Oh, das Fräulein ist wohlauf, antwortete Hans von der Buche, froh über seine Erkundigung, und hilft der Frau Gießmeisterin wacker in der Wirtschaft und bei der Pflege der Kranken – da am liebsten. Ich fürchte nur, es wird dem zarten Körper zuviel. Unermüdlich ist sie im Wohltun, und überall segnet man ihre hilfreiche Hand.
Der Statthalter ließ einen forschenden Blick über ihn hingleiten. Seht Ihr Waltrudis oft? fragte er.
Der Junker sah zur Erde. Täglich von weitem, wenn sie nach dem Spital geht. Frau Ambrosius leidet nur selten Besuch in ihrem Hause, und wenn ich in Eures edlen Vetters Auftrag mit dem Manne zu sprechen habe, ist sie meist oben in ihrem Turmstübchen. Aber manchmal schenkt sie mir doch ein paar Worte und fragt dann jedesmal nach Euch, gnädiger Herr, immer in großer Sorge.
Ein freundliches Lächeln glitt über das ernste Gesicht des Ritters. Ich will sie heute noch sehen, sagte er nach einigem Bedenken. Ihr sollt mich zu ihr führen, wenn es die Zeit erlaubt. Dann wandte er das Gesicht und murmelte in den Bart: Wahrlich, ich bedarf des stärkenden Zuspruchs einer reinen und treuen Seele.
Die wenigsten von denen, die den Statthalter vorübergehen sahen, schienen ihn zu kennen; nur selten grüßte einer von den Männern ehrerbietig. Als sie aber an einer Herdstelle vorüberkamen, um die sich die Soldknechte, Troßbuben und allerhand Leute mit verwetterten Gesichtern gelagert hatten, richtete sich ein Armbrustschütze auf, betrachtete den Mann im weißen Mantel aufmerksam und folgt ihm dann in einiger Entfernung.
Es war derselbe Mensch, dem wir schon begegnet sind, als Waltrudis mit den Pferden auf Hans von der Buche wartete. Er hatte sich seitdem viel in der Nähe der Wohnung des Gießmeisters umgetrieben und auf das Fräulein achtgehabt. Einmal hatte er sich auch ins Haus gewagt und mit Frau Ambrosius ein Gespräch über ihren offenbar vornehmen Besuch angeknüpft, war aber bald abgetrumpft worden. Ein andermal machte er sich an den Junker und bot ihm seine Dienste an. Er nannte sich Liszek und behauptete, bei verschiedenen großen Herren in Polen und im Ordenslande gedient zu haben. Hans traute seinem spitzbübischen Gesichte nicht und wies ihn ab.
Der Statthalter suchte zunächst seinen Vetter auf und hielt mit ihm eine lange Verabredung für die Nacht. Auch sagte er ihm, was wegen der Verhandlung mit dem Könige im Werke sei, damit es ihn später nicht überrasche. Denn er hielt seinen Verwandten in hohen Ehren und wollte von ihm nicht verkannt sein. Es ist nicht anders, bestätigte ihm der wackere Kriegsmann seufzend, der Orden muß um Frieden bitten und für jetzt in allen Streitpunkten nachgeben. Sorgt nur, daß der König nicht zu übermütig fordere.
Unsere Nachgiebigkeit hat ihr Maß, versicherte der Statthalter.
Hans von der Buche erwartete ihn draußen und führte ihn zu der Wohnung des Gießmeisters. Wieder folgte der Strolch von weitem, ohne sie aus den Augen zu lassen.
Die gehören also zusammen, sprach er vor sich hin, als er den Statthalter eintreten sah; das muß man sich für alle Fälle merken. Dachte ich doch gleich, daß da einer sein Dämchen in Sicherheit gebracht habe. Der also –!
Er lauerte noch eine Weile. Da die Männer nicht zurückkamen, schlich er hinter eine Mauerecke, wo er nicht leicht gesehen werden konnte, schrieb auf einen schmalen Streifen Papier in polnischer Sprache die Worte: »Der Statthalter ist in der Vorburg – zielt auf den dritten Turm« und wickelte ihn um einen Armbrustbolzen. Er ging dann eine Strecke weiter, die hölzerne Stiege hinauf, die zum Mauergange führte, und mischte sich unter die Wachen. Laßt mich auch einmal einen Schuß tun, bat er. Ich sehe, daß die Burschen sich heute nahe genug heranwagen; das ist unverschämt. Gleich darauf legte er die Armbrust an und rief polnisch hinab: Du da – gib acht, es kommt etwas! Die Sehne schwirrte, und der Bolzen nahm einem von den Polen, die sich hinter dem Schirmdach vorgewagt hatten, den Hut fort. Er fluchte laut und lief ihm nach. Als er ihn aufhob, bemerkte er den Zettel, verdeckte ihn mit dem Hut und nahm ihn für den Hauptmann mit. Verdammt, rief Liszek, das war handbreit zu hoch gehalten: aber der Hut hat sicher ein Loch, und sie sind gewarnt! Die Wachen vermuteten nichts Arges.
Es dunkelte bald vollständig. Jenseits des Grabens bemerkte man aber doch eine Ansammlung von Massen und machte dem Reuß von Plauen davon Anzeige. Sogleich besetzte derselbe die Mauern an der bedrohten Stelle. Teertonnen wurden zur Beleuchtung angezündet und hinabgeworfen. Nun zeigte sich's, daß drüben Kriegsvolk in dichten Haufen stand, Sturmleitern bereit gehalten wurden und viele von den Leuten in den vorderen Reihen gefüllte Säcke neben sich stehen hatten. Sobald die Angreifer merkten, daß man sie erwartete, erhoben sie ein wildes Kriegsgeschrei und stürmten vor. Sie wurden aber mit einem Hagel von Pfeilen empfangen. Auch einige Feuerstöcke, die Ambrosius auf die flankierenden Türme postiert hatte, taten ihre Schuldigkeit. Die Polen erwiderten nun das Schießen, verursachten aber wenig Schaden, da die Pfeile und Bolzen über die Mauerkante hinwegflogen oder gegen die festen Steine anprallten. Endlich gingen sie unter dem Schutz von hölzernen Schirmdächern vor und warfen die Säcke ab, aber so ohne feste Ordnung, daß kein Damm zustande kam und die Vordersten im Wasser versanken.
Sie mußten nun wieder zurück, trugen aber bald neues Material an Erdsäcken, Faschinen, Stangen und Leitern herbei und versuchten den Übergang zu erzwingen. So viele auch von den Geschossen getroffen zu Boden sanken, immer neue Rotten traten in die Lücken ein, und wenn das Pulver aus den Feuerstöcken aufblitzte, sah man drüben in einiger Entfernung noch breite Streithaufen in Reserve aufgestellt.
Mit besonderer Gewalt richtete sich der Angriff des Feindes gegen den dritten Turm. Auf ihn waren auch zwei Eisenrohre gerichtet, die man an den Graben geschleppt hatte. Die Kugeln bohrten sich ins Mauerwerk, konnten dasselbe aber nicht durchdringen. Oben auf der Plattform, über Waltrudis' Stübchen, befehligte Hans von der Buche.
An diesen Turm schloß sich das Metzhaus an. Der Statthalter saß nach in des Gießmeisters Wohnstube, als der Lärm draußen losbrach. Frau Ambrosius hatte ihm zu Ehren eine Wachskerze angezündet und auf einen zinnernen Leuchter gespießt. Auch war ihm der Lehnstuhl eingeräumt, und Waltrudis hatte vor ihm auf einem niedrigen Bänkchen Platz genommen. Wenn sie zu ihm aufschaute, war das Gesicht von der Wachskerze voll erleuchtet, und er schien seine Freude daran zu haben, denn er nickte ihr öfters zu, legte wohl auch seine Hände auf das goldblonde, wellige Haar, drückte die Stirn ein wenig zurück und sagte: Wie sie ihrer verstorbenen Mutter gleicht! Sie mußte ihm erzählen, wie die Reise von Schwetz hierher vonstatten gegangen war, und unterließ nicht, ihrem Beschützer wegen seiner Umsicht und Sorgfalt Lob zu spenden. Dann bat sie um wollene Decken und linnene Tücher für ihre Kranken aus den Vorräten des Haupthauses, und er erlaubte ihr, danach zu schicken. Eine Stunde war rasch vergangen.
Nun nahm er eiligen Abschied, empfahl der Gießmeisterin sein Pflegekind, versprach, nicht wieder solange auszubleiben, und trat auf den Hof hinaus, wo sein Vetter die Marienburger Bürger sammelte, um nach einiger Zeit die Söldner auf den Mauern abzulösen. Das war eine rechte Seelenstärkung, sprach er vor sich hin; daß ich sie mir nicht längst gegönnt habe! Diese Stunde Müßiggang macht die Arbeit doppelt wirksam. In dieses klare Auge mußte ich schauen, um wieder rechtes Gottvertrauen zu gewinnen und den Mut zum Schwersten. Gott, Herrgott, verlaß deinen Knecht nicht!
Reuß von Plauen kam ihm mit den Worten entgegen: Es ist kein Zweifel mehr, sie haben es in dieser Nacht ernstlich auf die Vorburg abgesehen. Es wird einen heißen Kampf geben.
Und wir müssen Sieger bleiben, antwortete der Statthalter – müssen! Er stieg die äußere Treppe zum Turmdach hinauf. Der Vogt warnte ihn, sich in seinem weißen Mantel der Gefahr auszusetzen. Er achtete aber nicht darauf.
Oben ließ er Pulver auf die Eckzinne schütten und dasselbe anzünden. Es gab eine mächtige Flamme, die einen Augenblick die ganze Umgegend zu übersehen gestattete. Er wußte genug und schickte Hans von der Buche sofort nach dem mittleren Schlosse, um die bereit gehaltene Hilfsmannschaft heranzuholen. Seinen Plan hatte