Einige der Reisenden, worunter auch ich gehörte, machten dießmal dem Koche wenig Ehre. Wir hatten noch nicht einige Löffel Suppe genossen, als uns das Seeübel so derb ergriff, daß wir nicht schnell genug vom Tische eilten konnten. — Ich legte mich nieder, und war an diesem Tage nicht mehr im Stande, mich zu bewegen und mich auf das Verdeck hinauf zu schleppen, um dieß herrliche Schauspiel der Natur bewundern zu können. Die Wellen gingen oft so hoch, daß sie über der Heitzröhre zusammenschlugen und uns von Zeit zu Zeit durch diese Öffnung ganze Ladungen Wasser in die Kajüte sandten.
4. April 1842.
Der Sturm nahm von gestern auf heute bedeutend zu, so daß man sich in den Betten fest halten mußte, um nicht herausgeworfen zu werden. Einem der Reisenden geschah dieser Unfall, da er durch die großen Übligkeiten außer Stand war, sich fest anzuklammern.
Da ich mich schon etwas besser fühlte, versuchte ich aufzustehen, wurde aber in demselben Augenblicke mit solcher Gewalt an den gegenüberstehenden Tisch geschleudert, daß ich die Lust, einen abermaligen Versuch zu machen, auf lange verlor. — An Schlaf war in der Nacht gar nicht zu denken. Das schreckliche Geheul des Windes in den Masten und Tauwerken, das furchtbare Gekrache des Schiffes, das aus seinen Fugen zu gehen schien, das ewige Hin- und Herlegen desselben, das Rollen der schweren Ankerketten ober uns, das Rufen, Befehlen und Schreien des Kapitäns und der Matrosen — dieser vereinte, unaufhörliche Lärm gönnte uns keinen Augenblick Ruhe. Des Morgens schleppte ich mich, noch halb krank, mit Hülfe des Dieners hinauf auf das Verdeck in die Nähe des Steuermannes, um die wundervollste Scene der Natur, einen Seesturm, betrachten zu können.
Ich klammerte mich fest an, und trotzte kühn den Wellen, die hoch über das Schiff zusammenschlugen, und mich von allen Seiten benetzten, als wollten sie die Hitze meiner Krankheit kühlen. Dafür bekam ich auch den klaren, deutlichen Begriff eines Sturmes auf dem Meere; — ich sah die Wogen schäumend daher stürmen, sah das Schiff bald in den Abgrund tauchen, bald wieder mit Blitzesschnelle auf den höchsten Wellengipfel sich erheben. Es war ein grauses, fürchterliches Bild, dessen Anblick mich so ergriff und beschäftigte, daß ich gänzlich auf mein Uebelbefinden vergaß.
Erst spät in der Nacht ließ der Sturm etwas nach, so daß wir nun einlaufe« und Anker werfen konnten im Hafen von Barna, den wir schon zehn bis zwölf Stunden früher hätten erreichen sollen.
5. April 1842.
Heute Morgen konnte ich diese schöne Festung und Stadt, die die Russen im Jahre 1828 belagert und eingenommen haben, mit Muße betrachten. Wir blieben daselbst mehrere Stunden. Der obere Raum des Schiffes wurde hier dermaßen mit Geflügel aller Art beladen, daß der Raum für uns Reisende höchst beschränkt war. Dieser Artikel scheint von Türken und Franken in Konstantinopel sehr gesucht zu seyn, denn der Schiffskapitän versicherte mich, daß sie bei jedesmaliger Abfahrt von Barna mit dieser Waare voll geladen, nach Stambul führen.
6. April 1842.
Der schönste Anblick der Welt, auf welchen ich mich schon bei meiner Abreise freute, die Fahrt durch den Bosporus, wurde mir durch die Nacht entzogen. Erst einige Tage später machte ich diesen Ausflug auf einer Kaik, einem äußerst leicht und schmal gebauten Kahne, und genoß da in vollen Zügen Ansichten und Bilder, die ich nicht vermögend bin zu schildern.
II. Ankunft in Konstantinopel.
Morgens 3 Uhr, als wir in den Hafen von Konstantinopel eingelaufen waren, lag, außer einigen Matrosen, Alles in tiefer Ruhe, und ich stand auf dem Verdecke, und harrte, und sah die Sonne im vollsten Glanze ihrer Pracht über die mit Recht bewunderte Kaiserstadt aufgehen.
Wir hatten Anker geworfen in der Nähe von Topona, und ausgebreitet vor meinen Blicken lag nun diese Stadt aller Städte auf mehreren Hügeln, deren jeder selbst wieder eine Stadt trägt, und doch sich passend und großartig dem Ganzen anschmiegt.
Die eigentliche Stadt Konstantinopel ist von Topana, Galata und Pera durch das sogenannte goldene Horn getrennt, und durch eine lange, breite, hölzerne Brücke in Verbindung gesetzt. Scutari und Bulgurlu erheben sich terrassenartig am asiatischen Ufer. Der herrlichste und großartigste Cypressenwald umgibt Scutari von Außen und Innen. Im Vordergrunde, auf der Höhe des Berges liegt die schöne und große Kaserne, welche 10,000 Mann faßt.
Die wundervollen Moscheen mit ihren fein gezeichneten Minareten, die Paläste und Harems, die Kioske und großen Kasernen, die Gärten, die Boskette und Waldungen von Cypressen, die vielfarbig angestrichenen Häuser, über welche oft wieder einzelne Cypressen ihre schlanken Gipfel erheben, und endlich der ungeheure Wald von Masten — dieß Alles bildet einen unbeschreiblich überraschenden Anblick.
Nun erst, als das rege Leben der Menschen begann, sowohl am Ufer als auf dem Meere, da langten meine Augen nicht aus. Eine Unzahl Kaik's bedeckte nach und nach das Meer und das goldene Horn, so weit der Blick reichte. Das bewegteste Leben am Ufer, von Menschen aller Nationen und Farben, vom weißen Europäer bis zum schwärzesten Äthiopier, das Gemisch der eigenthümlichsten, verschiedenartigsten Trachten, — alles dieß und noch viel mehr, hielt mich gebannt auf dem Verdecke. Die Stunden flohen gleich Augenblicken dahin, — für mich kam die Zeit der Ausschiffung viel zu früh, obwohl ich von früh 3 Uhr bis 8 Uhr stand, und nichts als schaute.
Alle Mühseligkeiten der Reise fand ich reich belohnt, ich war glücklich in dem Anblicke dieser wunderbaren, morgenländischen Bilder, und hätte nur gewünscht, ein Dichter zu seyn, um dieses Wundervolle, Herrliche schildern zu können.
Zu Topana an's Land zu steigen, und von Lohndienern und Hamaks (Lastträgern) umschwärmt zu werden, ist das Loos jedes Reisenden. Man ist weder Herr seines Willens, noch seiner Sachen. Der eine rühmt diesen Gasthof, der andere jenen. [Sie bekommen von dem Wirthe 1 Thaler für jeden Reisenden, welchen sie ihm zuführen.] Die Träger raufen und schlagen sich um die Effekten, die Zollaufseher kommen oft mit dem Stock dazwischen und machen Ordnung. Dann werden die Koffer visitirt, was jedoch mit einem Trinkgeld von zehn bis zwanzig Kreuzern bald abgethan ist.
Sehr wohl thut man, schon vor der Ausschiffung einen Gasthof zu bestimmen, in dem man absteigen will. Es gibt immer Reisende auf dem Schiffe, die entweder da heimisch, oder doch wenigstens recht gut bekannt sind; diese haben dann schon die Gefälligkeit, hierüber Rath zu ertheilen. Auf solche Art kann man den geldgierigen Lohndienern gleich den Abschied geben, und braucht nur dem Träger den Gasthof zu nennen.
Die Gasthöfe für die Franken (so heißen im Oriente alle Europäer) sind in Pera. Ich stieg bei der Witwe Madame Balbiani ab. Man ist bei dieser Frau in jeder Hinsicht trefflich aufgehoben. Reinliche Zimmer mit der schönen Aussicht auf das Meer, gesunde, sehr gewählte und schmackhafte Kost, und schnelle gute Bedienung sind ja für Jedermann das Wünschenswertheste, und all dieß, nebst einem äußerst liebenswürdigen und gebildeten Benehmen der Hausfrau und ihrer Familie, findet man da vereint. Die gute Frau nahm sich meiner mit wahrer Theilnahme an, und ich kann wohl sagen, wenn ich nicht das Glück gehabt hätte, unter ihr Dach zu kommen, wäre es mir schlecht ergangen. Ich hatte zwar mehrere Empfehlungsbriefe — weil ich aber das Unglück hatte, weder mit großen Namen, noch in großem Pomp erscheinen zu können, so hielten es meine Landsleute nicht der Mühe Werth, sich um mich zu bekümmern.
Ich schäme mich an ihrer Statt, dieß Bekenntniß ablegen zu müssen, doch nicht nur, was ich auf dieser Reise Alles sah, sondern auch was mir auf selber zustieß, zeichne ich genau auf, und da gehört denn dieß doch gewiß auch dazu. Um so inniger rührte mich das herzliche Benehmen dieser fremden Menschen, die ohne Empfehlung, ohne Landsmannschaft sich der hilflos einzeln stehenden Frau so bieder annahmen. Mit wahrer Freude spreche ich bei jeder Gelegenheit meinen innigen Dank aus für alle freundlichen