Vorträge über das Johannes-Evangelium, Band 1. Augustinus von Hippo. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Augustinus von Hippo
Издательство: Bookwire
Серия: Die Schriften der Kirchenväter
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783849659868
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       24.

      Alles also, meine Brüder, ihr seht es, spricht gegen sie, alle Seiten der Schrift, alle Prophetie, das ganze Evangelium, alle apostolischen Briefe, alles Seufzen der Taube; und sie wachen noch nicht auf, die erheben sich noch nicht vom Schlafe. Aber wenn wir die Taube sind, dann wollen wir seufzen, geduldig sein, hoffen; die Barmherzigkeit Gottes wird helfen, daß das Feuer des Heiligen Geistes erglühe in eurer Einfalt, und sie werden kommen. Man darf nicht verzweifeln; betet, redet laut, liebet; fürwahr der Herr ist mächtig. Schon haben sie angefangen, ihre Stirne zu erkennen, viele sind zur Einsicht gekommen, viele haben sich geschämt; Christus wird beistehen, damit auch die übrigen zur Einsicht gelangen. Und gewiß, meine Brüder, nur die Spreu soll dort bleiben, alle Körner sollen gesammelt werden, was immer dort Frucht getragen hat, kehre durch die Taube zur Arche zurück.

       25.

      Da sie nun von allen Seiten in die Enge getrieben werden, was halten sie uns entgegen, weil sie nichts zu erwidern wissen?206 Unsere Landhäuser hat man genommen, unsere Grundstücke hat man genommen. Sie bringen Testamente von Menschen hervor. Siehe, wo Gajus Sejus der Kirche, welcher Faustinus vorstand, ein Grundstück geschenkt hat. Von welcher Kirche war Faustinus Bischof? Was ist die Kirche? Der Kirche, sagt er, welcher Faustinus vorstand. Aber nicht der Kirche stand Faustinus vor, sondern einer Sekte stand er vor. Die Taube aber ist die Kirche. Was schreist du? Wir haben keine Landhäuser verschlungen, die Taube soll sie haben; man forsche nach, welches die Taube sei, und* sie* soll sie haben. Denn ihr wißt, meine Brüder, daß jene Landhäuser nicht dem Augustinus gehören, und wenn ihr es nicht wißt und glaubt, der Besitz von Landhäusern mache mir Freude, so weiß es Gott, er weiß, was ich von jenen Landhäusern denke oder was ich da zu leiden habe; er kennt meine Seufzer, wenn er mir etwas von der Taube zu verleihen sich gewürdigt hat. Siehe, es sind Landhäuser. Nach welchem Rechte erhebst du Anspruch auf Landhäuser? Nach göttlichem oder menschlichem? Sie mögen antworten. Das göttliche Recht haben wir in den Schriften, das menschliche Recht in den Gesetzen der Herrscher. Wodurch besitzt jeder, was er besitzt? Nicht durch menschliches Recht? Denn nach göttlichem Recht gehört „dem Herrn die Erde und ihre Fülle207; Arme und Reiche hat Gott aus einem Lehm gemacht, und Arme und Reiche trägt die* eine* Erde. Jedoch nach menschlichem Rechte sagt einer: Dieses Landhaus gehört mir, dieses Haus gehört mir, dieser Knecht gehört mir. Nach menschlichem Rechte also, nach dem Rechte der Kaiser. Warum? Weil Gott die menschlichen Rechte durch die Kaiser und Könige der Welt dem menschlichen Geschlechte zugeteilt hat. Wollt ihr, daß wir die Bestimmungen der Kaiser verlesen und nach ihnen handeln betreffs der Landhäuser? Wenn ihr sie nach menschlichem Rechte besitzen wollt, so laßt uns die Verordnungen der Kaiser verlesen; laßt uns sehen, ob sie wollten, daß die Häretiker etwas besitzen sollen. Aber was geht mich der Kaiser an? Nach seinem Rechte besitzest du ein Landstück. Oder hebe die Rechte der Kaiser auf; aber wer wagt dann noch zu sagen: Jenes Landhaus gehört mir oder jener Knecht gehört mir oder dieses Haus gehört mir? Wenn sie aber, damit jene Dinge im Besitze der Menschen bleiben, sich die Rechte der Herrscher gefallen ließen, sollen wir die Gesetze verlesen, damit ihr froh seid, daß ihr auch nur* einen* Garten besitzt, und es lediglich der Sanftmut der Taube zuzuschreiben habt, daß man euch wenigstens da bleiben läßt? Man kann ja bekannte Gesetze lesen, wo die Kaiser verordneten, daß diejenigen, welche außerhalb der Gemeinschaft der katholischen Kirche sich den christlichen Namen anmaßen und nicht in Frieden den Urheber des Friedens verehren wollen, nichts im Namen der Kirche zu besitzen wagen sollen.

       26.

       Aber was haben wir mit dem Kaiser zu tun? Allein ich habe schon gesagt, es handelt sich um* menschliches* Recht. Und der Apostel wollte doch, daß man den Königen diene; er wollte, daß man die Könige ehre: „Ehret den König“208. Sage nicht: Was geht mich der König an? Was geht dich also ein Besitztum an? Durch die Rechte der Könige hat man Besitztümer. Du hast gesagt: Was geht mich der König an? Rede nicht von* deinen* Besitztümern, weil du auf die menschlichen Rechte verzichtet hast209, durch welche man Besitztümer hat. Allein es handelt sich um göttliches Recht, sagt er. Also verlesen wir das Evangelium; sehen wir zu, bis wohin die katholische Kirche Christus angehört, auf den die Taube herabkam, welche gelehrt hat: „Dieser ist es, welcher tauft“. Wie also möchte nach göttlichem Rechte derjenige etwas besitzen, welcher sagt:* Ich* taufe, da doch die Taube sagt: „Dieser ist es, welcher tauft“; da doch die Schrift sagt: „Eine ist meine Taube, die einzige meiner Mutter“? Warum habt ihr die Taube zerfleischt? Oder vielmehr, eure Eingeweide habt ihr zerfleischt; denn wenn auch ihr zerfleischt seid, die Taube bleibt unversehrt. Also, meine Brüder, wenn sie nirgends haben, was sie sagen könnten, so will ich sagen, was sie tun sollen: sie sollen zur katholischen Kirche kommen, und sie werden dann mit uns nicht bloß Erdreich besitzen, sondern auch den, der Himmel und Erde gemacht hat.

      7. Vortrag.

       Einleitung.

      Siebenter Vortrag.

       Von der Stelle an: „Und ich sah und gab Zeugnis, daß dieser der Sohn Gottes ist“, bis dahin: „Wahrlich, ich sage euch, ihr werdet den Himmel offen sehen und die Engel auf- und niedersteigen über den Sohn des Menschen.“ Joh. 1, 34―51.

       1.

       Wir freuen uns über eure zahlreiche Anwesenheit, weil ihr über unser Erwarten eifrig erschienen seid. Das ist es, was uns erfreut und tröstet in allen Mühen und Gefahren dieses Lebens, eure Liebe zu Gott, der fromme Eifer, die sichere Hoffnung, der Eifer des Geistes. Ihr habt, als der Psalm gelesen wurde, gehört, daß der Hilflose und Arme in dieser Welt zu Gott ruft210. Denn es ist, wie ihr öfters vernommen habt und euch erinnern müßt, nicht die Stimme eines einzigen Menschen und doch wieder eines einzigen Menschen: nicht eines einzigen, weil die Gläubigen viele sind, viele Körner, seufzend unter der Spreu, zerstreut auf dem ganzen Erdkreise; eines einzigen aber, weil alle Glieder Christi sind und deshalb* ein* Leib. Dieses hilflose und arme Volk also kann sich nicht freuen an der Welt; sein Schmerz ist inwendig, wie auch seine Freude inwendig ist, wo es nur der sieht, der den Seufzenden erhört und den Hoffenden krönt. Die Freude an der Welt ist Eitelkeit. Mit großer Erwartung hofft man, daß sie komme, und wenn sie gekommen ist, kann man sie nicht festhalten. Wird ja dieser Tag211, der heute in unserer Stadt den Verdorbenen zur Ausgelassenheit dient, morgen natürlich nicht mehr sein, und sie selbst werden morgen das nicht mehr sein, was sie heute sind. Alles vergeht, alles enteilt, alles entschwindet wie Rauch, und wehe denen, die solches lieben. Denn jede Seele folgt dem, was sie liebt. „Alles Fleisch ist Heu, und alle Herrlichkeit des Fleisches wie die Blume des Feldes; das Heu verdorrt, die Blume fällt ab; das Wort des Herrn aber bleibt in Ewigkeit“212. Siehe zu, was du liebst, wenn du ewig bleiben willst. Aber du hattest Grund zu sagen: Wie kann ich das Wort Gottes erfassen? „Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.“

       2.

      Deshalb, Teuerste, möge zu unserer Dürftigkeit und Armut auch dies gehören, daß wir jene bedauern, welche für sich Überfluß zu haben scheinen. Denn ihre Freude ist wie die von Wahnsinnigen. Wie aber der Wahnsinnige sich gewöhnlich freut in seinem Wahnsinn und lacht, und der Gesunde ihn bemitleidet, so wollen auch wir, Teuerste, wenn wir die vom Himmel kommende Arznei gebraucht haben, weil auch wir alle Wahnsinnige waren, nunmehr gleichsam als Geheilte, da wir das, was wir einst liebten, nicht mehr lieben, wir wollen zu Gott seufzen über diejenigen, welche noch wahnsinnig sind. Denn er ist mächtig, daß er auch sie gesund mache. Es ist nötig, daß sie auf sich sehen und sich mißfallen. Sie wollen schauen und verstehen nicht, auf sich selbst zu schauen. Denn wenn sie einigermaßen die Augen auf sich richten, sehen sie, wie sehr sie sich zu schämen haben. Bis das geschieht, seien andere* unsere* Bestrebungen, andere die Erholungen unserer Seele. Mehr Wert hat unser Schmerz als ihre Freude. Was die Zahl der Brüder betrifft, so hat sich schwerlich einer aus den Männern von jener Festlichkeit hinreißen lassen; was aber die Zahl der Schwestern anbelangt, so schmerzt sie uns, und es ist dies um so mehr zu bedauern, weil dieselben