Rivalinnen - Schweden-Krimi. Åsa Nilsonne. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Åsa Nilsonne
Издательство: Bookwire
Серия: Ein Fall für Monika Pedersen
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788726445114
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sei. Ob er glaubte, dass manche ihre Strafe sofort bekamen.

      Sie hatte ihn schon länger nicht mehr angerufen, weil sie sich vor Patriks Reaktion fürchtete. Sie wollte nicht aufdringlich oder eifersüchtig wirken, und deshalb rief sie überhaupt nicht an. Und da sie ihn auch nicht im Dienst stören wollte, hatten sie seit mehreren Tagen nichts mehr voneinander gehört.

      Plötzlich fiel ihr auf, dass sie den Anrufbeantworter nicht ausgeschaltet hatte. Sie drückte auf den Knopf, und sofort klingelte das Telefon.

      Es war Mikael. Ihr Herz machte einen vertrauten kleinen Freudensprung.

      »Hallo, Monika, wie geht’s?«

      Er klang hektisch und redete sofort weiter, ohne ihre Antwort abzuwarten:

      »Ich brauche deine Hilfe ‒ könntest du heute Abend zwei Stunden Zeit erübrigen?«

      Sie wusste, dass sie ablehnen sollte, da sie ohnehin Überstunden machen musste, um wenigstens die wichtigsten Dinge zu erledigen. Sie wusste auch, dass sie ja sagen sollte ‒ auch das Privatleben muss behütet werden, vor allem jetzt, wo nur noch so wenig davon übrig war.

      »Sicher. Für dich immer. Was soll ich tun?«

      »Das erfährst du dann, wenn du dort bist ‒ ich kann dir nur sagen, dass du improvisieren und kreativ sein musst.«

      »Wird das ein lustiger Abend? Das würde mir gut tun.«

      »Sehr lustig. Und für dich ist es eine Abwechslung. Entspannung. Du musst um sieben im Karlaväg 85 sein. Vierter Stock. Der Türcode lautet 2001. Danke. Kuss!«

      Sie hätte gern gesagt, »wann können wir uns sehen«, oder »du fehlst mir«, aber das hätte sich dumm angehört, fand sie. Sie fragte sich, warum sie je geglaubt hatte, Freundschaft sei weniger kompliziert als Liebe. Sie versuchte sich einzureden, dass sie für diesen Abend wirklich einige entspannende Stunden brauchte. Dass es vielleicht trotz allem richtig wäre, unbezahlte Überstunden zu verweigern. Jedenfalls ab und zu.

      Doch die Papierstapel auf ihrem Schreibtisch sandten andere Signale aus: du musst mehr arbeiten. Schneller. Jetzt. Das rote Lämpchen des Anrufbeantworters blinkte fordernd.

      Es beunruhigte sie, dass sie Janne nicht erreichen konnte. Sie unternahm noch einen Versuch, doch er nahm noch immer nicht ab. Der Gedanke an Håkan Götsten und den Mann mit den Brüsten ließ ihr keine Ruhe. Sie beschloss, den Anrufbeantworter noch nicht abzuhören, um zumindest die Unterlagen über den Russen in Ruhe bearbeiten zu können.

      Etwas später brachte Idriss die Zusammenfassung der Gespräche dieses Tages. Er hatte außerdem die Bilderfolge durchgesehen, die Expressen über Lotties Leben gebracht hatte, und hatte alle Personen notiert, die mit auf den Bildern zu sehen waren. Auch dem Artikel hatte er noch allerlei entnehmen können, zum Beispiel, dass Jenny und Pernilla denselben Vater hatten, einen ebenfalls bekannten Schauspieler.

      Monika erzählte, was sich inzwischen bei ihr ergeben hatte.

      »Ich habe Neuigkeiten über mögliche Feinde von Lottie. Sie hatte eine Nachbarin überredet, über Jennys Unternehmungen Buch zu führen. Die Nachbarin hat aufgeschrieben, wann Jenny kam und ging. Wer sie besucht hat. Wenn diese Notizen stimmen, dann können weder Jenny noch ihr Bekannter um zehn Uhr in Kungsholmen gewesen sein. Dieses Großmütterchen glaubt ansonsten, dass Lottie vom Geheimdienst ermordet worden ist oder so, um irgendeinen Skandal zu verhindern, und dass auch ihr die Liquidierung droht.«

      Idriss lachte.

      Wieder klingelte das Telefon. Die Gefahr war groß, dass es Håkan Götsten war, doch dann hörte sie eine dünne verängstigte Frauenstimme.

      »Spreche ich mit Monika Pettersson von der Polizei?«

      »Pedersen«, korrigierte Monika automatisch. »Ja, am Apparat. Wer spricht da?«

      »Pernilla... Hagman. Sie waren heute Morgen bei uns. Es ist etwas Seltsames passiert...« Die Stimme zitterte. »Es ist so schrecklich....«

      Monikas erster Gedanke war, dass noch jemand tot sein, dass ihr misslungenes Gespräch mit den Töchtern eine weitere Katastrophe ausgelöst haben könnte. Sie spürte, wie ihr Herz zu hämmern begann. Sie war wirklich nicht in Form.

      »Auf Mamas Schreibtisch liegen Drohbriefe. Gemeine, widerliche Briefe. Was soll ich tun?«

      »Ganz ruhig bleiben.« Monika empfand ihre eigene Stimme nicht als beruhigend ‒ sie klang schrill, und sie redete viel zu schnell. »Ist das Zimmer offen?«

      Pernilla schluchzte auf. »Ja.«

      »Dann schließen Sie die Tür. Fassen Sie nichts an. Schließen Sie ab, wenn das möglich ist. Wenn wir morgen mehr darüber wissen, wie Lottie gestorben ist, dann werden wir uns die Briefe ansehen. Schließen Sie jetzt die Tür, ich bleibe so lange dran.«

      Nach einer Weile war Pernilla wieder am Apparat.

      »Jetzt habe ich abgeschlossen. Was soll ich mit dem Schlüssel machen?«

      »Behalten. Und sprechen Sie mit den anderen nicht über die Briefe.«

      Damit hätte sie das Gespräch beenden müssen, aber sie konnte sich eine Frage nicht verkneifen. »Haben Sie eine Ahnung, wer diese Briefe geschrieben haben kann?«

      Pernilla schluchzte noch einmal auf, dann sagte sie: »Das ist das Seltsamste daran ‒ das war sie selbst.«

      »Sie selbst? Sind Sie sich da sicher?«

      »Ja. Sie hat, hatte, eine ganz besondere Schrift. Ich kenne sonst niemanden, der so schreibt. Was kann das bedeuten?«

      »Das müssen wir erst noch herausfinden. Wie geht es Ihnen sonst?«

      »Wir haben wohl noch immer nicht richtig verstanden, dass sie nie wieder nach Hause kommen wird. Jetzt sind gerade Bekannte hier, wir reden über alles, es ist fast unwirklich.«

      Sie verabschiedeten sich, und Monika stützte den Kopf in die Hände.

      »Zuerst lebensgefährliche geheime Liebhaber und jetzt Drohbriefe. Das war Pernilla, sie hatte sie auf Lotties Schreibtisch gefunden. Sie glaubt, dass Lottie sie selbst geschrieben hat.«

      »Fahren wir heute Abend hin?«

      Er schien es kaum erwarten zu können, und Monika fand es immerhin positiv, dass er sich für die Arbeit interessierte, statt einfach nur nach Hause zu wollen.

      »Ich muss leider zu einem Familienessen. Wir müssen das auf morgen verschieben, nach der Obduktion. Lotties Zimmer ist jetzt abgeschlossen, deshalb ist es nicht ganz so eilig.«

      Sie wusste nicht, warum sie Idriss belogen hatte, und vielleicht hätte sie auch nicht vorgeben sollen, dass sie alles unter Kontrolle hatten, aber er nickte nur und erklärte, er werde auch bald nach Hause gehen. Aus der Türöffnung winkte er ihr freundlich zu.

      »Wir sehen uns morgen.«

      Die Worte klangen in Monikas Ohren fast wie eine Drohung.

      8

      Der Karlaväg. Eine Prachtstraße, einst als Boulevard geplant, und eine Adresse für Menschen, die sich ihren Wohnort aussuchen können. Als sie in der U-Bahnhaltestelle auf der Rolltreppe stand, fluchte Monika stumm und wenig kreativ. Sie hätte jetzt in der Storgata die Drohbriefe durchsehen müssen, die Pernilla gefunden hatte, und wenn das nicht möglich gewesen wäre, weiterhin auf der Wache sitzen und die Ereignisse des Tages durchgehen, Notizen lesen, aus Gedanken und Tatsachen ein Fundament bauen sollen, auf dem die Arbeit des kommenden Tages aufbauen könnte. Stattdessen war sie unterwegs zu einem völlig nebulösen Termin, der zwei Stunden von ihrer ohnehin schon knappen Zeit verschlingen würde. Es machte ihr Angst, dass sie bereit war ihre Arbeit zu opfern, um das Gefühl zu haben, noch immer ein wenig an Mikaels Alltag teilnehmen zu dürfen.

      Oben auf dem Karlaplan war es so kalt und dunkel wie in Kungsholmen, und Monika dachte mit ungewohnter Schadenfreude, dass manche sich zwar von Urin und Graffiti in der U-Bahn freikaufen konnten, nicht aber vom Klima. Sie bog nach rechts in