Nachdem ich über eine Stunde in der Kirche war, kam ein Geistlicher zu mir, und sprach mich in meiner Muttersprache an. Er war ein Deutscher, und sogar ein Landsmann. Er versprach mir, mich in einigen Stunden zu besuchen. Ich kehrte dann in das Pilgerhaus zurück, und jetzt erst betrachtete ich mein Zimmer. Es war höchst einfach möblirt, die ganze Einrichtung bestand aus einer eisernen Bettstelle sammt Matratze, Polster und Decke, einem sehr schmutzigen Tische, 2 Stühlen, einer kleinen Bank und einem Wandkästchen, Alles von weichem Holze. Alle diese Effekten, so wie die Fenster, an denen einige Scheiben zerbrochen waren, mögen wohl vor undenklichen Zeiten rein gewesen seyn. Die Wände waren mit Kalk übertüncht, der Boden mit großen Steinplatten gepflastert. Kamine sind nirgends mehr zu sehen. Ich sah erst wieder welche, als ich nach Sizilien kam.
Ich legte mich auf eine oder zwei Stunden nieder, um nur ein Bischen auszuruhen, denn seit der Abreise von Konstantinopel bis hieher war es in einem Zuge fortgegangen.
Um 11 Uhr besuchte mich der deutsche Geistliche, Pater Paul, um mir die Ordnung des Hauses kund zu machen. Des Mittags wird um 12 Uhr, des Abends um 7 Uhr gespeiset. Zum Frühstück bekommt man schwarzen Kaffee; des Mittags eine eingekochte Suppe, die aber von Schöpsenfleisch bereitet ist, dann gekochtes Ziegenfleisch, etwas Gebackenes in Oel oder sonst ein Gericht von Gurken, und zum Schlusse gebratenes oder eingemachtes Schöpsenfleisch. Zweimal in der Woche Freitags und Samstags, werden Fastenspeisen gegeben, fällt aber das Fest eines besonderen Heiligen, was sehr oft der Fall ist, so kommen drei Fasttage, nämlich auch der Tag vor dem Heiligenfeste. Die Fastenspeisen bestehen aus einem Linsengerichte, einer Omelette und zwei Gerichten Stockfisch, eines warm, das andere kalt. Brot und Wein, so wie die Portionen der Speisen bekommt man in hinlänglicher Quantität. Aber Alles ist höchst mittelmäßig zubereitet, und lange braucht es, bis man sich an die immerwährenden Schöpsengerichte gewöhnt. In Syrien werden im Sommer weder Ochsen noch Kälber geschlachtet, ich genoß daher vom 19. Mai bis Anfangs September, wo ich nach Egypten kam, weder einen Tropfen Rindsuppe, noch ein Stückchen Rindfleisch.
Im Kloster bezahlt man weder für Kost noch Wohnung, und darf sich einen ganzen Monat aufhalten. Man gibt höchstens eine freiwillige Gabe auf Messen; — ob man aber viel, wenig oder nichts gibt, ob man ein Lateiner oder von einer andern Religion ist, darnach wird nicht gefragt. In diesem Punkte ist der Franziskaner-Orden höchst human. Die Geistlichen sind meistens Spanier und Italiener, sehr wenige von anderen Nationen.
Pater Paul war so gütig, sich mir als Führer anzutragen, und in seiner Gesellschaft sollte ich heute noch mehrere der heiligen Orte besuchen.
Wir begannen mit der via dolorosa, dem Wege, auf welchem Christus zum letzten Male auf Erden als Gottmensch, gebeugt unter der Last des Kreuzes, zur Schädelstätte ging. Die Stellen, wo Christus fiel, sind mit Stücken von Säulen bezeichnet, welche die heil. Helena an beiden Orten in die Mauern der Häuser einmauern ließ. Die dritte Stelle sieht man im Innern eines Hauses. Von da gelangten wir zur Zwerchgasse, und zwar zu demselben Orte, an welchem die heilige Maria in größter Eile gekommen war, ihren Sohn noch einmal zu sehen. Ja wohl sah sie ihn — daherwanken, von der Last und dem Schmerze gebeugt. Ihr Mutterherz erlag auf Augenblicke, eine Ohnmacht beraubte sie ihrer Besinnung, aber nur auf kurze Zeit, — sie mußte noch das Aergste schauen.
Nun wandelten wir zum Hause des Pilatus, welches zum Theile in Ruinen liegt, zum Theile den Türken als Kaserne dient. Man zeigt die Stelle, wo die heilige Stiege war, über welche Jesus ging, und die ich auf meiner Rückreise in Rom, in der Basilika St. Giovanni di Laterano, sah. Auch der Ort, wo Jesus von Pilatus dem Volke gezeigt wurde, ist noch bekannt. Gleich neben demselben steht ein kleines, dunkles, thurmartiges Gewölbe und in dessen Mitte der Stein, an welchen Christus gebunden und gegeißelt wurde.
Wir stiegen auf die höchste Terrasse dieses Hauses, weil man von hier aus den besten Überblick über die schöne Moschee Omar hat, die in einem sehr großen Hofe steht. Man muß sich mit diesem Überblicke begnügen, da die Türken hier viel fanatischer sind als in Konstantinopel und manchen andern Städten. Es ist daher eine vergebene Mühe, auch nur einen Versuch zu machen, in den Vorhof zu kommen. Ein Steinregen wäre der Empfang, den man dort zu gewärtigen hätte. So strenge sie ihre Religion und Gebräuche halten, eben so sehr achten sie jene Christen, die ihrerseits religiös und andächtig sind.
Mit vollkommener Ruhe kann der Christ an all' den Orten, die ihm heilig sind, seine Andacht verrichten, ohne im geringsten von vorübergehenden Türken bespöttelt oder beleidigt zu werden. Im Gegentheile, der Türke geht ihm ehrerbietig aus dem Wege, denn auch er ehrt Christus als einen großen Propheten, und die heilige Maria als seine würdige Mutter.
Unweit vom Hause des Pilatus steht jenes des Herodes, aber nur als Ruine. Das Haus des Prassers, vor welchem der arme Lazarus lag, hatte dasselbe Schicksal, doch kann man noch aus den Ruinen auf seine einstige Größe schließen.
Im Hause der heiligen Veronika ist eine Steinplatte eingemauert, auf welcher ein Fußtritt Jesu zu sehen ist. In einem andern Hause sieht man zwei Fußtritte der Maria. Auch jene Häuser, die an den Orten stehen, wo Maria und Maria Magdalena geboren wurde, wies mir Pater Paul. Alle diese Häuser sind zwar von Türken bewohnt, allein gegen eine kleine Gabe steht Jedermann der Eintritt offen.
Den folgenden Tag ging ich in die Kirche des heiligen Grabes. Mehrere enge, schmutzige Gassen führen dahin; — in denen, die der Kirche nahe liegen, sind lauter Buden, wie zu Maria Zell in Steiermark und an vielen andern Wallfahrtsorten, in welchen eine Auswahl von Rosenkränzen, geschnitzten Perlmuttermuscheln, Kruzifixen u.s.w. zu finden ist. Der Platz vor der Kirche ist ziemlich nett. Ihm gegenüber liegt das schönste Haus Jerusalems; seine Terrassen waren mit Blumen geziert.
Wenn man zu dieser Kirche geht, thut man wohl, sich mit einer guten Portion Para (sieben Stück machen einen guten Kreuzer) zu versehen, denn man wird von einer Menge Bettlern umschwärmt. Die Kirche ist verschlossen; die Türken haben die Schlüssel in Verwahrung und öffnen sie nur dann, wenn es begehrt wird. Man gibt ihnen für diese Mühe den kleinen Betrag von 3 oder 4 Piastern, sie sind damit zufrieden, und bleiben während der ganzen Zeit, die man in der Kirche zubringt, gleich am Eingange, im Innern der Kirche zurück, wo sie sich auf Divane lagern, Tabak rauchen und Kaffee trinken. Gleich am Eingange der Kirche bemerkt man auf dem Boden eine große, länglich viereckige Marmorplatte, dieß ist der Salbungsstein.
In der Mitte des Schiffes der Kirche steht eine kleine Kapelle, welche inwendig in zwei Theile geschieden ist. In der ersten Abtheilung sieht man in der Mitte eine Steinplatte, mit Marmor eingefaßt. Dieß soll derselbe Stein seyn, auf welchem der Engel saß, und den Frauen die Auferstehung verkündete, als sie kamen, um den Leichnam Jesu einzubalsamiren.
In der zweiten, eben so kleinen Abtheilung steht der Sarkophag, oder das Grabmahl Christi, von weißem Marmor. Der Zugang dahin führt durch eine so niedere Pforte, daß man sich sehr bücken muß, um hineinzukommen. Das Grab nimmt die ganze Länge der Kapelle ein, und wird als Altar verwendet. Man kann deßhalb nicht in den Sarkophag hineinsehen. Die Beleuchtung ist Tag und Nacht äußerst reich, es brennen beständig sieben und vierzig Lampen ober dem Grabe. Dieser Theil der Kapelle, wo das heilige Grabmahl steht, ist leider so klein, daß, wenn der Priester Messe liest, kaum noch 3 oder 4 Personen Platz haben. Die Kapelle ist ganz von Marmor erbaut und gehört den Lateinern, jedoch dürfen abwechselnd auch die Griechen darin Messe lesen.
So kniete ich nun an jenen Stellen, welche der Gegenstand aller meiner Wünsche schon in der Kindheit waren, an die ich stets meine Gedanken gerichtet hatte. Die Gefühle, welche man an solchen Stellen hat, sind wohl zu heilig und mannigfaltig, um auch nur den leisesten Versuch zumachen, sie mit Worten beschreiben zu wollen.
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