Seewölfe Paket 35. Fred McMason. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Fred McMason
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783966881098
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Feuer gezeichnet.

      Der Singhalese empfand Geringschätzung. Wenn sie von ihrem Mann verlassen worden war, hatte sie es nicht anders verdient. Vermutlich war ihre Mitgift zu gering gewesen, oder der Mann war ihrer einfach überdrüssig geworden. Es gab genug Gründe.

      Draußen wurden die Stimmen lauter. Jemand rief. Malindi konnte sich ausmalen, daß die Verfolger nicht unverrichteter Dinge wieder abzogen.

      „Geh zum Fenster!“ befahl er. „Sag, daß du niemanden gesehen hast. Aber wehe, du verrätst mich!“ Er fuchtelte mit dem Dolch dicht vor ihrem Gesicht herum.

      Erst als er ihr einen heftigen Stoß versetzte, überwand sie ihre Starre. Inzwischen wurde ungeduldig an die Tür gepocht. Malindi Rama hielt sich so, daß er nicht gesehen werden konnte. Zugleich suchte er nach einem Fluchtweg für den Fall, daß seine Drohung fruchtlos blieb.

      Aber die Frau sagte genau das, was er ihr aufgetragen hatte. Sie schaffte es, die Häscher abzuwimmeln.

      Und jetzt? fragte ihr Blick, als sie sich vom Fenster umwandte.

      „Wir warten“, entschied Malindi. „Gib mir zu essen!“

      Eine Schüssel Reis war alles, was er erhielt. Mehr hatte die Frau nicht im Haus. Er aß langsam und reichte ihr schließlich die Hälfte zurück.

      „Gehst du?“ fragte sie, immer noch ängstlich.

      „Später. Wenn es dunkel ist.“

      „Warum suchen sie dich?“

      Malindi winkte gelangweilt ab. Wenn die Frau noch nicht wußte, was geschehen war, war ihm das nur recht. Er verspürte jedenfalls kein Bedürfnis, irgend etwas zu erzählen.

      Eine Zeitlang döste er vor sich hin, behielt seine unfreiwillige Gastgeberin aber ständig im Auge. Sie dachte aber nicht daran, ihm Schwierigkeiten zu bereiten, sondern schien eher erleichtert zu sein, daß er sie in Ruhe ließ. Der Singhalese empfand seine momentane Situation zwar nicht als zufriedenstellend, war jedoch einigermaßen beruhigt.

      Dann drang vom Hafen Geschützdonner heran. Dem Klang nach zu schließen, handelte es sich nur um kleine Kanonen. Griffen die Engländer Tuticorin an? Aber warum feuerten sie dann nicht mit den schweren Geschützen, die er auf dem Oberdeck gesehen hatte?

      Um sich zu beruhigen, öffnete Malindi Rama den Lederbeutel und nahm die Reliquie heraus. Das Pochen in seinen Schläfen ebbte ab. Der Zahn, von dem es unter anderem hieß, daß er die ewige Glückseligkeit schenke, hatte seine Wirkung also nach dem Diebstahl aus dem Tempel von Kandy nicht verloren.

      „Ist das …?“ Die Frau schluckte krampfhaft. „Ist das der Weisheitszahn Buddhas? Dann bist du der Dieb, von dem erzählt wird?“

      „Und wenn schon“, erwiderte Malindi schroff. „Ein solcher Schatz gehört nicht in einen Tempel, wo niemand etwas davon hat.“ Er schwieg wieder, drückte Buddhas Zahn vorsichtig an seine Stirn und beschränkte sich im übrigen darauf, die Frau auch weiterhin nicht aus den Augen zu lassen.

      Das Schlimmste hatte er inzwischen hinter sich. Morgen um die gleiche Stunde befand er sich schon auf dem Weg nach Norden, wo Hindus und Moslems den Hauptanteil der Bevölkerung bildeten und kaum jemand von Buddha sprach. Zumindest für ein oder zwei Jahre wollte er freiwillig ins Exil gehen.

      Sie saßen sich unter Deck gegenüber, in einer Kammer im Achterschiff. Durch die bleiverglasten Scheiben waren ein winziger Ausschnitt der Stadt und zwei der größeren Schiffe zu sehen, die nahe der Mole ankerten.

      Von Deck erklangen die Schritte der Wachen. Sonst war alles ruhig.

      Philip Hasard Killigrew hatte den Hauptmann der Stadtwache „gebeten“, in einem Sessel Platz zu nehmen. Er selbst stand, hatte die Arme vor der Brust überkreuzt, das Kinn auf die linke Faust gestützt und musterte den Inder eindringlich von oben herab.

      Chandra Bose fühlte sich gar nicht wohl. Das war ihm anzusehen, obwohl er sich Mühe gab, unbeteiligt zu wirken. Schon die Anwesenheit des mordshäßlichen Riesen mit dem Narbengesicht, dem Rammkinn und den gewaltigen Pranken erfüllte ihn mit Unbehagen. Außerdem waren da noch die Zwillinge, die dem Kapitän ähnelten wie ein Ei dem anderen, der Alte mit dem Holzbein, ein Mann mit silbergrauem Haar und einem eisernen Haken an Stelle der rechten Hand und einer, der dem Aussehen nach zu urteilen Portugiese sein konnte. Völlig sicher war sich Bose dieser Feststellung aber nicht.

      „Wir haben niemandem Anlaß gegeben, an unserer Friedfertigkeit zu zweifeln“, sagte der Kapitän übergangslos. „Gerade deshalb verstehe ich den Stimmungsumschwung Ihrer Leute nicht. Oder ist es in Tuticorin an der Tagesordnung, Strauchrittermethoden anzuwenden?“

      Die Zwillinge übersetzten in einem eigenwilligen Mischmasch aus Portugiesisch und indischen Ausdrücken. Chandra Boses Miene verhärtete sich daraufhin.

      „Es gibt Dinge, die lassen sich auch mit Gold nicht entschuldigen“, stieß er wütend hervor und spuckte aus.

      Carberry wollte ihm für diese Unflätigkeit den Mund stopfen, doch Hasard hielt ihn zurück. Der Inder wühlte in seinen Taschen und holte die fünf Goldmünzen heraus, die ihm der Seewolf gegeben hatte. Verächtlich schleuderte er sie auf den Boden.

      „Was für Dinge?“ fragte Hasard.

      „Sakrilegien!“ stieß Bose verächtlich hervor.

      „Das ist unmöglich …“

      „Die gerechte Strafe wird euch ereilen“, sagte der Hauptmann orakelhaft. „Um mich ist mir dabei nicht bange.“

      Soll ich? fragte Carberrys Blick. Hasard nickte knapp, und der Profos packte zu. Er riß den Inder aus dem Sessel, als wiege er kaum mehr als ein paar Pfund.

      „Der Mann, der über Bord gesprungen ist“, stöhnte Bose, „ich weiß zwar nicht, wer er ist, aber er hat ein Heiligtum der Singhalesen aus dem Tempel von Kandy gestohlen, eine unschätzbare wertvolle Reliquie.“

      Die Arwenacks schauten sich ungläubig an.

      „Malindi Rama hatte nur wenig bei sich“, erklärte Don Juan de Alcazar.

      „Der Dolch, ein Lederbeutel …“ Matt Davis zählte ein paar Dinge an den Fingern seiner linken Hand ab.

      „In dem Beutel war immerhin ein Backenzahn“, sagte Philip junior.

      „Der ist bestimmt nicht wertvoll.“ Carberry verzog die Mundwinkel bis fast zu den Ohren. „Vielleicht hat er sich den irgendwann ausgebissen und bewahrt ihn als Andenken auf.“

      Der Seewolf wandte sich erneut an den Hauptmann: „Der, von dem du sprichst, heißt Malindi Rama. Wir sind ihm zufällig begegnet und haben ihm aus einer Notlage geholfen, aus der er sich nicht selbst befreien konnte. Aber damit du erfährst, mit wem du es zu tun hast, will ich etwas weiter ausholen. Ischwar Singh, der Maharadscha von Bombay, bat uns, für ihn nach Madras zu segeln. Die Einzelheiten sind unwichtig. Jedenfalls fischten wir nach einer kurzen Flaute im Golf von Mannar einen mit Bienenwachs verschlossenen Tonkrug auf. Im Innern befand sich ein papyrusähnliches Papier mit einer Botschaft und einer Zeichnung. Demnach war ein Schiffbrüchiger auf einer kleinen Insel im Golf gestrandet. Das Datum lag gerade zehn Tage zurück. Da die Insel in der Nähe unseres Kurses liegen mußte, beschlossen wir, den Mann zu suchen. Wir fanden ihn nur wenige Seemeilen vor Tuticorin und nahmen ihn an Bord. Mehr ist dazu nicht zu sagen. Was immer Malindi Rama verbrochen hat, wir wissen nichts davon.“

      Matt Davies hatte, als der Seewolf zu reden begann, die Kammer verlassen. Jetzt kehrte er mit dem Tonkrug, der noch die Reste des Bienenwachses erkennen ließ, und dem bekritzelten Papier zurück. Als Hasard zustimmend nickte, reichte er beides dem Inder.

      Chandra Bose las die Zeilen aufmerksam. Als er schließlich wieder aufsah, lag Verständnis in seinem Blick. Daß Carberry ihn endlich aus seinem eisenharten Griff entließ, registrierte er offenbar nur am Rande.

      „Haben Sie, Senhor, oder Ihre Männer bemerkt, daß Rama einen Zahn bei sich trägt?“

      „Also doch!“ entfuhr es Don Juan.

      „Der