Sie warfen einen Blick in die Scheune, bevor sie zurückfuhren. Da stand der Opel Rekord. Frisch geputzt und blank gewienert und noch mit dem Originallack. Therkelsen sah auf den Kilometerzähler.
»Knapp achtzigtausend«, sagte er. »Ich möchte darauf wetten, dass der bei Regenwetter nicht vor die Tür kommt!«
»Und wenn doch, wird er anschließend gewaschen«, sagte Høyer mit einem kleinen Lächeln.
»Was für ein widerlicher Typ«, sagte Therkelsen, als sie sich in ihr eigenes Auto setzten.
»Jedenfalls hat er das Fass zum Überlaufen gebrächt«, sagte Høyer. »Ist dir eigentlich aufgefallen, dass alle seine Formulierungen fast wortwörtlich in Jens Olsens Brief vorkommen? Nur ein bisschen abgewandelt.«
»Ja, und ob!«, sagte Therkelsen. »Was war das eigentlich für ein Ausdruck, den er da gebraucht hat? Das mit ›an Vaters statt‹?«
Høyer lachte. »In loco parentis. Ich denke, das bedeutet an Elternstelle, aber ich kann kein Latein, deshalb ist es möglich, dass er Recht hat. Auch wenn ich nicht darauf wetten würde, dass er Latein kann. Ich würde aber darauf wetten, dass er es aus Stilk und Kompanie hat. Das habe ich selbst.«
»Und was ist Stilk und Kompanie?«, fragte Therkelsen.
»Du willst doch nicht behaupten, dass es das zu deiner Zeit nicht gegeben hat. Das ist ein Jungenbuch.«
»Jedenfalls kann ich mich nicht daran erinnern«, sagte Therkelsen.
»Dann hast du es auch nicht gelesen«, sagte Høyer. »Sonst könntest du dich daran erinnern.«
Therkelsen war in Gedanken versunken.
»Die Frage ist, ob die Stieftochter überhaupt das eigentliche Problem war. Aber ...«
»Genau«, unterbrach ihn Høyer. »Oder ob es etwas ganz anderes war. Etwas viel Ernsteres.«
»Ihm stand schließlich ein Auto zur Verfügung«, dachte Therkelsen laut. »Mehr oder weniger.«
»Ja, aber vielleicht nicht zu dem Zeitpunkt. Das wird uns Carl Hansens Frau hoffentlich morgen sagen können. Und außerdem ist es nicht ausgeschlossen, dass Karen Olsen wieder zu Bewusstsein kommt und uns das eine oder andere erzählen kann.«
»Thorsen schien nicht daran zu glauben, dass sie es schafft«, sagte Therkelsen.
»Man kann nie wissen«, sagte Høyer. »Vielleicht ist es nicht ganz so schlimm, wie es aussah. Wir können zumindest anrufen und hören, was die Arzte sagen. Wenn sie nicht schon ...«
»Und dann sollten wir uns den Fall Bettina wohl noch einmal vornehmen«, sagte Therkelsen. Er schwieg kurz, dann fuhr er fort. »In gewisser Weise wäre es gut, wenn er es war. Ich meine, dann wäre der Fall endlich abgeschlossen.«
Høyer nickte. Zweifellos wäre das gut. Dies war einer der Fälle, an die er nicht gerne dachte. Es gab zu viele lose Enden und insgeheim meinte er, dass das zum Teil an der Polizei lag.
Er seufzte leicht.
Høyer setzte einen Schlusspunkt unter das Protokoll und las es schnell noch einmal durch, dann griff er nach dem Telefonbuch und suchte die Nummer des Krankenhauses heraus.
Eine helle, leicht abgehetzte Stimme meldete sich. Die Person war nicht sonderlich mitteilsam, aber vielleicht gab es darüber hinaus, dass Karen Olsen gerade aus dem OP auf die Intensivstation gebracht worden war und möglicherweise eine Überlebenschance hatte, auch nicht viel zu sagen.
»Tja«, sagte Therkelsen, als Høyer es ihm erzählte. »Vielleicht sollte man ihr gar nicht wünschen, dass sie durchkommt.«
»Vielleicht«, sagte Høyer. »Andererseits ... es ist schon erstaunlich, was ein Mensch aushalten kann.«
»Ja, aber trotzdem«, wandte Therkelsen ein. »Vier Kinder! Da muss sie doch den Verstand verlieren!«
»Vielleicht«, sagte Høyer.
»Fährst du morgen hin?«, fragte Therkelsen.
»Ja, ich denke, ich werde morgen früh vorbeischauen. Es liegt sowieso fast auf dem Weg.« Plötzlich fiel Høyer etwas ein. »Übrigens, sag mal, diese Tochter, von der Carl Hansen gesprochen hat, man hat sie doch hoffentlich benachrichtigt?«
»Du kannst ganz beruhigt sein. Dafür hat Thorsen gesorgt. Auf ihn ist Verlass.«
»Ja, er ist okay. Weiß Gott, wen wir bekommen, wenn er geht.«
»Keinen neuen Thorsen«, sagte Therkelsen. »Dieses Modell wird nicht mehr hergestellt. Wir gehören zu den letzten.«
»Angeber!«, lachte Høyer. Er sah auf seine Uhr. Es war fast sieben.
»Nun, lassen wir es für heute gut sein«, sagte er. Er lehnte sich auf dem Stuhl zurück und streckte sich ausgiebig. Dann stand er auf und nahm seinen Mantel.
»Willst du nicht mit zu uns zum Essen kommen?«, fragte Therkelsen.
Einen kurzen Moment geriet Høyer in Versuchung. Der Gedanke, in ein leeres Haus zu kommen, war nicht sehr verlockend. Aber Therkelsens Kinder waren heute Abend auch nicht sein Fall. Er schüttelte den Kopf. »Nein danke. Heute nicht. Ich denke, ich nehme ein schönes warmes Bad und gehe zeitig ins Bett.«
Er ging zum Schreibtisch und griff nach Sofies Osterbrief. Einen Augenblick stand er gedankenversunken da. Sofie war ein Jahr alt. Etwa im gleichen Alter wie das Baby im Doppelbett. Unfassbar.
Er räusperte sich und steckte den Brief sorgfältig in seine Mappe. Und er hatte heute Morgen gesagt, dass das ein guter Tag werden würde.
Nein, der Mittwoch war und blieb ein grauer Tag.
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