Zwischendurch laufen in jedem Kriege Plünderung und Diebstahl en gros der europäischen Kulturträger in den chinesischen Kaiserpalästen, öffentlichen Gebäuden, an altertümlichen Kulturdenkmälern, so gut im Jahre 1860, wo der Palast des Kaisers mit seinen märchenhaften Schätzen von Franzosen geplündert wurde, wie 1900, wo "alle Nationen" öffentliches und privates Gut um die Wette stahlen. Rauchende Trümmer größter und ältester Städte, Verfall der Ackerkultur auf großen Strecken platten Landes, unerträglicher Steuerdruck zur Erschwingung der Kriegskontributionen waren die Begleiter jedes europäischen Vorstoßes, Hand in Hand mit den Fortschritten des Warenhandels. Von den mehr als 40 chinesischen Treaty ports ist jeder mit Blutströmen, Gemetzel und Ruin erkauft worden.
Neunundzwanzigstes Kapitel.
Der Kampf gegen die Bauernwirtschaft
Ein wichtiges Abschlußkapitel des Kampfes mit der Naturalwirtschaft ist die Trennung der Landwirtschaft vom Gewerbe, die Verdrängung der ländlichen Gewerbe aus der Bauernwirtschaft. Das Handwerk kommt geschichtlich als eine landwirtschaftliche Nebenbeschäftigung zur Welt, bei den ansässigen Kulturvölkern als Anhängsel des Ackerbaus. Die Geschichte des europäischen Handwerks im Mittelalter ist die Geschichte seiner Emanzipation von der Landwirtschaft, seiner Loslösung vom Fronhof, seiner Spezialisierung und Entwicklung zur zunftmäßigen städtischen Warenproduktion. Trotzdem die gewerbliche Produktion weiter vom Handwerk über Manufaktur zur großindustriellen kapitalistischen Fabrik vorgeschritten war, blieb auf dem Lande in der bäuerlichen Wirtschaft das Handwerk noch zäh an der Landwirtschaft haften. Als häusliche Nebenproduktion in der vom Ackerbau freien Zeit spielte das Handwerk zum Selbstbedarf in der bäuerlichen Wirtschaft eine hervorragende Rolle.221 Die Entwicklung der kapitalistischen Produktion entreißt der bäuerlichen Wirtschaft immer einen Zweig des Gewerbes nach dem anderen, um sie zur fabrikmäßigen Massenproduktion zu konzentrieren. Die Geschichte der Textilindustrie ist dafür ein typisches Beispiel. Dasselbe vollzieht sich aber, weniger auffällig, mit allen anderen Handwerkszweigen der Landwirtschaft. Um die Bauernmasse zur Abnehmerin seiner Waren zu machen, ist das Kapital bestrebt, die bäuerliche Wirtschaft zunächst auf den einen Zweig zu reduzieren, dessen es sich nicht sofort - und in europäischen Eigentumsverhältnissen überhaupt nicht ohne Schwierigkeit - bemächtigen kann: auf die Landwirtschaft.222 Hier scheint äußerlich alles ganz friedlich abzugehen. Der Prozeß ist unmerklich und gleichsam von rein ökonomischen Faktoren bewirkt. Die technische Überlegenheit der fabrikmäßigen Massenproduktion mit ihrer Spezialisierung, mit ihrer wissenschaftlichen Analyse und Kombination des Produktionsprozesses, mit ihren Bezugsquellen der Rohstoffe vom Weltmarkt und ihren vervollkommneten Werkzeugen steht im Vergleich mit dem primitiven bäuerlichen Gewerbe außer jedem Zweifel. In Wirklichkeit sind bei diesem Prozeß der Trennung der bäuerlichen Landwirtschaft vom Gewerbe Faktoren wie Steuerdruck, Krieg, Verschleuderung und Monopolisierung des nationalen Grund und Bodens wirksam, die gleichermaßen in das Gebiet der Nationalökonomie, der politischen Gewalt und des Strafkodex fallen. Nirgends ist dieser Prozeß so gründlich durchgeführt wie in den Vereinigten Staaten von Amerika.
Eisenbahnen, d.h. europäisches, hauptsächlich englisches Kapital, führten den amerikanischen Farmer Schritt für Schritt über die unermeßlichen Gefilde des Ostens und Westens der Union, wo er die Indianer mit Feuerwaffen, Bluthunden, Schnaps und Syphilis vertilgte und gewaltsam vom Osten nach dem Westen verpflanzte, um sich ihren Grund und Boden als "freies Land" anzueignen, zu roden und unter Kultur zu setzen. Der amerikanische Farmer, der "Hinterwäldler" der guten alten Zeit vor dem Sezessionskrieg, war ein ganz anderer Kerl als der heutige. Er konnte so ziemlich alles, und er kam auf seiner abgeschiedenen Farm beinahe ohne die Außenwelt ganz gut aus. "Der heutige amerikanische Farmer", schrieb zu Beginn der 90er Jahre Senator Peffer, einer von den Leitern der Farmers Alliance, "ist ein ganz anderer Mensch als sein Ahne vor fünfzig oder hundert Jahren. Viele von den heute Lebenden erinnern sich an die Zeit, wo sich die Farmer in bedeutendem Maße mit Gewerbe befaßten, d.h., wo sie selbst einen bedeutenden Teil dessen verfertigten, was sie für ihren eigenen Bedarf brauchten. Jeder Farmer hatte eine Kollektion Werkzeuge, mit deren Hilfe er aus Holz Gerätschaften verfertigte, wie z.B. Heugabel und Harke, Stiele zum Spaten und Pflug, Deichseln für den Wagen und eine Menge anderer Holzgeräte. Ferner produzierte der Farmer Flachs und Hanf, Schafwolle und Baumwolle. Diese Textilstoffe wurden auf der Farm verarbeitet: Sie wurden im Hause versponnen und gewoben, ebenso wurden im Hause Kleider, Wäsche und dergleichen verfertigt, und alles dies wurde von ihm selbst verbraucht. Bei jeder Farm gab es eine kleine Werkstatt für Zimmermann-, Tischler- und Schlosserarbeit, im Hause selbst aber eine Wollkratze und einen Webstuhl; es wurden Teppiche, Decken und anderes Bettzeug gewoben; auf jeder Farm wurden Gänse gehalten, mit deren Daunen und Federn man die Kissen und Federbetten füllte; der Überfluß wurde auf dem Markt der nächsten Stadt verkauft. Im Winter wurden Weizen, Mehl, Mais in großen mit 6 oder 8 Pferden bespannten Wagen zum Markt gefahren, hundert oder zweihundert Meilen weit, dort kaufte man für das nächste Jahr Kolonialwaren, gewisse Stoffe und dergleichen ein. Man konnte auch unter den Farmern verschiedene Handwerker finden. Ein Wagen wurde auf der Farm während der Dauer von einem oder zwei Jahren hergestellt. Das Material dazu fand man in der Nähe: die Art des zu benutzenden Bauholzes wurde im Vertrag mit dem Nachbar genau festgesetzt; es mußte in einer bestimmten Zeit geliefert und dann eine bestimmte Zeit lang getrocknet werden, so daß, wenn der Wagen fertig war, beide Parteien des Vertrages wußten, woher jedes Holzstück kam und wie lange es getrocknet wurde. In der Winterszeit verfertigte der Zimmermann aus der Nachbarschaft Fensterkreuze, Decken, Türen, Simse und Gebälke für die nächste Saison. Waren die Herbstfröste gekommen. dann saß der Schuhmacher in der Wohnung des Farmers im Winkel und verfertigte für die Familie Schuhe. Alles dies wurde zu Hause gemacht, und ein großer Teil der Ausgaben wurde mit Produkten der Farm bezahlt. Wenn der Winter kam, war es Zeit, sich mit Fleisch zu versehen; dieses wurde zubereitet und geräuchert aufbewahrt. Der Obstgarten lieferte Obst zum Most, zum Apfelmus und zu allerlei Konserven, vollauf genügend für den Bedarf der Familie während des Jahres und darüber hinaus. Der Weizen wurde allmählich nach Bedarf gedroschen, gerade soviel, wie man Bargeld brauchte. Alles wurde aufbewahrt und verbraucht. Eine der Folgen derartiger Wirtschaftsweise war, daß man verhältnismäßig wenig Geld brauchte, um das Geschäft zu führen. Im Durchschnitt dürften hundert Dollar für die größte Farm genügt haben, um Knechte zu dingen, Ackergeräte zu reparieren und andere zufällige Ausgaben zu decken.223
Dieses Idyll sollte nach dem Sezessionskriege ein jähes Ende finden. Die enorme Staatsschuld von 6 Milliarden Dollar, die er der Union aufgebürdet hatte, zog eine starke Erhöhung der Steuerlasten nach sich. Namentlich beginnt aber seit dem Kriege eine fieberhafte Entwicklung des modernen Verkehrswesens, der Industrie, besonders der Maschinenindustrie, unter Beihilfe des steigenden Schutzzolls. Zur Ermunterung des Eisenbahnbaus und der Besiedelung des Landes mit Farmern wurden den Eisenbahngesellschaften großartige Schenkungen aus nationalen Ländereien gemacht. 1867 allein haben sie über 74 Millionen Hektar Landes bekommen. Das Eisenbahnnetz wuchs denn auch in