Gesammelte Werke: Science-Fiction-Romane + Abenteuerromane + Erzählungen. Dominik Hans. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dominik Hans
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788075831552
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leere, glanzlose Augen, die wesenlos über sie hinwegblickten. Wohl eine Minute stand sie, dann begannen die Lippen des Greises sich zu bewegen. Baskische Worte. Der Jüngere daneben übertrug sie in das Französische.

      »Ein Großer… ein Mächtiger… dunkel sein Gesicht. Er begehrt dich. Du fliehst ihn. Er läßt dich nicht. Hüte dich, wenn dein Weg sich wieder mit dem seinen kreuzt.

      Gefahren werden dich umgeben. Dann wird er kommen, der dich aus den Flammen löst. Ihm wirst du folgen…«

      Der Alte schwieg. Vergebens wartete Modeste von Karsküll, vergebens warteten die anderen auf ein weiteres Wort.

      Harder lachte leise in seinen Bart.

      »Jungen Mädchen die Myrthe zu versprechen… dazu bedarf es keiner besonderen Sehergabe. Bitte, Mette, laß dir die Gelegenheit nicht entgehen. Laß dir auch den Myrthenkranz versprechen.«

      Mette Harder trat vor den Alten hin, sah und blickte auch in dieses tote Auge.

      Die Antwort kam schnell und war kurz.

      »…eine blühende Myrthe…«

      »Bravo! Gut gemacht, alter Schäfer!« Harder lachte es heraus.

      Mette hängte sich an den Vater, eine helle Röte auf ihren Wangen.

      »Nun, du, Vater! Jetzt mußt du! Du bist der nächste.«

      Mit leichtem Zwange schob Mette ihren Vater vor den Alten hin. Einmal in diese Stellung gedrängt, versuchte Harder, dem Schäfer in die Augen zu sehen, jetzt eben noch glanzlos leer, jetzt wieder ein kurzes Blitzen darin.

      »Ich sehe ein Feuer. Ein großes Feuer auf dem Meer. Es brennt… es kocht… es verschwindet…«

      Langsam Wort für Wort wiederholte der Jüngere französisch, was der Alte in baskischen Lauten sprach. Harder war erblaßt.

      »Weiter! Weiter… Continuez!« Er stieß es hervor. Der Alte sprach langsam weiter, der Jüngere verdolmetschte.

      »Ein anderes Feuer, ein großes Feuer im Süden.«

      Vergebens wartete Harder auf mehr. Der Alte war zu Ende.

      Als letzter blieb Iversen. Der trat jetzt vor, tat wie die anderen, blickte den Alten an. Aber der hatte die Augen geschlossen. Sah Iversen nicht mehr, sprach wie im Traume weiter.

      »Ich sehe… ich sehe Krieger von den Bergen steigen… ich sehe Flucht… Flucht nach Süden… sie fliehen… sie fliehen über das Meer…«

      Er wollte noch weitersprechen. Da, ein furchtbarer Krach, dem langrollender Donner folgte. Alle waren zusammengefahren.

      Was war das? Kein Wölkchen am Horizont. Stahlblau der Himmel. Ein Gewitter? Eine atmosphärische Entladung oder eine Explosion?… Eine Sprengung?

      Eisenecker und Gonzales schritten der Grenze zu.

      »Hoffentlich ist die Luft rein, Don Antonio. Ich fürchte… Ihre häufigen Besuche bei mir… einmal werden Sie den Grenzwächtern doch in die Hände fallen.«

      »Keine Angst! Ein Hirt zeigte mir einen neuen Pfad. Zwar etwas halsbrecherisch, aber unbedingt sicher. Doch wie wäre es jetzt?«

      Er sah sich um.

      »Wir sind weit genug von ›Mon Repos‹ und bewohnter Gegend entfernt. Die Probe, die Sie mir versprachen!«

      »Ich bin bereit! Ein Ziel!«

      Er schaute sich um. »Wo wäre eins?«

      Der Oberst suchte mit einem Feldstecher die Gebirgshänge ab.

      »Da! Dort! Die Felswand! Sie liegt in vollem Sonnenlicht. Eine Bergziege weidet daran… Dort… zu weit! Unmöglich, ein Geschoß zielsicher dort hinzutragen.«

      Eisenecker nahm den Feldstecher, sah nach der Wand. Ließ das Glas sinken.

      »Zu weit! Können Sie immer noch nicht verstehen, Don Antonio, daß dieses Wort für meine Waffe nicht gilt? Nehmen Sie das Glas, sehen sie dorthin.«

      Er selbst nahm ein Militärgewehr von der Schulter, lud es mit einer Patrone, die sich äußerlich in nichts von der üblichen Munition unterschied.

      »Jetzt passen Sie auf!«

      Er legte an.

      »Nun, was wollen Sie tun?«

      Gonzales trat neben ihn. »Die Ziege für das bloße Auge unerkennbar! Selbst im Glas nur ein winziger Punkt.«

      »Winzig? Eine Fläche von hundertsechzigtausend Quadratmeter? Die ungefähre Mitte davon! Es genügt.«

      Er legte das Gewehr an, zielte lange, schoß. Der kurze blecherne Ton des Mündungsknalles. Sekunden verstrichen… Da blitzte es dort drüben an der Felswand auf. Sekundenlang stand sie in bläulichem Feuer.

      »Die Ziege! Sie stürzt!« Gonzales schrie es, das Glas an die Augen gepreßt. »Schon unten am Hang! Da! Sie prallt auf! Stürzt in den Abgrund.«

      Er wollte sich zu Eisenecker wenden, als ein krachender Donner ihn zusammenfahren ließ. Es war derselbe Donner, der die Besucher vor der Hütte des Schäfers Arriava so jäh erschreckte.

      »Da drüben an der Felswand!« Iversen deutete zu dem Berghang im Süden. »Da drüben war’s! Ich sah plötzlich einen bläulichen Schimmer darübergebreitet. Zuckte wie Blitze… nach allen Seiten!«

      Harder wandte sich an den jungen Hirten.

      »Ist dort eine Grube?… Ein Steinbruch? Wird dort gesprengt?«

      Der schüttelte verständnislos den Kopf.

      »Nichts! Da drüben ist unzugängliches Gebirge, wo keines Menschen Fuß hinkommt.«

      Harder schüttelte den Kopf.

      »Sonderbar das alles!« Dann, als wolle er sich von allem Grübeln freimachen:

      »Kommt! Wir wollen weiter. Noch ein ganzes Stück zur Kapelle von St. Jean.«

      Sie mußten den schmalen Weg wieder ein Stück hinabsteigen, um einen breiteren Seitenweg zu erreichen, der zur Kapelle St. Jean le Miracle führte. Dort konnten sie nebeneinander gehen, und Iversen nahm die Unterhaltung wieder auf.

      »Wie hat Ihnen der Wundermann gefallen, Herr Harder?«

      Harder fuhr sich ein paarmal über die Stirn, bevor er die Antwort fand.

      »Was weiß der alte Mann von der Insel Warnum?… Was kann er von Warnum wissen?… Nur Warnum kann er meinen… wenn seine Worte überhaupt einen Sinn haben.«

      Iversen zuckte die Achseln.

      »Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, Herr Harder, von denen…«

      »Keine abgegriffenen Zitate, Herr von Iversen! Geben Sie mir eine Erklärung für das, was wir eben hörten.«

      »Wenn man es erklären könnte, Herr Harder, wäre es nicht mehr so wunderbar.«

      »Es muß sich erklären lassen, Iversen. Versuchen Sie es, eine Erklärung zu geben.«

      »Unmöglich, Herr Harder. Wenn ich es versuche… es werden doch immer wieder Worte… Umschreibungen… das zweite Gesicht… es findet sich öfter in der baskischen Bevölkerung. Man sagt, sie sehen weit über Raum und Zeit hinweg, sehen entfernte und zukünftige Dinge in voller Klarheit. Aber erklären… erklären, Herr Harder, kann man diese wunderbare Gabe nicht.«

      Mit Gewalt mußte Harder den Eindruck abschütteln, den die Worte des Alten auf ihn gemacht hatten.

      »Unerklärlich… jedenfalls unkontrollierbar. Also warten wir ab, ob die Zukunft den Worten des Mannes recht gibt. Hoffentlich verläuft der zweite Teil unseres Programms in angenehmerer Form.«

      Iversen war ein paar Schritte zurückgeblieben, ging jetzt neben Modeste von Karsküll. Sah, daß auch sie blaß und erregt war.

      »Gnädige Baronin, waren