Tilo und Merle springen aus dem Auto. Sie rennen laut jubelnd auf Oma zu. Oma erwartet sie schon mit offenen Armen. Sie drücken Oma ganz fest, denn es ist schön, sie wiederzusehen. Auch Oma freut sich riesig. Das sieht man an ihren strahlenden Augen.
Papa lässt Sammy aus dem Kofferraum. Sammy schießt schwanzwedelnd auf Omas Garten zu und verschwindet zwischen den Büschen.
„Den sehen wir so bald nicht wieder“, lacht Tilo.
Oma ruft Tilo und Merle ins Haus. Dort warten schon die Cousins und Cousinen. Da sind Tina und Lisa, Annemarie und Theo und natürlich Joshua und Edgar. Die Kinder begrüßen sich stürmisch und haben sich ganz viel zu erzählen.
„Ich hab ein Puppenhaus zum Geburtstag bekommen“, sagt Lisa.
„Ich wünsche mir eine Rennbahn“, erklärt Theo.
„Ich hab ganz viele Tore beim Fußball geschossen“, prahlt Edgar.
Schließlich haben sie alle Neuigkeiten ausgetauscht (was eine ganze Zeit gedauert hat) und Oma klatscht in die Hände. „So meine Lieben. Die Ostereier sind im Garten versteckt. Ich habe sie in kleine Nester gelegt, damit sie nicht dreckig werden.“
„Geht es jetzt los?“, fragt Annemarie hektisch.
„Auf 3“, sagt Oma. „1, 2, … 3!“
Unter wildem Geschrei rennen die Kinder in den Garten.
„Ganz viele!“, brüllt Edgar.
„Edgar muss immer ganz viel haben. Dabei teilen sie doch die Eier am Ende sowieso gerecht auf“, denkt sich Tilo. Tilo rennt zuerst zu den Blumenkübeln und schaut dahinter nach.
Hinter den Blumenkübeln versteckt Oma jedes Jahr ein Nest. Aber zu Tilos großer Verwunderung ist dort diesmal keines zu finden. Dann hat Oma sich wohl etwas Neues einfallen lassen. Tilo schlägt sich in die dichten Büsche von Omas wild wucherndem Garten. Er guckt unter jeden Zweig und jedes Blatt. Aber kein Nest mit Eiern ist zu finden. Doch was ist das? Tilo schaut nach oben und sieht ein Nest in den Ästen einer Eiche. Sofort beginnt er, den Baum hinaufzuklettern. Tilo kann gut klettern. Deshalb hat er das Nest schnell erreicht.
„So ein Mist“, schimpft Tilo.
Er hat kein Nest mit Schokoladeneiern gefunden, sondern ein Vogelnest mit echten Vogeleiern. Tilo hört ein wütendes Zetern. Die Amselmama hüpft aufgeregt auf einem Ast umher. „Tut mir leid“, entschuldigt sich Tilo. „Ich lasse deine Kinder ja schon in Ruhe.“
Er klettert wieder vom Baum herunter und sucht weiter. Aber er findet und findet einfach nichts.
Da kommt ihm Edgar durch die Büsche entgegengerannt. Er ist ganz aufgeregt. „Hey Tilo, hast du schon was gefunden? Ich hab noch gar nichts gefunden, dabei will ich doch ganz viele Nester finden!“
„Das ist äußerst merkwürdig“, findet Tilo. „Edgar will nicht nur immer ganz viel finden, er findet auch immer ganz viel mehr als alle anderen. Wenn Edgar keine Nester findet, dann muss da was faul sein.“
Tilo und Edgar kämpfen sich aus dem wilden Garten und suchen nach Oma. Dabei treffen sie die anderen Cousins und Cousinen. Auch sie haben kein einziges Nest mit Eiern gefunden.
Oma schaut sie verwundert an. „Habt ihr etwa schon alle Eier aufgegessen?“
„Nein, Oma. Wir haben gar keine gefunden“, antwortet Tilo.
„Warum das denn nicht?“, wundert sich Oma. „Einige Verstecke waren doch wirklich einfach. Zum Beispiel das hinter den Blumenkübeln.“
„Aber ich habe hinter alle Blumenkübel geguckt und nichts gefunden“, meint Tilo. Er ist sich ganz sicher. Da ist doch irgendetwas faul.
„Vielleicht hat Theo sich ja alle unter den Nagel gerissen und will sie jetzt nicht hergeben“, sagt Joshua vorwurfsvoll.
„Hab ich gar nicht! Bestimmt hast du die Eier!“, motzt Theo zurück.
„Jetzt ist aber Schluss!“, schimpft Oma. „Keiner hat hier irgendetwas gestohlen.“
„Da wär ich mir nicht so sicher“, sagt Tilo.
Alle schauen ihn verwirrt an. Was kann er damit nur meinen?
Tilo zeigt auf Sammy, der gerade an ihnen vorbeistürmt. „Ich habe da einen Verdächtigen. Sammy klaut bei uns zu Hause immer die Schuhe und versteckt sie. Also warum nicht auch Osternester?“
Das leuchtet allen ein und schnell laufen sie Sammy hinterher. Das ist gar nicht so einfach, weil er kreuz und quer durch den Garten wirbelt.
Doch endlich macht Sammy an einem kleinen Busch in der hintersten Ecke des Gartens halt und lässt einen Stock, den er im Maul hatte, darunter verschwinden.
„Wenn unter dem Busch mal nicht noch ein paar andere Sachen liegen“, meint Tilo.
Edgar drängelt sich nach vorne und guckt unter den Busch. „Oh! Da sind ganz viele Ostereier drunter.“ Edgar ist begeistert.
Auch die anderen Kinder freuen sich und jeder nimmt sich drei Nester. Edgar versucht sich noch ein Viertes unter den Nagel zu reißen, aber das bemerken die anderen Kinder rechtzeitig und hindern ihn daran. Die Kinder laufen zurück zu Oma und zeigen ihr die Eier. Oma lacht herzlich und meint: „Da war Sammy euch wohl um eine Schnauzenlänge voraus.“
Auch die Kinder lachen.
„So, wer will Kuchen und Kekse?“, fragt Oma.
Eine jubelnde Menge antwortet ihr.
Nach dem Essen spielen die Kinder ausgiebig miteinander. Bis auf einen kleinen Streit zwischen Joshua und Edgar macht das riesigen Spaß. Doch auch ein solcher Tag muss zu Ende gehen. Abends verabschieden sich alle voneinander und machen sich auf den Heimweg.
Und wie immer findet Tilo, dass es ein ganz besonderes Ostern gewesen ist.
Silas Matthes wurde 1992 in Hamburg geboren. Derzeit strebt er das Abitur 2011 an. Schon früh entdeckte er seine Leidenschaft für das geschriebene Wort. Selbst schreibt er allerdings erst seit 2010. Neben vielen Kurzgeschichten arbeitet er an seinem Romandebüt „Die Essenz der Dunkelheit“, einem Fantasy-Roman für Jugendliche und junge Erwachsene, der sich mit den dunklen Seiten des menschlichen Herzens befasst.
*
Das Wunschei
Es ist Ostersonntag. Miriam geht mit ihrem Hund Randy an der Mosel spazieren.
„Mein Gott, Randy! Zieh doch nicht so, ich kann dich ja kaum noch halten.“
Randy zerrt Miriam in ein Gebüsch, schnuppert interessiert und beginnt zu graben.
„Randy? Was machst du denn da? Komm wir müssen weiter.“
Doch Randy buddelt unbeirrt weiter. Plötzlich bellt er. Er hat etwas gefunden. Mit seinen Pfoten hat er ein goldenes Ei freigelegt. Er schiebt es auf die Straße.
„Was ist das denn?“, fragt Miriam und nimmt das Ei in die Hand. Auf der goldenen Schale steht mit silberner Farbe die Zahl drei. Miriam steckt das Ei in ihre Tasche und nimmt es mit nach Hause.
„Miriam! Da bist du ja endlich, wir warten schon auf dich. Wir wollen jetzt in den Garten gehen die Ostereier suchen“, sagt Miriams Mutter Klara, als sie zur Haustür reinkommt.
Gemeinsam mit ihren Eltern und ihren Brüdern, Ben und Alexander, geht sie in den Garten.
„Dieses Jahr sind die Verstecke echt gut, ich denke nicht, dass ihr alle finden werdet“, sagt Miriams Vater.
Miriam und ihre Brüder veranstalteten jedes Jahr einen kleinen Wettbewerb. Wer die meisten Eier findet, der gewinnt. Miriam hat bisher immer verloren.
Schnell beginnt Miriam zu suchen, doch ihre Brüder sind wie