Gesammelte Werke: Science-Fiction-Romane + Abenteuerromane + Erzählungen. Dominik Hans. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dominik Hans
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788075831552
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Glossin sah sie fallen und rührte sich nicht von seinem Platze. Jeden Augenblick erwartete er die Gestalt Silvesters, die des Inders auftauchen zu sehen. Vielleicht den Gefährlichsten der drei, Erik Truwor.

      Minuten verstrichen. Nichts regte sich. Da begann er langsam die Wahrheit zu ahnen, zu vermuten und schließlich zu erkennen. Jane war aus eigenem Antrieb von Düsseldorf fortgegangen. Sie war an den Ort gegangen, den sie als das Heim der drei kannte, und sie war niedergebrochen, als sie es verwüstet und zerstört wiedersah. Niemand erwartete sie hier. Hilflos lag sie hier im Walde, seinem Verlangen schutzlos preisgegeben.

      Er trat aus dem Walde und näherte sich dem Trümmerhaufen. Eine ungeheure Glut mußte hier gewirkt haben. Die Granitblöcke, aus denen die Zyklopenmauern des Truworhauses bestanden hatten, waren zu einer zusammenhängenden glasartigen Masse verschmolzen. Kein einfaches Feuer wäre imstande gewesen, das Urgestein zu schmelzen. Hier mußte die telenergetische Konzentration gewütet haben. Unzählige Tausende von Kilowatt mußten in diesem Gestein zur Entladung gekommen sein.

      Dr. Glossin näherte sich Jane. Er wollte sie aufheben, den Berg hinunterbringen, als sein Blick auf den Telephonapparat fiel. Es reizte ihn, die Apparatur zu versuchen. Mit einem Griff schaltete er die Elektronenlampen ein.

      Und er vernahm Worte einer wohlbekannten Stimme, Silvesters Stimme.

      Es war in der vierten Nachmittagsstunde. Silvester hatte die Antennen am Pol gespannt und suchte Jane. Er suchte sie auf dem Bilde der Mattscheibe und konnte sie nicht finden. Während er mit dem Strahler die Straßen Düsseldorfs absuchte, sprach er Worte der Verzweiflung und der Liebe. Worte, die für Jane bestimmt waren und von Glossin gehört wurden.

      »Jane, mein Lieb, wo bist du? Ich kann dich nicht sehen. Dein Zimmer ist leer … Ich suche dich … Alle Straßen, alle Plätze der Stadt ziehen auf dem Bilde vor mir vorüber. Nur du bist nicht da …

      Ich weiß nicht, wo du bist. Vielleicht hörst du meine Stimme. Ich will dich suchen, bis ich dich gefunden habe. Die ganze Welt will ich durchsuchen …«

      Glossin erschrak. Wie weit war die entsetzliche Erfindung gediehen! Sie konnten die ganze Welt im Bilde bei sich betrachten. Silvester suchte in Düsseldorf. Er brauchte nur in Linnais zu suchen, und er sah seinen alten Feind und hatte die Macht – Glossin zweifelte keinen Augenblick daran – ihn zu Staub und Asche zu verbrennen. Er schleuderte das Telephon von sich, als ob er glühendes Eisen gegriffen hätte.

      Weg von hier. So schnell wie möglich weg von diesem Platze, der in der nächsten Sekunde von den dreien gesehen werden konnte.

      Er stürzte sich auf Jane. Die hypnotische Verriegelung war gebrochen. Jane war seinem Einfluß wieder preisgegeben. Er ließ seine stärksten Künste spielen. Er strich ihr mit den Händen über Stirn und Schläfen. Mit äußerster Gewalt zwang er sie in seinen Bann. Mit seiner Hilfe und auf seinen Befehl erhob sie sich. Auf seinen Befehl hatte sie alles vergessen, was geschehen war …

      In scharfem Trab brachte das Karriol sie nach Linnais. Das Gefährt war nur für einen Passagier bestimmt. Er mußte sie während der Fahrt eng an sich ziehen. Hier vollendete er die hypnotische Beeinflussung …

      Als Jane in Linnais aus dem Wagen stieg, war sie eine ruhige junge Dame, die mit ihrem Oheim reiste. Wie weggewischt war die Erinnerung an Silvester, an das Truworhaus, an alles Böse, was Glossin ihr jemals zugefügt hatte.

      Während die Bahn sie nach Haparanda brachte, während sie im Flugschiff nach Stockholm flogen, faßte Glossin seine letzten Entschlüsse.

      Die Erfindung, die gefährliche Erfindung, welche die Macht über die Welt in die Hand eines einzigen Menschen legte, war vollendet. Nach den Worten, die er im Telephon gehört hatte, war kein Zweifel mehr daran erlaubt.

      Cyrus Stonard kam mit seinem Entschluß zum Kriege zu spät. Die drei lebten nicht nur, sie besaßen auch die Macht, das Vabanquespiel des Diktators zu durchkreuzen.

      Es war Zeit, sich von Cyrus Stonard zu trennen, zu den Engländern überzugehen. Dazu war es notwendig, nach London zu gehen. Aber England war im Kriege. Aller Luftverkehr war eingestellt. Die Linie Stockholm–London lag still. Nur der Hornissenschwarm von hunderttausend Kriegsflugschiffen schwärmte um die englische Küste, bereit, jedes Fahrzeug, das sich England auf dem Luftwege nähern sollte, zu vernichten.

      Wer nach England wollte, mußte den Bahntunnel zwischen Calais und Dover benutzen. Die alte Linie Stockholm–London war seit einigen Tagen auf Stockholm–Calais umgelegt worden.

      Das Schiff brachte Glossin und Jane in wenigen Stunden nach Calais. Seine Räder setzten bei der Landung auf ein Gleis auf, neben dem der Zug nach London stand. Nur ein Drahtgitter trennte den Flugsteig vom Bahnsteig. Aber es war nicht ganz einfach, das Gitter zu durchschreiten. Jenseit desselben, wo der Zug stand, begann praktisch bereits England. England, das sich in einem schweren Kriege befand. Die Paßkontrolle war scharf. Es drängten sich viele zu den Türen, aber mehr als einer wurde zurückgewiesen.

      Dr. Glossin hatte Zeit. Er stand, Jane leicht untergefaßt, ruhig auf dem Bahnsteig und betrachtete die Umgebung.

      Die See war von hier aus nicht zu erblicken. Sie lag drei Kilometer entfernt. Außerdem versperrten die gewaltigen Hochbassins den Blick in dieser Richtung. Jene Bassins, die stets mit Seewasser gefüllt waren, die sich in gleicher Ausführung auch auf der englischen Seite des Kanals befanden und deren Aufgabe es war, den Tunnel in wenigen Minuten vollaufen zu lassen. Für den Fall nämlich, daß etwa zwischen England und Frankreich kriegerische Verwicklungen entstanden, daß Truppen von der einen oder anderen Seite her durch den Tunnel in das Land des Gegners zu marschieren versuchten. Dr. Glossin betrachtete die Anlagen überlegen lächelnd. Sie waren veraltet. Man führte den Krieg heute auf andere Weise.

      Er dachte an die Pestbomben, an die falschen Banknoten. Die Zeit verstrich darüber. Jetzt war es freier an den Toren des Zaunes geworden. Er zog seine Brieftasche heraus und suchte unter allerlei Papieren. Mit einem Kartenblatt in der Hand, Jane am Arm, schritt er durch die Sperre. Die englischen Beamten warfen nur einen kurzen Blick auf das Papier und gaben ihm in achtungsvoller Haltung den Weg frei. Sie kannten die Unterschrift des Premierministers Lord Gashford.

      Fünf Minuten später glitt der Zug aus dem Bahnhof, tauchte in das Dunkel des Tunnels, durchrollte die dreißig Kilometer unter dem Meer in ebenso vielen Minuten und eilte dann durch die Fluren von Canterbury auf London zu.

      In einem großen Hotel in London nahm ein älterer Herr in Gesellschaft einer jungen Dame Wohnung. Als Dr. Glossin aus Aberdeen mit Nichte. Die Ausweise über seine eigene Person, die er dem revidierenden Beamten vorlegte, waren so vorzüglich, daß man der Behauptung, seine Nichte habe ihre Papiere verloren, ohne weiteres Glauben schenkte.

      Durch die Straßen Londons schwirrten dunkle Gerüchte. Schlechte Nachrichten. In Afrika sollten die neuen englischen Industriestädte in der Gegend des Kilimandscharo von einem übermächtigen amerikanischen Geschwader vernichtet worden sein. Ein Vorstoß auf die Straße von Bab el Mandeb sollte den englischen U-Panzern schwere Verluste durch Lufttorpedos gebracht haben. Andere Gerüchte erzählten von englischen Niederlagen in der Australischen See und auf der Reede von Kapstadt.

      Im Gebäude des Kriegsministeriums hatten sich die Mitglieder der englischen Regierung zu einer Besprechung der Lage versammelt. Dort lagen die authentischen Depeschen von den verschiedenen Kriegsschauplätzen vor und waren geeignet, dem Kabinett sorgenvolle Stunden zu bereiten.

      Es hatte wirklich ein schwerer Angriff amerikanischer Luftstreitkräfte auf die junge angloafrikanische Kriegsindustrie stattgefunden. Flugschiffe in enormer Zahl waren plötzlich von der Ostküste her vorgestoßen, hatten die verhältnismäßig schwachen englischen Abwehrlinien durchbrochen und ihre Lufttorpedos auf die Industriewerke gesetzt. Derartige Angriffe waren schließlich möglich. Aber unerklärlich blieb es, wo die enormen Munitionsmengen herkamen. Dem Kabinett lagen die Depeschen verschiedener englischer Flugschifführer vor. Depeschen, die diese, pflichtgetreu bis zum Tode, zum Teil noch abgesandt hatten, während ihre Schiffe bereits brennend in die Tiefe stürzten.

      Sir Vincent Rushbrook hielt die letzten Depeschen von A. V. 317 in der Hand und las: »43 Grad