Gesammelte Werke. Ernst Wichert. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ernst Wichert
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237517
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schob er sich zwischen die beiden Pferde und griff zu. Waltrudis aber zog schnell den Arm fort und wandte sich zur Seite.

      Habt keine Furcht, ich verrate Euch nicht, fuhr der Aufdringliche fort, bald die polnische Sprache gebrauchend, bald die deutsche radebrechend. Ich kenne einen Herrn, der im Kulmer Land viele gute Freunde hat, und dem diene ich seit langer Zeit. Den Eidechsen wär's freilich jetzt mehr zu raten, ihre Schlupflöcher aufzusuchen, als sich auf den Höfen der Ordenshäuser herumzutreiben. Unter dem Volk, das sich von Tannenberg hierher geflüchtet hat, habe ich einige gute Bekannte; die erzählen merkwürdige Dinge: Herr Nikolaus von Renys und andere aus dem Bunde sollen ihre Banner unterdrückt haben, als die Not am höchsten gestiegen war. Sie mögen sich in acht nehmen, wenn der Orden wieder zu Kräften kommt. Ihr wart wohl gar selbst in der Schlacht, Junker?

      Auch darauf erfolgte keine Antwort. Das geängstigte Mädchen suchte das Pferd am Zügel herumzuziehen, um ihm den Rücken zuwenden zu können. Das gelang aber nicht, denn er hatte mit der rechten Hand das Stirnhaar des Tieres erfaßt und klopfte mit der linken dessen Hals. Ah! sagte er, Euer eigenes Zaumzeug ist, wie ich sehe, von anderer Art! Das kommt aus der Schirrkammer eines Komturstalls, nach der Zeichnung zu schließen. Aber für einen Ordensritter seid Ihr zu jung. Habt Ihr an jemand hier im Schlosse eine Bestellung? Ich will Euch gern Auskunft geben. Lohnt mir's nach Gefallen.

      Waltrudis meinte nun zu wissen, daß sie's mit einem Bettler zu tun habe. Sie hoffte ihn loszuwerden, wenn sie ein Stück Geld opferte, griff deshalb in ihr Gürteltäschchen und warf ihm eine kleine Silbermünze zu. Er fing sie mit der Hand auf und steckte sie lachend ein. Ich hielt Euch für einen Junker, rief er, und nun erkenne ich unter dem Mantel ein Jungfräulein! Ja, ja, es hilft Euch nichts, daß Ihr Euer hübsches Gesicht unter der Hutkrempe versteckt – ich weiß, was ich weiß!

      Geht und laßt mich in Frieden, bat das Mädchen, vor Beängstigung dem Weinen nahe. Ich brauche Eure Dienste nicht.

      Könnt Ihr also doch sprechen? höhnte der Strolch, ohne sich von der Stelle zu rühren. Weist mich nicht so schnöde ab, schönes Fräulein: die Zeiten sind nicht danach, gute Dienste geringzuachten, von wem sie auch angeboten werden. Wenn Ihr einen Freund habt unter den Ordensherren und ihm hierher nachreitet, kann Euch ein verschwiegener Bursche zum Botenlaufen sehr nützlich werden. Vertraut Euch mir an. Er trat ihr ganz nahe und schielte grinsend zu ihr hinauf.

      Unverschämter! rief sie und stieß ihn mit dem Arm fort. Ihr wißt nicht, mit wem Ihr sprecht.

      Er lachte. Ganz recht, das weiß ich nicht, kann mir's aber ungefähr denken, Oh, die Kreuzherren haben den besten Geschmack! Ein Bruder natürlich, oder ein Vetter! Es hat nicht den mindesten Grund, daß Ihr auch so vermummt seid und hier an der Mauer wartet – ha, ha, ha, nicht den mindesten Grund! Ich rate Euch nochmals: vertraut mir. Wenn Ihr eine volle Börse habt, und daran zweifle ich nicht, so können wir gute Freunde werden.

      Entfernt Euch auf der Stelle, befahl das Mädchen, oder ich rufe jene Leute an, mir zu helfen!

      Er warf den Kopf auf. Das werdet Ihr bleibenlassen. Ich denke, es ist Euch darum zu tun, daß man Euch nicht erkennt. Klüger tut Ihr schon, wenn Ihr mein Schweigen erkauft. Die Zeiten sind schlecht, und ein ehrlicher Kerl muß zusehen, wie er sich etwas verdient.

      Sie warf ihm noch einige größere Münzen hin und schaute ängstlich um, ob ihr Begleiter noch immer nicht zurückkehre. Der Strolch dankte, indem er den Hut abzog, und machte sich nun wieder an dem anderen Pferde zu schaffen. Nehmt mich zu Eurem Reitknecht an, sagte er, ich will Euch den Gaul führen. Er zog an dem Zügel, den sie in der Hand hielt.

      Sie sah voraus, daß er mit dem Pferde das Weite suchen werde, wenn sie es ihm freigebe, hielt daher den Zaum fest und schlug ihn mit der Gerte auf die Hand. Nun brauchte er Gewalt. Sie widersetzte sich aber und rief laut: Hilfe, Hilfe!

      Zum Glück schritten in diesem Augenblick die beiden Männer durch das Tor und auf die Stelle zu. Sobald der Strolch ihre Absicht merkte, ließ er den Zügel fahren und schlüpfte eiligst fort. Er fand in der nächsten Mauernische ein gutes Versteck, von dem aus er weiter beobachten konnte. Ich muß wissen, wo sie bleibt, zischelte er vor sich hin, das ist sicher ein seltenes Wildbret, dem man auf der Spur bleiben muß.

      Indessen war der Junker von der Buche mit dem Gießmeister Ambrosius herangetreten und hatte sich besorgt erkundigt, was es gebe. Er wollte dem frechen Menschen nacheilen, aber sein Begleiter meinte, es treibe sich viel schlechtes Volk herum, und er könnte sich leicht unangenehme Händel auf den Hals ziehen. Die Hauptsache ist, daß wir das Fräulein unter Dach bringen, schloß er.

      So führte er sie denn nun nach der Vorburg und in seine dortige Wohnung. In einiger Entfernung und immer auf der Hut, von ihnen nicht bemerkt zu werden, folgte der Strolch bis dahin. Dann verschwand er unter dem Kriegsvolk.

      Die Gießmeisterin, eine ältliche Frau mit strengen Zügen und neugierig gespitzter Nase, schien die unerwartete Einquartierung keineswegs ganz nach ihrem Sinne zu finden. Das Fräulein mit dem goldenen Haar, das nach Entfernung des Hutes wellig über die Schulter fiel, wollte ihr nicht recht geheuer erscheinen. Ihr Mann wiederholte immer, daß der Herr Komtur sie bitten lasse, seine junge Verwandte zu beherbergen, aber sie wiegte den Kopf und sagte nur: so – so und ei – ei! sah dabei auch den Junker prüfend an. Nun bat Waltrudis selbst um ein bescheidenes Plätzchen für ein Nachtlager, und die weiche, liebliche Stimme schien auch wirklich zum Herzen zu gehen. Für die nächste Nacht werde man ja schon sehen, wie man sich einrichte, meinte sie. Und dann wiegte sie wieder den Kopf. Der Herr Komtur also hat das Fräulein hierher kommen lassen – so, so! Und der Junker hat das Fräulein begleitet – ei, ei! Und da war unser bescheidenes Haus dem gnädigen Herrn für seine Verwandte nicht zu schlecht – so, so, so!

      Es ist nichts Verfängliches dabei, Alte, zischelte der Gießmeister ihr zu, auf den Plauen kann man sich verlassen. Räume dem Fräulein das Turmstübchen ein und besorge vor allen Dingen etwas zu essen. Sie haben einen weiten Ritt gemacht und sind hungrig.

      Wie du meinst, lieber Ambrosius, antwortete sie nicht gerade leise, wie du meinst. Ich bin gern jedermann gefällig, auch dem Herrn Komtur, ob ich ihn schon nicht kenne und ein solches Ansinnen etwas wundersam finde. Ich fürchte nur, es wird Gerede geben. Aber du bist der Hausherr und weißt, was du tust. Ich füge mich. Was soll man denn aber den Leuten sagen?

      Daß wir eine Verwandte zu uns genommen haben, die vor den Polen geflohen ist. Es wäre dem Herrn Komtur lieb, wenn es unter diesem Vorwand geschehen könnte.

      Eine Verwandte … Ach, und wir sind aus Nürnberg, und unsere Verwandtschaft ist doch wohl auch dort zu suchen … und vor den Polen geflohen, ja, das mag wahr sein! Nun, unmöglich ist's ja auch gerade nicht, daß eine Verwandte uns hat besuchen wollen und daß der böse Krieg sie unterwegs überrascht hat. Man kann's ja sagen, und wenn wir dem Herrn Komtur eine Freundlichkeit erweisen, und es kann in allen Ehren –

      Also es bleibt dabei, schloß der Gießmeister ab. Hüte du nur deinen Mund, so werden auch die Leute nichts zu reden haben. Und nun weise dem Gast das Quartier an und decke den Tisch.

      Waltrudis ließ sich durch die Unterhaltung des Junkers nicht abziehen: sie horchte ängstlich auf das Gespräch der Eheleute. Wenn ich Euch lästig falle, gute Frau … sagte sie schüchtern und brach gleich wieder ab. Was sollte sie auch hinzufügen? Ach Gott, fuhr sie in anderem Tone fort, wohin könnte ich mich wenden? Ich bin eine Waise, und der einzige, der mir durch Blutsverwandtschaft nahestand – mein Bruder –, ist in der Schlacht gefallen. Ganz allein stehe ich in der Welt, auf die Mildtätigkeit guter Menschen angewiesen!

      Die Tränen liefen ihr über die Wangen. Hans von der Buche ergriff ihre Hand und rief: Aber vergeßt den Freund nicht! Der hat's mit mir zu tun, der Euch auch nur mit einem unfreundlichen Worte kränkt. Ich bleibe in der Marienburg und will schon aufpassen.

      Sie schenkte ihm einen dankbaren Blick recht aus Herzensgrund. Der Gießmeisterin entging er nicht. Ei, ei, bemerkte sie, das ist ja recht ritterlich gesprochen und kann dem schönen Fräulein wohl gefallen. Vielleicht findet Ihr Gelegenheit zu guten Diensten, Junker, wenn auch nicht in meinem Hause. Denn das sage ich ein für allemal: das Hin- und herlaufen leide ich nicht, und wenn wir auch einen Gast aufnehmen,