„Du sagst es, Ed.“
Der Marsch ging weiter, bis zum späten Nachmittag. Da begann der Leitbulle wieder röhrend laut zu trompeten. Er hob den Rüssel und schwenkte ihn durch die Luft.
„Er wittert wieder etwas“, sagte Batuti.
„Kein Wunder bei der langen Nase“, meinte Carberry. „Wenn ich so einen Rüssel hätte, würde ich sogar die nächste Kneipe wittern.“
Aus der Ferne antwortete ein anderer Elefant.
„Sie sind vor uns“, sagte der Mahaut. „In einer halben Stunde treffen wir auf die heiligen Männer.“
„Na dann“, meinte Hasard. „Hoffentlich sind die Kerle einsichtig, sonst müssen wir uns das Gold mit Gewalt holen, und das möchte ich gern vermeiden. Es hat schon genug Tote deshalb gegeben.“
„Wir werden sie überzeugen“, versprach der Mahaut.
Hasard war da noch etwas skeptisch, wenn er an die religiösen Eiferer dachte, die völlig unberechenbar waren.
Dort, wo der Dschungel für eine Weile endete und Kampfer- und Zimtbäume wuchsen, stießen sie auf die Gruppe.
Hasard schätzte sie nach einem kurzen Blick auf insgesamt vierzig Männer.
Die Fanatiker blieben mit ihren beiden Elefanten stehen. Die anderen Kerle setzten ihre schweren Lasten ab. Sie waren mit Krummdolchen bewaffnet, die sie in ihren Lendenschurzen trugen.
„Wir werden verhandeln“, sagte der Mahaut. „Und wenn sie nicht einsichtig sind, lassen wir die Elefanten auf sie los. So hat es mein Herr befohlen, und so werden wir es halten.“
„Zuerst verhandeln“, sagte der Seewolf. „Weist auf den Sultan von Golkonda hin, auf Ischwar Singh und den großen Akbar, für den das Gold bestimmt ist.“
Die Fanatiker waren mißtrauisch, als sich ihnen die Männer näherten. Ihre Finger lagen wie gekrümmte Klauen um die Krummdolche.
Der Mahaut ließ die Elefanten ganz langsam auf sie zutraben. Die Kerle wichen nur zögernd zurück, gleich darauf flogen unverständliche Wortfetzen durch die Luft.
„Sieht ganz so aus, als würde es gleich losgehen“, meinte Ferris. „Ein paar von diesen Gesichtern habe ich noch in Erinnerung, besonders den alten Kerl mit dem Bart.“
Die Seewölfe stiegen ab. Sie trugen ihre Pistolen, aber noch bestand kein Grund zum Eingreifen.
Fünf Mahauts waren jetzt bei den Kerlen und redeten anfangs ruhig, dann immer hitziger auf sie ein.
„Versteht ihr etwas?“ fragte Hasard seine Söhne.
„Nur, daß da ein paar Namen gefallen sind“, antwortete Philip. „Jene, die du genannt hast, Dad.“
„Hoffentlich zeigen sie Wirkung.“
Es sah nicht so aus. Die Kerle schrien sich gegenseitig mit hochroten Köpfen an und palaverten wild drauflos.
„Verdammt, wenn man sie nur verstehen könnte“, sagte der Profos. „Aber man steht wie ein Idiot daneben und kapiert kein Wort.“
Die Mahauts deuteten auf die Ballen und Kisten. Etliche von ihnen hingen noch bei den Elefanten.
Der Alte mit dem Bartgestrüpp, der Malindi Rama getötet hatte, benahm sich am verrücktesten. Seine dürren Hände fuhren durch die Luft und seine Stimme wurde immer schriller bei dem Wortgefecht. Er schien nicht einsichtig zu sein und begann mit heiserer Stimme zu kreischen.
Das Gesicht des Mahaut lief dunkelrot an. Abrupt wandte er sich an Hasards Söhne, die wieder übersetzen mußten.
„Er sagt, wir hätten es nur auf den Zahn abgesehen, und davon läßt er sich nicht abbringen.“
„Den Zahn kann er sich sonstwohin stecken!“ brüllte Hasard, der plötzlich in Wut geriet. „Der interessiert uns absolut nicht. Wir wollen lediglich das Gold.“
Die Kerle schwiegen entsetzt und starrten den Seewolf an. So eine Donnerstimme, die den ganzen Dschungel erfüllte, hatten sie noch nie gehört. Dagegen war selbst das Organ des Profosen Edwin Carberry ein sanftes Zwitschern.
Völlig verdattert starrten sie den Seewolf an.
Der Mahaut redete wieder auf sie ein. Auch zwei andere versuchten es noch einmal geduldig.
Doch der Alte war stur. Er griff sogar nach seinem Dolch und begann damit herumzufuchteln.
Einer der Mahauts hatte jetzt genug. Er steckte zwei Finger in den Mund und stieß einen schrillen Pfiff aus.
Was dann geschah, erschreckte selbst die Seewölfe.
Der Leitbulle hob plötzlich den massigen Schädel und stieß ein wütendes Trompeten aus.
Übergangslos setzte sich die Elefantenherde in Bewegung und trabte auf die Gruppe Fanatiker zu.
Sie walzten den Dschungel platt, als sich ihre gewaltigen Leiber in Bewegung setzten, und sie trompeteten so laut, daß es den Arwenacks in den Ohren schmerzte.
Diese Sprache schienen sie endlich zu verstehen, die Sprache der Gewalt, das Trampeln der Elefanten.
Der Alte flitzte wie ein Affe in den Dschungel. Er schrie aus Leibeskräften, hielt aber den Lederbeutel eng an sich gepreßt und schlug sich wie ein junger Sprinter in die Büsche.
Die anderen rasten ebenfalls auseinander, und die Arwenacks brachten sich mit wilden Sprüngen hinter dickeren Baumstämmen in Sicherheit.
Tonnenschwere Leiber rannten mit einem erstaunlichen Tempo den flüchtenden Fanatikern nach.
Hasard wandte sich ab, als er sah, daß einer der zornigen Elefanten durch ein Gebüsch walzte, einen brüllenden Kerl mit dem Rüssel umschlang und ihn voller Wut gegen einen Baum schmetterte.
„Verfluchtes Gold“, sagte er. „Nichts als Ärger hat es uns gebracht. Ich bin froh, wenn wir endlich in Madras sind.“
Zwei weitere grelle Pfiffe ertönten.
Die Elefanten waren gut abgerichtet. Sie gehorchten den Mahauts, blieben stehen und trotteten langsam zurück. Auch die beiden anderen Elefanten der Fanatiker kehrten rüsselschwingend zurück, nachdem sie ein Stück in den Dschungel gelaufen waren.
Der Platz war plötzlich wie leergefegt. Bis auf den einen Inder, der tot neben dem Baum lag, war niemand mehr zu Sehen.
„Sie werden nicht mehr zurückkehren“, sagte der Mahaut mit rollenden Augen. „Ihre Angst vor den Elefanten ist zu groß. Sie haben den Zahn und werden ihn nach Ana bringen. Wir können alles aufladen und dann zurückkehren.“
Hasard war unsagbar erleichtert.
Sie ruhten sich noch ein wenig aus, bevor sie Kisten und Ballen wieder aufluden.
„Stimmt alles überein?“ fragte der Mahaut.
Der Seewolf hatte längst nachgezählt.
„Ja, es stimmt alles“, sagte er. „Nichts fehlt.“
Eine Stunde später begaben sie sich auf den Rückweg durch den Regenwald.
Am anderen Tag gegen Abend trafen sie wieder in Mannar ein, wo sie sich bei dem Kaufmann bedankten.
Die für den Sultan von Golkonda bestimmten Schätze wurden an Bord gebracht und verstaut.
An diesem Abend waren sie Gäste des Kaufmanns in seinem großen Haus, und es gab eine Abschiedsfeier, die sich bis spät in die Nacht hinzog. In der Frühe des nächsten Tages segelten sie weiter durch die Palkstraße auf nordnordöstlichem Kurs, ihrem eigentlichen Ziel Madras entgegen.
Hasard hoffte nur, daß damit alle Zwischenfälle erledigt waren, aber noch hatten sie ihr Ziel nicht erreicht …
ENDE