Gesammelte Werke. Ernst Wichert. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ernst Wichert
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237517
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Bischof begab sich in des Königs Zelt; nicht für die Danziger zu sprechen, die ihm leicht Ärgernis bereiten konnten, sondern um Jagello zu mahnen, sich jetzt – »durch seine Güte«, schmeichelte er – nicht zur Nachgiebigkeit verleiten zu lassen außer in billigen Dingen. Denn viele hätten seiner Festigkeit vertraut und wären deshalb ohne ernstlichen Zwang zu ihm übergegangen; sie würden für alle Zeit scheu werden, wenn sie sich nun deshalb verantworten müßten. Dabei dachte er zumeist an sich selbst, denn er hatte noch kurz vor Ausbruch des Krieges dem Orden mit feierlichen Beteuerungen seine Dienste zugesagt. Der König aber, der in einer prächtigen Rüstung von Goldblech, mit der Krone auf dem Helm erschienen war, antwortete beruhigend: er wisse selbst seine königliche Würde zu wahren und werde vollbringen, was Gott ihm aufgetragen.

      Als nun die Trompeter das Annahen der Gäste meldeten, schlüpfte der Bischof fort. Er hielt es für alle Fälle geraten, sich vom Statthalter nicht unter den Ratgebern des Polenkönigs blicken zu lassen.

      Vor dem Zelte wurde Plauen mit seinen Begleitern von polnischen und litauischen Kriegshauptleuten empfangen; es waren aber darunter keine Großwürdenträger des Reiches, und man ließ ihn auch nicht sofort ein, sondern hieß ihn warten, bis er dem Könige gemeldet sei. Dann dauerte es eine Weile, bis der Türvorhang zurückgeschlagen wurde und der Wappenherold erschien, ihn vorzuladen. Auf dessen Wink zogen sich die Hauptleute aus der Nähe des Zeltes zurück.

      Jagello saß auf einem vergoldeten Sessel, der selbst auf einer trittartigen Erhöhung vor der mit Purpur bekleideten großen Zeltstange seinen Platz hatte. Hinter ihm stand Witowd, auf die Lehne des Stuhles gestützt. Den Hintergrund des Zeltes nahmen vornehme Geistliche und die obersten Befehlshaber ein. Der König hatte ein Schwert über seinen Knien liegen: zwei Chorknaben hielten ein Evangelienbuch. Seitwärts stand der Kanzler, etwas weiter vor der Dolmetscher. An einem Tische saß der Schreiber, dem Zelteingang abgewandt.

      Der König ging seinem Gast nicht entgegen, erhob sich nicht einmal von seinem Sitze, sondern beugte nur ein wenig das Haupt und winkte ihm näher zu treten. Plauen fühlte, daß sein Herz sich krampfhaft zusammenzog und das Blut ihm in die Stirn trat. Es dunkelte ihm vor den Augen, und der Erdboden schien zu schwanken. Er griff mit der Hand nach dem Kreuz auf seinem Mantel, und so verbeugte er sich tief. Eure Gnade, begann er, hat mir das sichere Geleit gesandt, um das ich gebeten. Mag es nun auch Eurer Gnade gefallen, mich gütig anzuhören und eine freundliche Antwort zu geben. Gott hat es in seiner Weisheit so beschlossen, daß Ihr Sieger sein solltet in diesem Kampfe. Die Brüder erbarmen sich des armen Landes, das allzu schwer leidet unter der Kriegsgeißel, und wollen ihm den Frieden geben. Deshalb senden sie mich, den erwählten Statthalter, ihn Eurer Gnade zu bieten. Nehmt ihn huldreich an.

      Der Dolmetsch übersetzte diese Anrede. Der Kanzler nahm in gebückter Haltung des Königs Antwort in Empfang und ließ sie wieder durch den Dolmetsch melden. Gott weiß, daß wir nicht schuld sind an diesem Kriege. Immer war es unser Wunsch, in Frieden und Einigkeit mit unsern Nachbarn zu leben. Aber von je her war der Deutsche Orden streitsüchtig und auf Erweiterung seiner Macht bedacht. In der ganzen Christenheit ist er bemüht gewesen, uns in bösen Leumund zu bringen und uns Feinde zu wecken. Den römischen Kaiser und den König von Böhmen hat er gegen uns aufgestachelt und viele Fürsten übel beraten, gegen uns das Schwert zu ziehen. Nun ist des Ordens Hochmut zu Fall gekommen, und er pflückt seiner Sünden Frucht.

      Lasset Geschehenes geschehen sein, entgegnete der Statthalter, sich zur Mäßigung zwingend. Es handelt sich um alten Streit, und jeder glaubte in seinem Rechte zu sein. Ulrich von Jungingen aber, der mit seinem Blut und Leben dafür eingetreten ist, konnte sich auf den Schiedsspruch eines mächtigen Königs berufen. Polen hat die Entscheidung der Waffen vorgezogen, und sie schafft Recht unter denen, die auf Erden keinen Richter über sich haben. Wir bekennen uns besiegt, und darum lassen wir Euch des Sieges Preis. Mag Eure Gnade nicht mehr begehren, als was sie vorhin als ein Recht angesprochen hat, daß sich das Blatt nicht wende! Jetzt steht an der Waage, die dieser Länder Geschicke wägt, Eure Schale tief, die unsere aber hoch. Mag Euch ihr Gewicht deshalb nicht allzu leicht erscheinen, daß Ihr es verächtlich anseht. Noch gehorcht uns ein großer Teil des Ordensgebietes, noch steht die Marienburg, und der gestrige Angriff hat bewiesen, daß ihre Verteidiger sie tapfer zu behaupten gewillt sind. Die Brüder in Livland werden unser gedenken. Noch ist König Sigismund unser Freund und Polens Feind. König Wenzel grollt, weil Ihr seinen Schiedsspruch nicht geachtet habt; die deutschen Fürsten wissen, was sie dem Orden zu danken haben. Eine Schlacht entscheidet nicht, aber sie bestimmt die Bedingungen des Friedens. Fordert, aber fordert mit Maß, daß es unserm guten Willen gelinge, die schweren Leiden des Krieges zu kürzen.

      Ihr würdet nicht so demütig vor uns erscheinen, ließ der König antworten, wenn Ihr Euch nicht überzeugt hättet, daß alle Eure Hoffnungen auf Hilfe eitel sind. Nicht wir haben Grund, das Ende des Kampfes vorschnell herbeizusehnen: jeder Tag mehrt unsere Macht und schwächt Euren Widerstand. Verlangt Ihr nach der Wohltat des Friedens, so sagt, was Ihr uns bietet. Wie wollen uns darüber erklären, wie wir's für gut befinden.

      Wohlan, rief Plauen, das Kulmer Land – Michelau – Pommerellen biete ich Euch als Geschenk für den Frieden dar! Es war, als müßten die Worte sich gewaltsam aus der Kehle herauspressen.

      Jagellos häßliches Gesicht aber verzog sich zu einem grinsenden Lachen. Die Lande als Geschenk, die ich durch Recht des Krieges schon besitze? Mir muß ganz Preußen zugehören! Ich sehe, daß Ihr die Lage der Dinge noch immer von Grund aus verkennt. Erst wenn Ihr das Haupthaus übergeben wollt, dann kommt und fleht von uns Gnade für Euch und Euren Orden.

      Da schwoll die Zornesader auf Plauens Stirn, und er schüttelte unmutig das Haupt wie ein Löwe, dem man die Tür des Käfigs zeigt. Wie dumpfes Gewittergrollen klang seine Frage: Herr König! Ist das Eurer Gnade letztes Wort? Habt Ihr kein günstigeres in Eurer Brust?

      Wir bestehen auf der Übergabe der Marienburg, entgegnete der König. Nur in der Marienburg werden wir unsere Friedensbedingungen nennen. Das ist unser letztes Wort.

      Eine Minute lang herrschte lautloses Schweigen im Zelt. Der König saß lauernd da, ein wenig vorgebeugt und die listigen Schlangenaugen blinzelnd auf sein Opfer gerichtet. Der Statthalter aber warf einen schmerzlichen Blick aufwärts, öffnete den Mund wie zu einem Schrei und hielt doch den Atem gewaltsam ein. Seine Brust atmete in kurzen Stößen. Allmählich wurde er ruhiger, und als er dann sprach, klang nur bei den ersten Worten die Stimme erstickt; bald hob sie sich zu vollem Ton. Ich kam, mich demütigend, mit billigen Bedingungen; ich kam im Vertrauen, sie würden Annahme finden. Nun gehe ich in die Burg zurück. Gott und die Heilige Jungfrau wird uns retten! Der Plauen aber wird nimmer aus der Marienburg weichen.

      Dabei erhob er die rechte Hand wie zum Schwur und schüttelte sie in der Luft zur Bekräftigung, wandte sich ab und verließ das Zelt.

      Anders als er gekommen war, ritt er mit seinen Begleitern heim; ernst, aber nicht traurig, das Haupt hoch aufgerichtet und den Blick frei zu den stolzen Zinnen des hohen Wachtturms erhoben, auf denen des Ordens Banner wehte. Er mochte sich selbst ein solcher Turm erscheinen, der unerschüttert dem Sturme steht, mächtig Mächtiges überragend.

      Ihm war zumut, als wäre ihm eine Zentnerlast von der Brust gewälzt. Willig hatte er die Schmach auf sich genommen, dem Polenkönige zu bieten, was noch nie der Deutsche Orden durch sein Haupt dem Todfeinde geboten hatte: seine Person sollte kein Hindernis des Friedens sein. Nun war er durch des Königs Übermut von aller Verantwortlichkeit befreit. Wer von den Brüdern durfte wagen, ihm vorzuwerfen, daß er das Haupthaus nicht übergeben habe ohne die äußerste Not? Wer im Lande durfte den Orden beschuldigen, den Frieden nicht aufrichtig gesucht zu haben? Schwere Leiden mochten den Belagerten noch bevorstehen, aber unvermeidlich war nun die Fortsetzung des Kampfes, und die schwersten konnten sein Gemüt nicht bedrücken, da er sie nicht zu wenden vermochte, ohne sich und die Brüder zu entehren. Nun mußte geschehen, was ihm selbst immer als ein unverbrüchliches Pflichtgebot erschienen war: die Marienburg mußte verteidigt werden bis auf den letzten Mann!

      Kampffroh war seine Stimmung, als das Torgatter hinter ihm fiel. Nicht ins Kapitel berief er die Brüder, ihnen eine trübe Botschaft auszurichten; auf dem Burghof unter freiem Himmel ließ er alles Volk in Waffen zusammentreten und verkündete mit lauter Stimme, welche