Da ich zeitlich im Frühjahre nach Island kam, so sah ich die Pferde und Schafe noch in ihrer Winterkleidung. Erstere scheinen gar nicht mit Haaren bewachsen zu sein, sondern haben eine dicke, wollige Decke, während Schweif und Mähne sehr lang, und von unbeschreiblicher Fülle sind. Ende Mai oder Anfangs Juni werden Schweif und Mähne gestutzt und ausgeschnitten; die Winterwolle verlieren sie von selbst und sehen dann so ziemlich glatt aus. — Auch die Schafe haben im Winter einen sehr reichlichen Pelz.
Sie werden nicht geschoren, sondern man zieht ihnen Anfangs Juni die Wolle stückweise mit den Händen vom Körper. Dieß gibt oft einen komischen Anblick, wenn nämlich das Schaf auf einer Seite schon ganz nackt ist, während es auf der andern noch die Wolle trägt.
Pferde und Kühe sind bedeutend kleiner als die unsrigen. Man brauchte jedoch nicht so weit zu reisen, um solch verzwergtes Vieh zu sehen. Schon in unserm Galizien sind die Pferde und die Kühe der Bauern um kein Haar größer oder stärker, wie jene der Isländer. Die Kühe der Letzteren zeichnen sich höchstens noch durch ihre ganz kleinen Hörner aus. — Die Schafe sind auch etwas kleiner als die unsrigen.
Jeder Bauer hält sich Pferde. Der Unterhalt ist höchst einfach, die Entfernungen sind groß, die Wege schlecht, und sehr oft bedeutende Flüsse, Moore oder Sümpfe zu passiren; da reitet denn auch Alles, Männer, Weiber und Kinder. Auf dieser Insel kennt man den Gebrauch eines Wagens eben so wenig als in Syrien.
Die allernächste Umgebung Reikjavik's sieht so ziemlich freundlich aus. Einige der Städter verwenden viele Mühe und Kosten darauf, die Steine in der Nähe ihrer Häuser theils zu sammeln, theils zu sprengen, und vermischen das Bischen Erdreich so lange mit Dünger, Torf und Asche, bis endlich doch etwas brauchbarer Grund daraus entsteht. Dieß ist aber ein solch riesiges Unternehmen, daß man sich durchaus nicht wundern darf, an derlei, von der Natur gänzlich vernachlässigten Stellen, nur äußerst wenig Cultur zu finden. — Herr Bernhöft führte mich auf eine kleine Wiese, deren Grund er auf zwanzig Jahre um den jährlichen Pachtzins von 30 kr. gemiethet. Um aber diesen Grund in die jetzige Wiese, die ihm nun das Winter.Futter für eine Kuh gibt, umzuwandeln, mußte er mehr als 150 fl. und nebst dem noch eigene Müh und Arbeit darauf verwenden. — Auch ist der Arbeitslohn für Bauersleute im Verhältnisse zu ihren wenigen Bedürfnissen sehr hoch gestellt; er beträgt für den Tag 30 auch 40 kr., ja in der Zeit der Heuernte sogar 1 fl.
Der Boden, weit und breit um das Städtchen, besteht aus Stein, Torf und Sümpfen. — Die letzteren sind meist mit hundert und hundert kleinern und größeren festen Erhöhungen durchzogen, und man kann daher leicht, von einer auf die andere springend, den ganzen Sumpf überschreiten, ohne die geringste Gefahr zu laufen, ja ohne nur einen nassen Fuß zu bekommen.
Trotz dem hätte mich auf einer meiner einsamen Wanderungen eine solche Stelle bald in nicht geringe Verlegenheit gesetzt. — Ich spazierte nämlich ganz gemächlich umher, da flog plötzlich ein kleiner Schmetterling vor mir auf. Es war der erste, den ich in diesem Lande sah, und meine Begierde ihn zu fangen war daher sehr groß. Ich eilte ihm nach, dachte weder an Sumpf noch Gefahr, und bemerkte in der Hitze des Verfolgens gar nicht, daß diese Erhöhungen immer seltener wurden, und weiter auseinander lagen. — Bald befand ich mich in der Mitte des Sumpfes und konnte weder vor- noch rückwärts. — Weit und breit sah ich keinen Menschen, selbst die Thiere waren entfernt von mir, woraus ich auf die Gefahr des Sumpfes schließen konnte. Nun blieb mir nichts anderes übrig, als eine Gegend in das Auge zu fassen, und tapfer darnach zu schreiten. Ich mußte oft zwei, drei Schritte im Sumpfe wagen um wieder auf eine Erhöhung zu gelangen, auf der ich dann triumphirend stehen blieb , und überlegte, wie die nächste zu erobern sei. — So lange ich noch Spuren eines Pferdehufes entdeckte, ward mir nicht bange; doch auch diese verloren sich und ich stand nun da, verlassen — im Sumpfe. — Auf meiner eroberten Warte konnte ich nicht ewig verweilen, und so blieb mir nichts übrig, als mich in den Sumpf zu wagen. Ich muß gestehen, daß ich mich Anfangs, wenn der Fuß so schnell in die Tiefe sank, der Furcht nicht erwehren konnte. Bald aber, als ich merkte, daß es nicht tiefer als bis über die Knöchel ging, kehrte mein Muth wieder zurück; ich schritt tapfer fort, und kam glücklich mit dem bloßen Schrecken und sehr durchnäßten Füßen durch.
Die beschwerlichsten Anstellungen in diesem Lande sind jene der Aerzte und der Geistlichen. Ihr Bezirk ist sehr ausgedehnt, besonders jener der Aerzte. Diese haben oft von einem Ende zum andern, 20 bis 30 deutsche Meilen zu machen. Hiezu denke man sich die schreckliche Winterjahreszeit, die bei 7 bis 8 Monate währt, und man wird kaum begreifen, daß es möglich ist, Leute zu diesem Amte zu finden.
Im Winter kommen die Bauern häufig mit Schaufeln, Hacken und einigen Pferden und holen den Arzt. Sie schreiten ihm dann voraus, und bahnen die unwegsamsten Stellen, während er abwechselnd bald das eine, bald das andere Pferd reiten muß, damit auch sie nicht der Last erliegen. Und so geht es fort viele, viele Meilen, bei Nacht und Nebel, bei Sturm und Schneegestöber, denn von seiner Eile hängt ja oft Leben und Tod ab. — Kehrt er dann, oft ganz erschöpft und erstarrt, in den Schooß der Seinigen zurück, und gedenkt sich zu erholen und zu stärken, und sich mit ihnen über die so eben überstandenen Gefahren und Beschwerden zu freuen, ach da warten seiner schon wieder neue, wichtige Gänge und Fahrten, so daß er kaum Zeit findet seine Lieben zu grüßen; — er muß abermal fort.
Manchmal holt man ihn zur See, wo die Gefahr auf dem oft sturmbewegten Elemente noch größer ist.
Der Gehalt der Aerzte ist ihren Mühen durchaus nicht angemessen, aber doch noch bei weitem besser, als jener der Priester.
Die ärmsten Pfründen betragen jährlich 6—8 fl., die reichsten 200 fl. Außerdem erhalten sie von der Regierung ein Häuschen, oft nicht viel besser als die Kothe eines Bauers, einige Wiesengründe und etwas Vieh. — Auch ist der Bauer verpflichtet ihnen kleine Gaben, als Heu, Schafwolle, Fische u.s.w. zu liefern. Die meisten Priester sind so arm, daß sie sammt ihrer Familie ebenso gekleidet gehen, wie die Bauern, von denen man sie auch kaum auseinander kennt. — Die Frau sieht dem Viehe nach und melkt Kühe und Schafe, trotz einer Magd, während der Priester auf die Wiese geht, und mit seinem Knechte das Gras abmäht. — Sein ganzer Umgang ist natürlich auch nur auf den Bauer beschränkt, und darin besteht das patriarchalische Leben, das so mancher Reisende entzückend findet und schildert; — ich möchte wissen, ob er es zu führen wünschte?
Ueberdieß hat so ein armer Priester oft noch zwei bis vier Districte zu versehen, die 1 bis 3 Meilen von seinem Wohnsitze entfernt sind. Er muß jeden Sonntag abwechselnd an dem einen oder dem andern Orte den Gottesdienst verrichten, so zwar, daß der Gottesdienst nur alle 3-4 Wochen an einer und derselben Stelle abgehalten wird. — Jedoch darf es der Priester mit seinen Reisen nicht so genau nehmen wie der Arzt, denn ist das Wetter an Sonntagen, besonders im Winter gar zu schlecht, so unterläßt er es die entlegenen Orte zu besuchen. Er würde ohnehin nur für einige Bauern predigen, da die Entfernteren sich ebenfalls nicht einfänden.
Am besten steht der Sysselmann — bei uns so viel als Kreishauptmann. — Der hat einen guten Gehalt und nicht viel zu thun, und an manchen Orten auch das Strandrecht, welches durch das angeschwemmte Holz, das von dem amerikanischen Festlande kömmt, nicht unbedeutend wird.
Fischfang und Jagd sind frei, nur der Lachsfang in den Flüssen ist königlich und wird verpachtet. — Eidergänse dürfen nicht geschossen werden; es ist darauf eine Geldstrafe gesetzt. — Militärpflichtigkeit ist keine. Auf der ganzen Insel bedarf man keines Soldaten, selbst in Reikjavik sind nur zwei Polizeidiener vorhanden.
Der Handel ist ebenfalls frei; — doch besitzen die Isländer so wenig Spekulationsgeist, daß, wenn sie auch die Geldmittel dazu besäßen, sie sich doch nie in solche Spekulationen einlassen würden.