Gesammelte Werke. Ernst Wichert. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ernst Wichert
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237517
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Bürgermeister schüttelte unwillig den Kopf. So sollen wir's also verdienen, elendes Krämervolk gescholten zu werden? Nein, solange ich der Stadt Haupt bin, soll nichts Unwürdiges geschehen. Nur der Notwendigkeit will ich weichen. Setzt mich ab, wenn ich in meinem Amt euer Mann nicht bin!

      Hecht wagte für jetzt nicht, weiter in ihn zu dringen. Noch war ihm sein eigener Anhang nicht sicher genug, und Letzkau schien unentbehrlich.

      Der Bürgermeister tat wirklich alles, was ihn öffentlich als einen treuen Freund des Ordens zu erkennen geben mußte. Auf dem Danziger Schlosse waren nur wenige Ritter zurückgeblieben. Bestürzt durch die Schreckensnachricht von der verlorenen Schlacht und dem Anmarsch des Königs wurden sie rasch mutlos. Sie kamen deshalb aufs Rathaus, baten um eine geheime Unterredung und stellten vor, daß sie das Haus nicht würden halten können und sich dem Könige ergeben wollten, wenn die Stadt ihm zufalle. Letzkau aber antwortete ihnen: Das laßt nicht laut werden, denn der Verzagten gibt es genug, die euch zustimmen möchten. Bedenket, ihr Herren, daß ihr ein festes Haus habt, und daß in der Stadt Danzig Vitalie und Speise genug ist und dazu viele tüchtige Mannen, die euch gern helfen wollen, die Mauern zu besetzen. Entbietet, was ihr bedürft, man wird es euch vor Mitte der Woche schicken. Da gingen die Ritter beschämt nach dem Schlosse zurück und fingen an, es in Verteidigungszustand zu setzen. Letzkau aber schickte aus seinen eigenen Speichern Malz und Mehl und andere Lebensmittel, und brachte es an den Rat der Stadt, daß man für alle Fälle das Schloß mit einer rüstigen Mannschaft besetze, damit man sicher sei, daß es sich nicht ohne Not dem König ergebe.

      Zugleich sorgte er dafür, daß die Stadt selbst nicht von herumstreifenden Heerhaufen überrumpelt werden könne. Da alle Geschäfte jetzt stillstanden, gab es viel müßiges Volk, das unzufrieden auf den Straßen lärmte. Das stellte er nun zur Arbeit an, indem er vor den Mauern Erdwerke zur besseren Befestigung aufwerfen und mit Geschütz versehen ließ. So sah jedermann, daß er zu ernster Abwehr entschlossen war.

      Endlich kam auch Johann von Schönfels, der Komtur, mit den Resten seines in der Schlacht und auf der Flucht übel zugerichteten Heerhaufens nach Danzig zurück. Er hatte sich unterwegs aufgehalten, weil er die Verwundeten nicht im Stiche lassen wollte. Es hieß, daß ihm eine Schar Polen fast auf dem Fuße folge. Die Danziger Spieße lehnte er ab; er hatte Mißtrauen, daß der Rat geheime Dinge betreibe und sich durch diese Leute der Burg bemächtigen wolle, sie dann dem Könige zu übergeben. Waffen und Lebensmittel aber forderte er nun als eine schuldige Leistung, worüber viel Unzufriedenheit entstand. Er kam auch nach der Stadt und berief den Rat nach der Marienkirche. Dort verlangte er ein Gelöbnis, daß man die Stadt gegen den Feind halten wolle. Das soll geschehen Jahr und Tag, antwortete Letzkau mit erhobener Hand, sofern der Orden selbst tut, was er dem Lande schuldig ist. Arnold Hecht zupfte ihn am Rock und flüsterte ihm zu: Gelobet nicht zuviel! Der Komtur aber war aus anderem Grunde ungehalten und rief: Es ist nicht an euch, Bedingungen zu stellen. Ich verlange ein Gelöbnis ohne Vorbehalt. Dazu schwieg alles. Als dann aber Letzkau fragte: Wollt ihr dem Herrn Komtur und dem Orden auf das geloben, was ich gelobt habe? da antworteten die meisten mit »ja«, und Johann von Schönfels sah wohl ein, daß er sich damit begnügen müßte. Zank und Streit blieben nicht aus. Bald nach dem Komtur waren ganze Scharen von Verwundeten und Kranken angelangt, dazu Ordenssöldner, die, von ihren Fähnlein abgekommen, vor dem Feinde her flohen. Einige Haufen hatte man in die Städte eingelassen, aber immer mehr drängten zu; das Ordenshaus schloß ihnen die Tore, und die Bürger scheuten sich vor der Gefahr der Ansteckung durch die Kranken und vor der Last der Verpflegung von so viel lungerndem Volk. Deshalb wollten die Arbeiter bei den Verschanzungen den weiteren Zudrang hindern und stellten sich zur Wehr, zumal als die Nachricht zugetragen wurde, daß die Ordenssöldner in der Altstadt plünderten. Sie gebrauchten ihre schweren Schippen als Waffen und schlugen damit die Spieße zur Seite fort. Bei diesem Ringen gab es bald Verletzungen auf beiden Seiten. Bürger eilten in Waffen hinzu. Nur mit Mühe konnte Letzkau schweres Blutvergießen hindern.

      Nun rückten auch die verfolgenden Polen an und schlugen ein Lager vor der Stadt auf. Andere Scharen stürmten, da sie hier die Tore geschlossen fanden, weiter ins Stubbelausche Werder hinein und nach der Nehrung, überall die Höfe verwüstend und plündernd. Gegen sie schickte der Rat die Mannschaft aus, die für das Schloß gerüstet war, aber nicht Aufnahme gefunden hatte, denn viele der Herren hatten da draußen selbst große Besitzungen und fürchteten für ihr Eigentum. Der Ratsherr Barthel Groß wurde zum Hauptmann dieses Volkes erwählt und erwies sich bald als ein geschickter und vom Feinde gefürchteter Führer. Den Elbingern, die dem Könige Fourage zuführen wollten, wurden mehrere Schiffe fortgenommen, freilich zum Ärger für Arnold Hecht und seine Anhänger. Hielt sich nun auch die Stadt gegen den Feind, so sprach man doch ungescheut auf allen Gassen unfreundlich genug gegen den Orden.

      Das wußte der Spittler des St.-Elisabeth-Hospitals, Herr Nikolaus von Hohenstein. Er war in großer Unruhe wegen der kostbaren Habe, die das Haus in langen Jahren des Friedens aus den Überschüssen seiner reichlichen Einkünfte und mancherlei Geschenken zusammengebracht. Er traute aber auch Johann von Schönfels wenig und meinte, das Schloß werde sich nicht lange halten, wenn erst die Stadt übergeben sei. Deshalb hielt er es für das geratenste, sich mit seinen Schätzen heimlich davonzumachen. Er ließ daher sein silbernes und goldenes Tafelgeschirr, womit er reichlich versehen war, seine Teppiche und Gewänder und ebenso aus der Kapelle des Hospitals die gestickten Altardecken, seidenen Fahnen, silbernen Leuchter, Rauchfässer und Schalen, die Monstranzen, Kruzifixe und Kelche nebst den priesterlichen Gewandungen in Kisten verpacken und auf ein Schiff bringen, das im Hafen segelfertig lag. Er selbst wollte, wenn alles in Sicherheit sei, nachfolgen.

      Doch wurde sein Vornehmen noch in letzter Stunde verraten. Kaum erfuhr Letzkau, was im Werke sei, als er eilig den Fluß mit Ketten sperren ließ, daß kein Schiff ferner hindurchpassieren könnte. Die Kisten mußten sofort ausgeladen und auf das Bollwerk gestellt werden. Er befahl, sie vorläufig in sein Haus zu bringen.

      Eine große Menschenmasse hatte sich am Wasser versammelt und erhitzte sich in Schmähreden gegen den Spittler. Das wenigste war noch, daß man ihn einen argen Geizhals nannte und beschuldigte, die Kranken in seinem Hospital um ihr Hab und Gut betrogen zu haben.

      Indem kam der Spittler angelaufen, feuerrot vor Zorn, und fuhr den Kapitän wütend an.

      Beruhigt Euch, sagte der Bürgermeister. Euer Schreien kann Euch nicht helfen. Durch mich befiehlt der Rat der Stadt –

      Da aber sprang der Spittler vor, stellte sich mit ausgebreiteten Armen vor die Kisten und schrie: Wagt es, Hand zu legen an des Ordens und der Kirche Gut! Einen Schelm und Räuber nenne ich jeden, der gegen mich Gewalt braucht!

      Das sind unbedachte Worte, verwies Letzkau. Der Orden ist nur die Herrschaft im Lande, und was ihm im Lande gehört, gehört ihm dieser Herrschaft wegen. Er hat seine Spitäler in die Städte gebaut, daß sie den Armen und Kranken dienen, und die Kirche gehört zum Hause, und alles, was im Hause ist, bleibt im Hause und dient seinem Zweck. Darum hindern wir Euch, darüber zu schalten wie über etwas, das allein in Eurer Macht steht, und nehmen diese Güter in Beschlag für den Orden und für die Kirche, daß sie bei ihnen im Lande bleiben.

      Vergebens müht Ihr Euch, solchen Frevel zu beschönigen! schrie der Spittler. Wann hat der Orden die Städte befragt, wie ihm erlaubt sei, mit seinem Eigentum zu schalten? Ich sage, das ist Vergewaltigung und Raub!

      Und ich sage, sprach Arnold Hecht hinein, daß Ihr selbst verübt, wessen Ihr uns beschuldigt. Zeigt uns Euren Auftrag, oder wir schätzen Euch als einen ungetreuen Knecht, der Übles im Sinne hat gegen seinen eigenen Herrn, den er in Not weiß.

      Nennt Ihr mich einen Dieb, schäumte der Spittler, nennt Ihr mich einen Dieb?

      Das ist Euer Wort, antwortete Hecht, nicht das meine. Aber vielleicht trifft's so das Rechte.

      Hört, hört, schrie der Spittler, ich rufe euch alle zu Zeugen an; er hat mich einen Dieb gescholten, mich, Nikolaus von Hohenstein. Das soll er mir entgelten!

      Unter den Ratsherren waren einige, die nahmen das Wort auf und meinten, es wäre so weit nicht gekommen mit dem Orden, wenn er nicht Verräter in allen seinen Häusern hätte.

      Da ballte der Spittler die Fäuste gegen sie und schrie: Den Verräter in euren Hals,