»Herr Generaldirektor, ich bitte Sie, verzeihen Sie mir. Die Ereignisse der letzten Tage… Sie werden begreifen, daß die Situation für mich über die Maßen peinlich… niederschmetternd für mich war. Dazu jetzt Ihr Vorwürfe… Ich ließ mich hinreißen… verzeihen Sie, was geschehen. Ich selbst begreife, entschuldige, verstehe alles.«
Er ergriff die Hand Harders, die er ihm willenlos ließ.
»Geh, Mette, laß mich allein«, stoßweise kamen die Worte aus seinem Munde, »geh mit Iversen zum Strand, ich… ich komme dann nach… komme später.«
Vom Pic d’Ory fällt der Pyrenäenstock schroff nach Norden hin ab. Jäh stürzen die Wildwasser hier in die Tiefe und liefern die Kraft für die Werke von Rallain und für die Eisengrube von Sainte Marie aux Chaines. Etwas oberhalb der Gruben ein altes verfallenes Schlößchen im Zopfstil des Rokoko. ›Mon Repos‹ ließ sich noch mit Mühe aus den verblichenen und verwitterten Bronzelettern an der Fassade entziffern, die früher einmal im Schmucke reicher Vergoldung geglänzt hatten. Jahrzehnte hindurch hatte der Bau unbewohnt gestanden, bis Eisenecker ihn für ein Billiges erwarb. Ihm war diese weltabgeschiedene Lage gerade recht. Hier konnte er ungestört am Ausbau seiner Erfindung arbeiten. Die Unsicherheit in diesem Grenzgebiete schreckte ihn nicht. Die Lage, so dicht an der maurischen Grenze, war ihm im Gegenteil gerade recht.
In dem in den Felsen eingehauenen Untergeschoß war eine kleine Werkstatt eingerichtet. An einer Werkbank Eisenecker, den Blick auf den Drehstahl gerichtet.
Die Wendeltreppe, die von oben herunterführte, kam der Diener hinab, den ihm Gonzales beigegeben hatte. Ein alter, schnauzbärtiger Sergeant der früheren spanischen Armee. Das grimme, von Narben durchsetzte Gesicht zu einer freudigen Grimasse verzogen.
»Er ist gekommen, Senor!«
»Schon da?« Eisenecker warf einen Hebel herum und folgte dem Alten nach oben.
»Ah, guten Abend, Don Antonio! Der Weg über die Berge? Gut verlaufen?«
Der Oberst deutete lächelnd auf seinen Hut, der an einem Haken hing.
»Das Loch darin! Sonst weiter nichts.«
Gonzales warf sich in einen Stuhl und trank in langen Zügen einen Becher Alicantewein.
»Sie waren scharf hinter mir her. Ich mußte mich beeilen. Nun, einerlei! Der Zweck meiner Reise… ich brauchte nicht weit zu gehen, um sie zusammen zu haben… die hundert Getreuen, die wir brauchen. Wollte auch nicht in die Ebene steigen. Die aus den Bergen sind härter, gewandter im Gebirgskampf.
Die meisten davon schon bei den letzten Guerillas dabei! Sie alle harren, warten mit Ungeduld auf den Ruf. Keiner weiß natürlich etwas von den neuen Waffen. Es ist ihnen genug, daß sie wieder einmal einen Anführer haben, der sie gegen den Feind führt.
Ich selbst… verzeihen Sie meine Ungeduld!
Der Tag! Ich kann es nicht erwarten, bis der Tag kommt, an dem der letzte Blitz zuckt.«
Eisenecker lächelte.
»Ich verstehe Sie vollkommen, lieber Freund. Der Tag… Ihr Tag… er ist nicht mehr fern.
Ich sehe schon das Morgenrot. Ihre Leute mögen sich rüsten!«
Der Oberst wollte sprechen. Da zuckte das elektrische Licht ein paarmal auf und erlosch. Sie saßen im Dunkeln.
»Was ist das, Don Frederego?«
»Voraussichtlich eine Störung im Kraftwerk. Ich werde meine Notbeleuchtung ein…«
Ehe Eisenecker den Satz vollendet, drang das dumpfe Grollen einer Explosion in den Raum.
»Was ist das, Don Frederego?«
Eisenecker hatte sich zum Schreibtisch getastet und einen Schalter bewegt. Eine Stehlampe flammte auf und erleuchtete den Raum. Sie lauschten.
Als ein reißender Bergstrom kommt der Oberlauf des Oleron vom Pic d’Ory brausend hinab, bis ihn 500 Meter über Rallein die großen eisernen Druckrohre des Kraftwerkes aufnehmen und die Wasser gebändigt hinab zu den Turbinen des Kraftwerkes führen. Während Eisenecker mit Gonzales im Gespräch saß, stand dort oben an den wirbelnden Wassern ein Mensch. Unmöglich, in der Dunkelheit sein Gesicht zu erkennen. Nur undeutlich leuchteten im Sternenlicht die weißschäumenden Wirbel, die das Wildwasser hier zum letzten Male aufwarfen, bevor es in die Rohre einströmte. Der Fremde hier bewegte den Arm, warf etwas, das klatschend auf das Wasser fiel, im nächsten Moment von den Wellen ergriffen und in das erste Rohr hineingerissen wurde. Er stand und lauschte. Eine Minute… noch eine… die dritte Minute.
Aus der Tiefe des Tales drang der Donner einer Explosion nach oben. Die erste Bombe hatte ihr Ziel erreicht. Vom Wasser mitgerissen, war sie mit elementarer Gewalt gegen die Schaufeln der ersten Turbine geschleudert worden, und die Aufschlagzündung hatte gewirkt.
Noch einmal ein Wurf und dann ein dritter. Auch die beiden anderen Rohre hatten die todbringende Sendung verschluckt und führten sie mit der Schnelligkeit des stürzenden Wassers den Maschinen des Kraftwerkes zu.
Der Fremde wartete den Erfolg nicht ab. Eilig schritt er einen schmalen Pfad bergauf. Trotz der Dunkelheit verfolgte er den halsbrecherischen Steg mit einer wunderbaren Sicherheit zur maurischen Grenze hin und war schon tief in den Bergen, als das Dröhnen der nächsten Explosion sein Ohr erreichte. Die Werke von Rallain wurden gemordet. Gemordet auch die sechstausend Mann der Belegschaft in St. Marie…?
Eisenecker stand neben der brennenden Lampe. Noch einmal ein fernes Donnern.
»Was ist das, Don Frederego?«
Eisenecker preßte die Lippen zusammen. Lauschte, bis das Grollen einer dritten Explosion an sein Ohr drang.
»Santa Maria, was ist das, Don Frederego?«
»Ich glaube, Don Antonio, das waren drei Explosionen, durch welche die drei Maschinensätze des Kraftwerkes von Rallain zerstört wurden.«
»Zerstört? Ein Unglücksfall? Ein Verbrechen?«
»Sie vergessen, Don Antonio, daß wir hier nah an der maurischen Grenze sitzen.«
»Ah! Was ist das? Sie meinen also, daß maurische Hand…?«
»Ich nehme es an.«
»Wozu? Warum?«
Eisenecker hatte sich abgewandt. Die Frage brachte ihn selbst zur Tat.
»Ste. Marie aux Chaines!« Gonzales schrie es. »Die Werke vernichtet! Die Belegschaft?! Dreitausend die Schicht! Sie ist verloren. Undenkbar eine solche Schandtat! Don Frederego!«
Er war auf Eisenecker losgestürzt.
»Sie?… Was…«
»Ich werde versuchen…«
Drei schwere Explosionen im Kraftwerk von Rallain. Die drei großen Turbinen zerschmettert. Zerbrochen die eisernen Käfige, die das Wildwasser zwangen. Mit Gewalt brach das befreite Element sich Bahn. Schäumend und wirbelnd überschwemmte es im Augenblick alle Räume des Kraftwerkes.
Schon schrillte von den Eisengruben her das Telefon.
»Wo bleibt der Strom? Strom her!… Kraft her!« Der Ingenieur schrie es mehr, als er sprach.
»Unmöglich!… drei Explosionen… alle Maschinensätze zerbrochen.«
»Strom her! In Gottes Namen Strom her… unsere Maschinen stehen. Die ganze Belegschaft ist verloren.«
»Unmöglich… wir können nicht. Gott helfe euch…«
Der Hörer wollte dem zitternden Zecheningenieur aus der Hand sinken… da…
»Der Strom kommt!«
Es war eine andere… eine ganz fremde Stimme, die dem Ingenieur in Sainte Marie aux Chaines aus dem Apparat ans Ohr drang.
»Wer spricht dort? Wer ist da in der Leitung?«
»Ich