Nun wird die Donau nur auf kurze Strecken breit. Sie ist mit Inseln wie besäet, und deßhalb immer mehr getrennt aIs vereint.
In den Ortschaften sieht man schon griechische und türkische Trachten, jedoch sind die Frauen und Mädchen noch unverschleiert.
An der Festung Silistria kamen wir leider sehr spät vorüber, und konnten sie nicht mehr sehen. Unweit davon blieben wir am linken Ufer über Nacht.
Den 1. April 1842,
kamen wir zeitlich an Hirsova vorüber, und um 2 Uhr hielten wir bei Braila, einer Festung, welche die Russen seit dem Jahre 1828 im Besitze haben. Hier wollte man die Reisenden nicht an das Land steigen lassen, weil man sie für verpestet hielt, allein unser Guardian trat hervor und gab Zeugniß, daß weder am rechtseitigen Ufer gelandet, noch von dort Jemand aufgenommen worden sey; darauf durften die Ankömmlinge das feste Land betreten.
Um 4 Uhr lagen wir vor Gallatz, einer der bedeutendsten Handelsstädte mit 8000 Einwohnern und dem einzigen Hafen der Russen an der Donau. Hier sahen wir die ersten Kauffahrer, Segelschiffe und Barken aller Art, die aus dem schwarzen Meere kamen. Auch Möven, die Verkündiger des nahen Meeres, schwirrten über unsern Köpfen.
Es geht hier schon äußerst bunt und lebhaft zu, denn Gallatz ist der Sammelplatz von Kaufleuten und Reisenden aus zwei Welttheilen, aus Europa und Asien; es ist der Vereinigungspunkt von drei der größten Monarchien: Österreich, Rußland und der Türkei.
Nachdem der Guardian auch hier dieselben Versicherungen wiederholt hatte, wie zu Braila, durften wir das Schiff verlassen. Ich hatte einen Empfehlungsbrief an den österreichischen Konsul, welcher zufälliger Weise an Bord kam, mich nach Übergabe meines Briefes sehr freundlich empfing, und für meine Unterkunft auf das gefälligste sorgte.
Die Stadt verspricht viel, aber man sieht ein eben so schmutziges, erbärmliches Nest, wie Giurgewo. Die meisten Häuser sind von Holz oder Lehm, und mit Stroh gedeckt; nur jene der Konsuln und reichen Kaufleute sind von Stein. Die schönsten Gebäude sind die christliche Kirche und der moldauische Gasthof.
Obwohl Gallatz an der Donau liegt, so kommt den Einwohnern das Trinkwasser dennoch sehr theuer. Es gibt weder Brunnen in den Häusern, noch auf den Plätzen. Die Leute müssen sich alles Wasser von der Donau tragen und führen lassen, was eine bedeutende Beschwerde für die Armen, und eine ziemliche Ausgabe für die Wohlhabenden ist, da im Winter an den entfernteren Gegenden der Stadt für ein Fäßchen Wasser von zwei Eimer 10-12 kr. C.M. bezahlt werden muß. Man begegnet beständig an allen Orten und Ecken nichts als Wasserträgern und Wägelchen mit Wasserfässern. Schon öfter hatte man Versuche gemacht, nach diesem unentbehrlichen Elemente zu graben; es kam zwar zum Vorschein, aber leider ungenießbar, da es salzig schmeckte.
In Gallatz wird vier und zwanzig Stunden Halt gemacht, ein Aufenthalt, der eben nicht zu den angenehmsten gehört, da weder Stadt noch Umgebung etwas Sehenswerthes darbieten. Und dennoch werd' ich immer mit Vergnügen und Dankbarkeit an diesen Tag denken. Der Herr Konsul Huber ist ein gebildeter und gefälliger Mann, der mir, da er selbst sehr viel gereist ist, manchen Rath und manche Verhaltungsregel mit auf die Reise gab. Die Ruhe, Ordnung und Bequemlichkeit, welche ich in seinem Hause fand, war nach einer Reihe so vieler Tage der Entbehrungen eben auch nicht zu verwerfen, und so fand ich hier Erholung für Geist und Körper.
2. April 1842.
Die Gegend um die Stadt ist so wenig einladend, daß ich gar keine Lust bekam, einen Spaziergang zu machen. Ich blieb also in der Stadt, und ging in den holperigen Gassen bergauf und bergab. Kaffeehäuser gibt es hier schon eine Menge, wenn aber die Menschen nicht vor denselben säßen, Kaffee trinkend und Tabak rauchend, so würde man diesen schmutzigen Stuben schwerlich die Ehre anthun, sie für solche zu halten.
Auf dem Markte und an den Plätzen sieht man bedeutend weniger Frauen als Männer.Letztere tummeln sich überall umher; und besorgen zum Theil, gleich den Italienern, auch die Geschäfte des andern Geschlechts. Man sieht ein Gemisch der verschiedenartigsten Nationen, darunter besonders viele Juden.
Der Bazar ist überhäuft mit Südfrüchten aller Art. Orangen und Citronen sind in solcher Menge vorhanden, wie bei uns das gemeinste Obst. Natürlich ist auch der Preis dafür sehr gering. Ganz besonders schön ist der Blumenkohl, der aus Kleinasien gebracht wird. Man findet viele Stücke darunter von der Größe eines Mannskopfes.
Abends mußte ich mich wieder nach dem Hafen begeben, um mich einzuschiffen.
Von dem Wirrwar, der hier herrscht, kann man sich keinen Begriff machen. Ein hölzernes Geländer macht die Scheidewand zwischen den Gesunden und Jenen, welche aus einem Lande der Pest kommen, oder in dasselbe gehen. Wer diese Gränze überschreitet, darf nicht mehr zurück. Soldaten, Offiziere, Beamten und Aufseher, Letztere mit Stöcken und Zangen bewaffnet, stehen am Eingange, um Jene, die sich mit Worten nicht abfertigen lassen, mit Gewalt zurück zu treiben. Die Lebensmittel oder sonstigen Effekten werden zum Theil hinüber geworfen, oder an die Gränze gestellt, dürfen aber nur dann erst berührt werden, wenn sich die Überbringer davon entfernt haben. Ein Herr auf der verpesteten Seite wollte Jemanden auf der andern einen Brief geben; augenblicklich riß man ihm selben aus der Hand und reichte ihn mittelst einer Zange hinüber. Und dabei ist beständig ein solcher Lärm und ein solches Geschrei, daß man sein eigenes Wort kaum hört. Der Eine ruft: „Langen Sie mir mein Gepäck herüber," der Andere: „Ach, kommen Sie mir nicht in die Nähe! Rühren Sie mich ja nicht an!" — — dazwischen schreien wieder die Aufseher: „Zurück! Zurück!" u.s.w.
Mich unterhielt dieses Schauspiel recht sehr; es war eine ganz neue Scene, die mich aber bei meiner Rückkehr, wo ich unter den Gefangenen seyn werde, bald langweilen wird. Für jetzt wurde ich in der Fortsetzung meiner Reise nicht im Geringsten aufgehalten.
Im Ganzen kommt mir diese ängstliche Vorsicht doch gar zu übertrieben vor, besonders zu einer Zeit, wo in der Türkei weder die Pest noch sonst eine ansteckende Krankheit herrscht. Einer unserer Reisegefährten wurde schon den vorhergehenden Tag auf unser künftiges Schiff verbannt, weil er das Unglück hatte, an einen Guardian zu streifen, als er nach seinen Effekten sehen wollte.
Um 7 Uhr ertönt der Zapfenstreich, das Gitter wird geschlossen und — die Komödie hat ein Ende. Wir begaben uns nun auf das vierte und letzte Dampfschiff, auf den „Ferdinand." Im Ganzen werden von Wien bis Konstantiuopel die Fahrzeuge sechsmal gewechselt, viermal die Dampfschiffe, und zweimal die Barken, was eben nicht zu den Annehmlichkeiten der Donaureise gehört.
Der „Ferdinand" ist kein großes, aber ein starkes und bequem gebautes Schiff. Sogar die Kajüte des zweiten Platzes ist nett, und ein niedliches Öfchen verbreitet, da wir selten mehr als 6-8 Grad über Null hatten, eine sehr wohlthuende Wärme. Eine besondere Abtheilung für Frauen ist leider auf dem zweiten Platze nicht vorhanden, jedoch wird wenigstens darauf gesehen, daß von dem dritten Platze Niemand auf den zweiten darf. An den Wänden laufen rings herum zwölf Schlafstellen, und vor denselben befinden sich gut gepolsterte breite Bänke.
3. April 1842.
Um 5 Uhr Morgens fuhren wir aus dem Hafen von Gallatz. Etwas spater wurden uns Waschbecken und Handtücher gereicht— eine Sache, die man auf den früheren Schiffen gar nicht kannte. Für die Verpflegung, welche ziemlich gut ist, zahlt man des Tages 1 fl. 30 kr. C.M.
Gegen 10 Uhr gelangten wir an ein bessarabisches, sehr erbärmlich aussehendes Nest, Tchussu, wo eine Viertelstunde angelegt wurde, dann ging es unausgesetzt dem Meere zu.
Ich freute mich schon lange auf das Einlaufen in das schwarze Meer, und dachte mir die Donau in der Nähe dieser Stelle selbst einem Meere gleich. Wie es aber im Leben gewöhnlich geht — ,,große Erwartungen, kleine Erfolge" — so war es auch hier. Bei Gallatz ist die Donau sehr breit, aber eine geraume Strecke vor dem Ausflusse theilt sie sich in so viele Arme, daß eigentlich keiner majestätisch zu nennen ist.
Gegen 3 Uhr Nachmittags liefen wir endlich in's schwarze Meer ein.
Da stürmen nun von allen Seiten die Arme der Donau heran und drängen mit Ungestüm das Meer so weit zurück,