Als aber Hans einen drohenden Blick hinüberwarf und Klara, die ein handfestes Mädchen war, dem vorlauten Felix einen Puff gab, schwieg er, umsomehr, als Otto ihm das jetzt blaue Ei unter die Nase hielt.
Am meisten Beifall fanden Ottos Schweinchen. Dick und vergnügt standen sie da mit ihren langen Ohren und Ringelschwänzchen. Aber ihr Wohlbefinden dauerte nur kurz. Unter kläglichem Geschrei magerten sie zusehends ab; das Schwänzchen senkte sich trübselig; sie schrumpften ganz ein, sanken zusammen, erst das eine, dann die zwei andern und legten mit einem letzten Quiek den Kopf auf den Boden. Als Otto sie aufhob, bestanden sie nur noch aus Haut, Ohren und Schwanz.
„Noch einmal, noch einmal!“ riefen die Kinder.
Immer wieder mußte Otto die Schweinchen rund werden und sterben lassen.
Dann kam die Pause. Die Zuschauer wurden aufgefordert, in der Holzkammer zu warten, wo Otto sie einsperrte. Als er sie nach einer Weile herausholte, war das vorgespannte Leintuch im hintern Teil des Hausganges weggenommen, und man erblickte das Puppentheater. Links auf der Bühne neben dem zweiten Geranienbusch stand Siegfried, sein Tierfell über den Schultern; neben ihm war im braunen Kittel der bucklige Zwerg zu sehen.
Still vor Erwartung nahm das Publikum auf den bereitgestellten Bänken und Stühlen Platz. In der Höhe quer über dem Walde und zu beiden Seiten waren Vorhänge angebracht. Dahinter hörte man leise flüstern; das machte die Sache noch geheimnisvoller.
„Zwerg!“ begann jetzt Siegfried laut. „Du hast gesagt, du wollest mich das Fürchten lehren!“ Hans rückte, während er sprach, den Siegfried am Drahte gegen die Mitte vor.
Der Zwerg rutschte an Siegfrieds Seite und fragte ihn, ob er sich denn wirklich noch nie gefürchtet habe im dunkeln Wald, wo die reißenden Tiere herumschleichen. Marianne, die für den Zwerg sprach, nahm eine sehr hohe Stimme an, wie es zu der kleinen Gestalt paßte. Siegfried aber lachte:
„Hahaha! Die wilden Tiere! Erst gestern habe ich einen Bären bezwungen und ihn festgebunden, so daß er mir nachfolgen mußte wie ein Hündchen!“
„Siegfried“, erwiderte der Zwerg, „wenn du so tapfer bist, so suche doch den Drachen auf, der hier haust, und erschlage ihn! Dann wärst du der größte Held der Welt und würdest die Schätze gewinnen, die er bewacht.“
Der Zwerg beschrieb dem Siegfried die Pracht der Goldgeschmeide.
„Dort hinten wohnt er in der Felsenhöhle. Ich muß jetzt gehen. Lebe wohl.“
Arglistig kichernd zog sich der Zwerg gegen die Laurusstöcke zurück, indem er leise für sich sagte:
„Wenn es nur so käme, daß sie sich beide umbrächten, dann würde ich der Besitzer des Schatzes werden!“
Damit verschwand er.
Siegfried aber eilte kampflustig der Felshöhle zu, die unter dem Gummibaum sichtbar war. Da begegnete ihm etwas Fatales: Er verfing sich in einem Zweige und fiel der Länge nach hin.
„Hoppla!“ rief Felix Scharrelbach. „So geht’s, wenn man nicht acht gibt!“
„Still!“ riefen die andern, die in höchster Spannung auf den Kampf mit dem Drachen warteten.
„He, man wird wohl noch etwas sagen dürfen!“
„Nein! Still! wenn’s jetzt grad so schön wird!“
Felix bekam von links und rechts Püffe und Vorwürfe.
Siegfried hatte sich rasch wieder erhoben und versuchte, weiter zu sprechen. Doch der Tumult unter den Zuschauern wuchs. Felix setzte sich lärmend zur Wehr:
„Mach du, daß du aufhörst!“ schrie er seinem Nachbarn zu.
„Hör du zuerst auf! Du, mit deinen Sonnenblumenkernen!“
„Und du mit deinem Zweier —“
Felix stieß an die Bank, so daß die Spenglerkinder fast herunterfielen und zu weinen begannen. Es gab ein allgemeines Geschrei und Gepolter.
Hans, Otto und Marianne waren empört. Hans ließ den Siegfried neben dem Gummibaum stehen und trat hervor.
„Wenn ihr nicht sogleich Ruhe gebt, so hören wir ganz auf und jagen euch alle fort!“
„Man braucht bloß den Felix hinauszutun, Hans!“ rief Lehrers Bernhard. „Sollen wir —?“ Ein halbes Dutzend Hände packten bereitwillig an.
Das half denn doch. Felix setzte sich und knurrte bloß noch ein wenig. Nach verschiedenen Sßt —! Sßt —! wurde es ruhig, und alle Augen wandten sich wieder dem Theater zu, wo das Schauspiel nun seinen Fortgang nahm.
Siegfried stand furchtlos unter dem Baume; aber in der Drachenhöhle begann es sich zu regen, und plötzlich ertönte von ihr her ein furchtbares Gähnen:
„U — ah!“
Edith hatte das zuhause besonders geübt; denn Hans hatte gesagt, es gehöre dazu. Es klang ungemein natürlich. Bernhards kleiner Bruder wurde sogar angesteckt und gähnte laut nach, was man aber weiter nicht beachtete; denn jetzt streckte der Drache den Kopf zwischen den Steinen hervor.
Siegfried näherte sich und rief:
„Was ist denn das für ein seltsames Tier?“
„Komm nur her!“ antwortete der Drache. Edith machte ihre Sache sehr gut. Sie sprach mit einer so unheimlich dumpfen Stimme, daß die Spenglerskinder näher an die Schwester hinrückten und mit ängstlichen Augen guckten, was nun begegne.
„Komm nur her, damit ich dich verschlinge!“
Siegfried aber lachte:
„Wir wollen sehen, ob dir das gelingt, oder ob du nicht vielmehr von mir getötet wirst!“
Drohend fuhr der Drache zwischen den Felsen hin und her und schoß dann gegen Siegfried. Aber dieser wußte ihm auszuweichen, indem er in weitem Sprung über ihn wegsetzte. Dann drang er plötzlich auf das Untier ein und traf ihn mit einem offenbar tödlichen Stich; denn der Drache brüllte laut auf und legte sich mit einem Ruck auf die Seite.
„Ich sterbe!“ stöhnte er. „Aber ich verzeihe dir und gebe dir noch einen Rat: Traue dem Zwerge nicht! Er ist falsch!“
Siegfried betrachtete den toten Lindwurm; dann trat er hinter den Felsen, um die Schätze zu holen.
Vorsichtig kam nun der Zwerg wieder hinter dem Lauras hervor.
„Aha!“ sagte er leise. „Es scheint, daß Siegfried den Drachen getötet hat; aber er selbst ist am Leben geblieben. Jetzt muß ich versuchen, ihn zu vergiften.“
Siegfried erschien mit den Ringen und Ketten behängt. Sowie er jedoch den Zwerg erblickte, rief er:
„Ha! Zwerg! ich kenne jetzt deine Gedanken. Du hast Böses gegen mich im Sinn! Da nimm deinen Lohn!“
Er drang auf den Zwerg ein, und alsbald stürzte dieser erschlagen hin, womit das Stück schloß. Siegfried stand stolz mit seinem Schwert und seinem Gold zwischen dem toten Drachen und dem toten Zwerg, und der Vorhang fiel herunter.
Das war aber schön gewesen! Lehrers Bernhard, den sein Vater einmal ins Theater mitgenommen hatte, wußte, was Brauch war. Er fing an zu klatschen, und alle klatschten mit, so stark sie konnten, und die vorn auf der Kiste saßen, trommelten mit den Füßen.
In diesem Augenblick trat Ottos und Trudis Papa zur Haustüre herein.
„Papa! Onkel! grade ist es aus! Aber wir spielen es dir und Mama heut abend noch einmal!“
„Gut!“ sagte Onkel Doktor. Dann jedoch fiel sein Blick auf den Teller mit dem Geld.
„Was soll denn das sein? Ihr habt doch den Kindern nicht im Ernst Geld abgenommen? Was fällt euch ein? Das geht nicht!“
Die fünf machten verlegene Gesichter. Das war grade so nett gewesen, das Eintrittsgeld! Mit dem Zwanziger, den Edith