Karin Keppler: Dafür sind Frauen prädestiniert. Frauen wollen stets in allen Rollen perfekt sein. Perfekter Haushalt, perfekte Ehefrau, perfekte Karrierefrau. Oft endet dieser Anspruch im Verzetteln, was das Karriereende bedeuten kann. Je früher man die perfektionistische Ader aufgibt, umso besser, man kann nicht in allen Rollen perfekt sein.
Claudia Schmidt: Das ist ein Stück weit Sozialisierung und vom Umfeld geprägt. In der Psychologie und Typologie rund um Motiv-Strukturen und Antreiber-Modelle gibt es einerseits eine deutliche Differenzierung zu diesem Perfekt-Sein-Wollen, dennoch erlebe ich es häufig als antrainiert. Es ist nicht zwingend im weiblichen Genmaterial verankert. Es gibt Menschen, Frauen und Männer, deren Antreiber ist tatsächlich ‚Sei perfekt!‘. Es gibt andererseits ebenfalls Antreiber, die sagen ‚Sei stark!‘ oder ‚Mach es allen recht!‘ oder ‚Beeil dich!‘ oder ‚Streng dich an!‘. Wir haben gelernt oder sind der subjektiven Überzeugung, den scheinbar an uns gestellten Erwartungen entsprechen zu müssen. Aber nicht, weil es unsere ureigene Eigenschaft ist.
Karin Keppler: Das sind exakt die Stereotypen. Männer streiten sich in der Arbeit und gehen hinterher gemeinsam ein Bier trinken. Frauen gehen nach Hause, machen sich drei Monate Gedanken und nehmen es persönlich. Sie fühlen sich nicht akzeptiert, wenn sie in die Auseinandersetzung gehen. Unabhängig davon, ob ihre Haltung richtig oder falsch war. Auch das hemmt Frauen im Beruf, dass sie selten Stellung beziehen. Weil sie Angst haben, dass sie nicht mehr gemocht werden oder dass über sie schlecht geredet wird. Ich habe noch nie einen Mann mit verweinten Augen aus der Toilette kommen sehen.
Was hat euch auf eurem Weg sozialisiert?
Karin Keppler: Meine Eltern hatten ein Unternehmen, in das meine Mutter voll eingebunden war. Es war also nicht verwerflich, dass eine Frau arbeiten geht und Karriere macht. Sie war außerdem in der Hinsicht ein Vorbild, dass sie einen Auslandsaufenthalt gemacht hatte. Damals war Österreich das ‚Ausland‘, aber immerhin. Das war etwas Besonderes zu der Zeit. Meine gute Ausbildung hat mir Respekt verschafft. Und dieser Respekt hat mich mutiger und selbstsicherer gemacht. Wobei Frauen ohnehin sehr mutig sind, viele Frauen bekommen Kinder und kümmern sich um die Familie. Das hat immens viel mit Mut zu tun, sich einer neuen Situation zu stellen. Mut sollte deutlich mehr gefördert werden, insbesondere im Technik-Umfeld sind wenige Jahre eine lange Zeit. Also braucht es Mut für den Wiedereinstieg.
Claudia Schmidt: Für mich war Unabhängigkeit mit das Wichtigste. Ich wollte selbst für meinen Unterhalt sorgen. Das war nicht zuletzt der Grund, warum ich Karriere machen und gutes Geld verdienen wollte. Ich war inspiriert durch die Notwendigkeit und gleichzeitig durch den Spaß am Erfolg und an der Anerkennung.
Können Frauen im technischen Umfeld Karriere machen?
Claudia Schmidt: Ich habe mir die Frage gar nicht gestellt, ob ich das kann und ob mir das als Frau zusteht. Dadurch wurde ich seltener hinterfragt, bin in der Männerwelt sehr aufgefallen und hatte ein besseres Sprungbrett. Nicht nur oder in jedem Fall, weil ich derart viel besser war, sondern weil ich als Frau schlicht deutlich mehr auffiel. Klappern gehört zum Geschäft, ich muss wahrnehmbar sein und die Bühne suchen. Und ich darf keinesfalls nur die Rollen wählen, die andere unterstützen. Wenn ich einen guten Job mache, möchte ich das Ergebnis meiner Mühen verkaufen und gesehen werden. Viele Frauen werden zwar in der zweiten Reihe sehr geschätzt, bekommen jedoch keine Sichtbarkeit und machen letztendlich keine Karriere.
Welche Tipps würdet ihr jungen Frauen mit auf den Weg geben?
Claudia Schmidt: Einfach mal anfangen, einfach mal lernen. Ehe ich mich bis in die Haarspitzen mit Ausbildungen munitioniere. Was soll passieren? Männer machen es nicht anders. Insofern hätte ich da als Frau keinen Nachteil. Letztendlich ist es wichtig, dass mich mein Weg glücklich macht. Alles andere brennt aus und strengt zu sehr an.
Karin Keppler: Frauen fällt es schwer, authentisch aufzutreten und auch optisch ihr eigenes Selbst zu verkörpern. Es scheint, als müsse man die eigene Persönlichkeit verbiegen, um Karriere zu machen. Das funktioniert und stimmt so nicht. Frauen müssen nicht die besseren Männer sein. Der männliche Weg muss nicht der einzige Weg sein. Jede Frau kann den eigenen Weg finden, auf ihre eigene Art.
Claudia Schmidt: Die jungen Unternehmen, die bestehende Anbieter angreifen, zum Beispiel in der Touristik, sind schließlich nicht stromlinienförmig. Und trotzdem beteiligen sich Konzerne an diesen ‚Buden‘, schlussendlich wird das auf die Konzerne abfärben. Es fällt uns jedoch sehr schwer, das Altbekannte und Bewährte loszulassen, selbst wenn es nicht mehr in den aktuellen Kontext passt.
Was müsste sich verändern?
Claudia Schmidt: Ich bin kein Fan von Diversity-Kampagnen. Nur weil es aktuell hip ist und politisch gefördert wird. Solange sich das Verhalten nicht ändert, ist es keine echte Überzeugung. Selbst wenn es Unternehmen dem Grunde nach verstanden haben, braucht es eine Zeit, bis es in der Tiefe angekommen ist. So erging es mir früher mit Veränderungen. Ich war da sehr rational – wenn es sich rechnet, muss es exekutiert werden. Auch ich durfte meinen Weg zu den Menschen finden. Nach der Erkenntnis kommt die Überzeugung. Da hilft nur, es wiederholt zu reflektieren und Mut zur Vielfalt zu haben. Quoten helfen ebenso wie früher Alice Schwarzer, sie sind nur nicht das Allheilmittel. Was mich an der Quote stört, ist, dass Unternehmen gezwungen sein könnten, die zweite Wahl einzustellen, das schädigt insgesamt das Ansehen der Frauen. Interessanterweise haben die jungen Männer Angst davor, dass Frauen bevorzugt werden. Ich bin der Überzeugung: Wenn Frauen wollen, müssen sie persönlich aufstehen und sich und ihr Umfeld beeinflussen.
Karin Keppler: Ich halte die Quotenregelung für einen ersten wichtigen Schritt. Wenn sich Menschen im Unternehmen damit auseinandersetzen müssen, dann gerät das andere Geschlecht mehr in den Fokus. Es gibt einen kleinen Schubs in die richtige Richtung. Oftmals werden weiterhin Menschen eingestellt, die einem selbst sehr ähnlich sind. Männer stellen Männer ein.
Claudia Schmidt: Es beginnt damit, dass Frauen von sich selbst überzeugt sind. In meiner Gedankenwelt war es damals gar keine Frage, ob ich den Job bekomme. Es war mein Traumjob, ich wollte ihn und hielt mich für qualifiziert. Scheinbar habe ich damit mein Gegenüber überzeugt. Ich kann nichts verkaufen, wovon ich selbst nicht überzeugt bin. Wenn ich noch Zweifel habe, hole ich mir einen Coach als Reflexionsfläche, damit habe ich gute Erfahrungen.
Karin Keppler: Eine fachliche Ausbildung gibt Sicherheit im Außen und gleichzeitig die Überzeugung, dass das Thema tatsächlich mein Thema ist. Qualifikation ist ein bisschen aus der Mode gekommen, ist jedoch insbesondere im IT-Umfeld sehr hilfreich. Das muss nicht zwingend in Form eines Studiums sein, sondern kann durchaus in Form von Seminaren erfolgen. Nur mit Persönlichkeit wird es schwer, sich Respekt zu verschaffen.
Lasst uns einen Blick in die Zukunft werfen, wo seht ihr Deutschland in 20 Jahren?
Karin Keppler: Diversity-Themen wie Religion und Geschlecht werden in 20 Jahren deswegen nicht mehr relevant sein, weil es nur noch um Fachkompetenz und um Führungskompetenz gehen wird.
Claudia Schmidt: Künstliche Intelligenz und Robotik werden einen sehr viel größeren Stellenwert haben. Vor allem körperlich können wir uns sehr über Robotik entlasten. Spannend wird sein, wie wir unser Verständnis von Ethik und Moral in die KI integrieren. Wie erreichen wir, dass wir als Menschen nicht für die Technik da sind, sondern die Technik für uns? Ich weiß nicht, ob wir in 20 Jahren eine rundum befriedigende Antwort darauf haben werden. In jedem Fall wird es uns in 20 Jahren deutlich mehr beschäftigen und schmerzen.
Karin Keppler: Vor diesem Hintergrund sind Frauen in der Technik exakt das Richtige. Uns wird nachgesagt, besonders stark in sozialen Aspekten zu sein, wie Verständnis, Ethik und Moral. In meiner Wahrnehmung sind Frauen in Führungspositionen eher