischen Kontext wird so ein Fluch direkt übertragen und gewöhnlich wörtlich genommen. Wenn so etwas passiert, kann das Ergebnis verheerend sein. Im nordamerikanischen und europäischen Kontext wird so ein Bann eher indirekt gehandhabt. Die Wörter »Krebs« und »Aids« können wie ein Fluch wirken. Das gilt noch viel mehr für Aussagen wie: »Du taugst zu gar nichts, du wirst es nie zu etwas bringen.« Oder: »Sie haben eine unheilbare Krankheit.« Oder: »Bringen Sie Ihre Angelegenheiten in Ordnung, Sie haben nur noch drei Monate zu leben.«
Frau Matala und unsere Schwesternschülerin kannten die Lösung für Johns Problem. Sie machten ihn mit Jesus Christus bekannt, und schon kurze Zeit später wurde John Christ. Darüber freuten wir uns, denn jetzt hatten John und Jesus sich für Zeit und Ewigkeit einander verschrieben. Wir waren der Aufgabe einer traditionellen evangelikalen medizinischen Einrichtung gerecht geworden: Wir hatten John medizinisch aufs Beste versorgt und ihn zu Jesus, dem Großen Arzt, geführt. Aber John starb weiterhin an TB, einer heilbaren Krankheit, und wir wussten nicht, warum. Frau Matala wusste es, und sie gab nicht auf, bis John völlig geheilt war.
Sie fand heraus, dass John Probleme hatte, die tiefer saßen als seine TB, Probleme, die auch seine religiöse Bekehrung nicht gelöst hatten. Sie las ihm aus der Bibel vor, von der Macht Jesu, wie er Kranke geheilt, den Sturm gestillt, Brot und Fisch vermehrt und sogar Tote auferweckt hatte. Und dann stellte sie John eine ganz einfache Frage: »John, wer ist stärker, Jesus oder dein Onkel?«
John war sofort bewusst, dass Jesus stärker ist als sein Onkel. Frau Matala versicherte ihm, dass er jetzt Jesus gehöre und dass die beschützende Kraft Jesu in seinem Herzen stärker sei als die zerstörerischen Kräfte seines Onkels, der ihn töten wollte. Auf diese Weise behandelte sie Johns tief sitzende Angst vor der Macht der Zauberei; und von dieser Angst wurde er befreit.
Frau Matala wusste, dass das noch nicht alles war. Sie fragte John, ob er der Meinung sei, sein Onkel hätte ihm unrecht getan. John antwortete: »Natürlich hat er mir unrecht getan. Er hat versucht, mich zu töten.« Dann erklärte Frau Matala ihm, wie Jesus uns geboten hat, denen zu vergeben, die übel an uns gehandelt haben. Diesen Schritt zu vollziehen, war für John sehr viel schwieriger, denn wie kann man denen vergeben, die uns absichtlich ins Elend stürzen und dabei noch glücklich scheinen? Nichtsdestotrotz – dank der Hilfe von Frau Matala und anderer Mitarbeiter war John in der Lage, seinem Onkel zu vergeben. Ärger und Hass in Johns Herzen waren damit geheilt.
Sein Fieber verließ ihn bald, sein Appetit kehrte zurück, er nahm zu und nach wenigen Monaten war er wieder völlig hergestellt. Der geistliche Faktor, bodenständige Psychologie und eine gute medizinische Versorgung hatten zusammengewirkt. John war heil geworden an Geist, Seele und Leib; er hatte zu einer gesunden Ganzheitlichkeit zurück gefunden.
Eine Krankheit haben oder krank sein