Mord in Key West. C.S. Poe. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: C.S. Poe
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783960894131
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hat ihn da nur versteckt?“

      Ich schüttelte den Kopf. „Keine Ahnung …“

      „Glaubst du, er wurde ermordet?“

      „Ermordet?“, wiederholte ich und sah ihn an. „Wie kommst du darauf?“

      „Jemand hat sich die Mühe gemacht, die Leiche zu verstecken“, entgegnete er. „Wer tut das, wenn jemand auf natürlichem Weg stirbt?“

      „Da hast du wohl recht.“ Ich bemerkte, dass Adam mir einige nervöse Seitenblicke zuwarf. „Was ist?“

      „Ich weiß, dass es nur ein Aberglaube der Gegend ist …“

      „Nein“, unterbrach ich ihn. „Sag es nicht.“

      „Aber alle sagen, in dem Haus spukt es“, protestierte Adam.

      „Nein. Tess vom Key Lime & Forever sagt das.“ Ich deutete auf die Konditorei auf der anderen Straßenseite.

      „Alle sagen es, Aubs“, widersprach Adam. „Alle Einheimischen glauben, es ist Captain Smith.“

      „Herb nicht“, antwortete ich und zeigte auf die Veranda.

      Adam verdrehte die Augen. „Herb glaubt auch nicht an antibakterielle Seife.“

      „Was?“

      „Ich meine ja nur: Wenn es Geister gibt, hätte dieser doch einen Grund, in dem Haus zu spuken, nachdem sein Körper für mehr als hundert Jahre in eine Wand gestopft wurde.“

      „Adam“, begann ich. „Ich verwalte dieses Haus seit zwei Jahren. Ich habe hier mehr Zeit verbracht als in meinem eigenen. Ich kann dir mit Sicherheit sagen, dass es nicht spukt.“

      „Du bist ein zynischer New Yorker – was solltest du da sonst sagen?“

      „Ich bin nicht zynisch.“

      „Ich hab schon einiges gesehen“, beharrte Adam. „Nicht hier, aber im Haus meiner Großmutter. Es war alt. Und damit meine ich aus der Zeit des Unabhängigkeitskriegs. Und manchmal, nachts … habe ich auf der Treppe jemanden mit schweren Stiefeln gehört. Nur wir zwei haben da gewohnt und meine Großmutter ist so groß wie du. Sie hat ganz sicher nicht so gestampft. Einmal“, fuhr er fort, „bin ich aufgestanden und habe beschlossen, dem Geräusch zu folgen.“

      Eine sanfte Brise brachte die Blätter der Breiapfelbäume zum Rascheln. Einige Früchte lösten sich und landeten geräuschvoll auf dem gepflasterten Weg. Das morgendliche Murmeln und Lachen der Touristen erfüllte allmählich die Straßen außerhalb des weißen Lattenzauns, doch es klang … fern. Als wären wir davor abgeschirmt.

      „Im Wohnzimmer stand ein Mann“, sagte Adam. Er war blass geworden und leckte sich über die Lippen. „Er stand einfach da, Aubs. Mit einer Muskete über der Schulter und einem alten Hut auf dem Kopf. Er hat sich umgedreht, mich angesehen und klar und deutlich gesagt: ‚Ich muss kämpfen gehen‘.“

      Ich glaubte nicht an Geister.

      Und ich glaubte Adam nicht.

      Aber mittlerweile kannten wir uns recht gut und der Junge war zu nett, um zu lügen. Daher war seine Geschichte … beunruhigend.

      Ein unwillkommener Schauer lief mir über den Rücken.

      „Mr Grant?“

      Ich zuckte zusammen, als ich meinen Namen hörte, woraufhin Adam mir eine Hand auf die Schulter legte. Der Schutzschirm um uns herum löste sich auf und der Lärm eines geschäftigen Key-West-Morgens drang wieder in den Garten. Hinter dem Zaun stand ein Polizist in Zivil.

      „Oh, ja. Das bin ich. Danke, dass Sie gekommen sind.“ Ich entfernte mich von Adam, um das Tor aufzuschließen und den Mann in den Garten zu lassen.

      „Detective Tillman. Man hat mir mitgeteilt, auf dem Grundstück befände sich eine Leiche“, sagte er. Es handelte sich um einen großen (na ja, im Vergleich zu mir war das jeder), schlanken Mann. Braunes Haar, leicht sonnengebräunt und ohne Besonderheiten. Nicht hässlich oder so, aber eben jemand, der in einer Menschenmenge leicht unterging. Wenn man von seinen Augen absah. Ihr Blick war scharf wie eine Glasscherbe. Eindeutig ein Polizist, selbst in Stoffhose und Hemd.

      „Glauben Sie mir, wenn bald Oktober wäre, hätte ich es für einen Streich gehalten. Aber das hier ist echt.“

      „Schon viele Leichen gesehen, Mr Grant?“

      Ich zog eine Augenbraue hoch. „Ich weiß genug über die menschliche Anatomie, um ein Plastikskelett aus dem Supermarkt vom Original unterscheiden zu können.“

      Tillman presste die Lippen aufeinander.

      Ja, ich konnte auch frech sein, Kumpel.

      „Würden Sie es mir zeigen?“

      Ich nickte und führte ihn zur Veranda, wo ich Herbs Schnarchen ignorierte, während ich beide Türen aufschloss und das Haus betrat. „Es befindet sich im zweiten Stock“, sagte ich und begann, die Treppe hinaufzusteigen.

      „Wie genau haben Sie es entdeckt, Mr Grant?“, fragte Tillman.

      „Aubrey“, sagte ich nachdrücklich über meine Schulter. „Und ich hatte vor, die alte Tapete im Wandschrank zu entfernen. Dabei muss ich wohl einen Riegel berührt haben, ein Stück Wand hat nachgegeben und Skelli – ähm, er oder sie ist aus der Lücke gefallen.“

      „Finden Sie in dem Haus oft Verstecke?“

      „Nein, üblich ist das nicht gerade.“

      Ich führte Tillman durch den Flur des ersten Stocks und eine weitere Treppe hinauf. Als wir die zweite Etage erreicht hatten, näherte ich mich dem Schrank.

      Das Skelett war verschwunden.

      Kapitel 2

      DETECTIVE TILLMAN zog eine Augenbraue hoch.

      „Warten Sie. Es war genau hier. Wie ist …?“ Ich betrat den schmalen Schrank und drehte mich im Kreis. „Das verstehe ich nicht. Es war hier. Sehen Sie, in der Nische“, protestierte ich und zeigte auf die leere Lücke in der Wand.

      „Ich verstehe“, antwortete Tillman in einem so unbegeisterten Tonfall.

      „Das ist kein Scherz. Als ich es gefunden hatte, bin ich sofort aus dem Haus gelaufen. Das Haus war abgeschlossen – Sie haben es selbst gesehen. Niemand hat es betreten oder verlassen, bis Sie eingetroffen sind.“

      „Und Herb hat die Tür bewacht?“

      „Na ja, schon, aber …“

      „Er könnte auch einen Orkan verschlafen“, sagte Tillman.

      Ich verließ den Schrank und drehte mich um, damit ich in den dunklen kleinen Raum blicken konnte. „Es war hier.“

      Tillman atmete geräuschvoll aus. „Wie man sich erzählt, leiden Sie unter Narkolepsie. Stimmt das?“

      „Wie bitte?“ Ich sah ihn an. „Was soll das hiermit zu tun haben?“

      „Ich habe gehört, dass Narkolepsie Halluzinationen auslösen kann.“

      „Nicht während ich vollkommen wach bin und meiner Arbeit nachgehe“, widersprach ich. Meine Wangen erwärmten sich, als mein Blutdruck stieg. „Sie werden als hypnagoge oder hypnopompe Halluzinationen bezeichnet und kommen beim Einschlafen vor oder wenn ich gerade aufwache.“

      „Vielleicht waren Sie dann schläfrig?“, gab Tillman zu bedenken.

      „Ich war absolut wach“, zischte ich. „Und bei allem Respekt, meine Schlafstörung geht Sie nichts an.“

      Das stimmte natürlich. Doch letztendlich handelte es sich bei Key West um eine kleine Stadt, in der Leute alles mögliche Zeug über andere wussten. Und da ich Verwalter einer der wichtigsten historischen Attraktionen der Insel war, kannte so ziemlich jeder den Schwanz liebenden Narkoleptiker, der eine pinkfarbene Vespa fuhr. Es war unvermeidlich.

      Tillman