Jeder Mann liebt Ursula. Robert Heymann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Robert Heymann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9788711503805
Скачать книгу
war Weekend! Glückselig hatte sie ihm im Wald ihre Liebe geschenkt ... den jung aufgeschossenen Körper ... Arm in Arm waren sie auf der Rückfahrt in der Bahn gesessen. Im Nebenabteil hatte einer das Grammophon angestellt ... „Ich küsse ihre Hand, Madame ...“

      U. - Bahnh of Knie!

      Ussi schnellte hoch.

      Raus! Und schnell nach Hause!

      O je!

      Die paar Leute, die gleich Ussi aus der Tiefe der U.-Bahn nach oben strebten, stauten sich auf der Treppe. In Strömen prasselte der Regen über die Straße. Ussi machte einen schüchternen Versuch, durch den Regen zu laufen. Sie gab schnell auf. Ihr neuer Mantel konnte eine solche Wäsche nicht vertragen. Der neue Mantel war nur für schöne Tage bei sorgsamster Behandlung. Wenn er naß wurde, konnte sie ihn Frau Arlinger als Abspüllappen schenken. Zu mehr taugte er dann nicht mehr!

      „Na, gnädiges Fräulein, darf ich Sie beschirmen?“

      Sie schaute auf. Ein ganz netter Kerl, groß, tadellos angezogen. Ein gesundes Gesicht, das die Sonne über Norderney oder den Dolomiten gebräunt haben könnte. In dem lachend geöffneten Mund zwei Reihen gesunder starker Zähne. Dunkle Augen, lebhaft und glänzend, Heißhunger nach Leben stand in ihnen und Unbekümmertheit.

      Ussi wandte sich ab. Langsam, schweigend, indigniert, bewußt wie eine Dame. Was dachte er sich? Aber er hatte eine angenehme Stimme, und dann redete er so viel dummes Zeug durcheinander, daß Ussi lachen mußte.

      „Ich muß ja ohnedies ein Taxi nehmen“, sagte er. „Ich bring’ Sie heim ...“

      „Ich habe nur ein paar Schritte“, erwiderte Ussi, ohne ihn anzusehen. „Knesebeckstraße ...“

      „Aber bis Sie dahin kommen, sind Mantel und das Kleid futsch. Der Regen dringt durch bis zur Haut, und Sie haben dann die Grippe weg. Wär’ schad’! So ein süßes Mäderl ...“

      Sie kehrte ihm von neuem den Rücken. „Frecher Mensch“, sagte sie halblaut. Aber sein Lachen steckte sie an.

      „Nicht bös sein, junge Dame! Ich bin ein ganz anständiger Kerl! Ich kann Ihnen doch das Taxi nicht ohne meine Begleitung anbieten! Das wär’ dumm. Sie täten mich für verrückt halten, und dann will ich doch auch trocken nach Hause kommen. Ich wohne beim Kurfürstendamm, Ecke Bleibtreu ... schauen’s, wir haben fast einen Weg ...“

      „Sie reden, als wenn Sie aus Wien wären!“ sagte Ussi und schaute ihm zum erstenmal richtig ins Gesicht.

      „Beinah erraten!“ lachte er und nahm ihre Hand, die er schnell an die Lippen führte. „Nicht Wiener, schöne Dame, Münchner! Bayer! Hoffentlich sind Ihnen die auch so sympathisch wie die Wiener?“

      „Wer hat Ihnen denn gesagt, daß mir die Wiener sympathisch sind?“

      „Das haben Sie schon verraten, das fühlt man! Wissen’s was, Sie müssen Vertrauen zu mir haben! Übrigens hab’ ich fabelhafte Beziehungen zum Film ...“

      Ussi ging neben ihm die Treppe hinauf.

      „Den Dreh kenn’ ich“, sagte sie, aber gar nicht böse. „Wenn einer ein Mädel dumm machen will, dann hat er Beziehungen zum Film!“ Dann mußte sie wieder lachen, weil er sie so dumm anschaute. „Ja, die Kavaliere“, sagte sie, immer wieder lachend, und kostete so recht die Lust aus, daß sie dem da über ist. — Er hatte ein Taxi angehalten, sie stieg ein, während er seinen Schirm über sie hielt.

      „Wohin?“ fragte er. „Zur Zigeunerkapelle? Oder wissen’s was? Im Resi ist noch allerhand los — kennen Sie Resi? Da wird getanzt —“

      Sie stieg wieder aus, der Regen schlug ihr jetzt ins Gesicht.

      „So war es nicht gemeint!“ Und schnell will sie fort.

      Aber er hat sie ebenso rasch gepackt und in den Wagen geschoben.

      „Verzeihung! Net bös’ sein. Also Knesebeckstraße! Nummer?“

      Ussi nennt die Hausnummer. Der Herr sagte dem Chauffeur: „Und dann gleich weiter nach Ecke Kurfürstendamm-Bleibtreustraße ...“

      Dann setzte er sich neben Ussi. Sie schaute zum Fenster hinaus. Er bat sie nochmals um Entschuldigung. Die Regenflut peitschte gegen die Scheiben. Sie konnte nichts sehen.

      „Die Männer denken immer, ich sei auch so eine ...“ sagte Ussi, ohne sich umzudrehen.

      „Aber deswegen muß man doch nicht gleich auch so eine sein, wenn man mal mit einem Herrn in ein Tanzlokal geht!“ erwiderte der Herr neben ihr.

      Jetzt reißt Ussi ihr Gesicht zu ihm herum.

      „So? Und was ist denn dann, wenn ich ordentlich getrunken hab’? Wenn’s so recht fidel war, wenn der Herr Kavalier leicht angetrunken ist, überhaupt, wenn die Stimmung so richtig ist? Na, Kleine, kommst mit? Ich hab’ eine fabelhafte Wohnung ... aber nein, Kindchen, die mußt du dir bloß anschaun ... eine Tasse Tee ... zum Abkühlen ... Und dann mußt du meine Photos ansehen, Pola Negri und Hans Albers, Bassermann, die Ossi Oswalda — alle mit persönlichen Widmungen! Jannings ist ein Jugendfreund von mir, es kostet mich nur ein Wort, und du bist Filmstar ... und so weiter! Ach, die Mädels sind ja so dumm, und wenn dann eine noch einen Rausch hat, dann ist alles weitere ja so einfach!“

      Da hielt der Wagen.

      „Aber Kleines!“ stammelte der Herr verdutzt. Was hatte die nur?“

      Ussi schaute ihn nicht an.

      Er war ausgestiegen, stand im Regen und hielt den Hut in der Hand.

      „Auf Wiedersehen, gnädiges Fräulein!“

      Sie nickte zurück, toternst, die Moralpredigt hatte sie schon vergessen. Es regnete jetzt in Strömen, es regnete Gießbäche, er hielt den Schirm über sie, bis sie das Tor aufgeschlossen hatte. Wie vor einer Dame der Gesellschaft steht er da, denkt Ussi. Aber mich macht der nicht dumm ...

      Nun war die Tür offen, sie schlüpfte ins Haus. „Vielen Dank!“ Das Tor fiel zu. Langsam stieg der Herr wieder ins Auto. Der Chauffeur grinste, gab Gas.

      Regen klatschte nieder, der Wind rüttelte an den Häusern, daß die Fensterscheiben klirrten ...

      Frau Arlinger war noch wach, als Ussi die Wohnungstür aufschloß. „Na, Fräuleinchen, so spät?“ sagte die mütterliche Stimme aus dem Dunkel heraus.

      Ussi öffnete die Tür zu ihrem Zimmer. Aus einer Kneipe drang noch Lärm herauf. Da war Krach unten. „Das Theater hatte endlos gedauert, Frau Arlinger, dann hatte ich noch einen Bekannten getroffen!“

      Frau Arlinger antwortete mit einem leisen Seufzer. Sie versteht nun mal diese Zeit nicht! Und es kommt ja immer auf das gleiche heraus, denkt sie. Ihre Mieterin wird ein Kind bekommen oder sich mindestens die Gesundheit ruinieren ... und ist doch so ein liebes Ding ... aushalten kann sie auch nichts ... und die Männer denken doch gar nicht daran, so ein Mädel zu heiraten.

      „Gute Nacht, Frau Arlinger“, sagte Ursula und schloß ihre Zimmertür. Nun aber rasch den Mantel runter, fein säuberlich über den Bügel gehängt — das Kleidchen, den Schlüpfer mit flinken Händen ab! — Von der Wand her schaut der Postassistent Arlinger zu im dunklen Gehrock, mit aufgezwirbeltem Schnurrbart und schief sitzendem Kneifer, Frau Arlingers Seeliger.

      Ussi stößt die nackten Arme in die Luft wie ein ungeduldiger kleiner Vogel, der seine Schwingen prüft.

      Das Nachthemd will nicht so, wie Ussi will. Dieser Herr Postassistent Arlinger macht sie nervös! Was waren das bloß für Männer früher! Mit dem schief sitzenden Kneifer und dem unmöglichen Bart! Sie dreht, das Nachthemd bis zur Schulter niederziehend, das Photo gegen die Wand. Nun kann sie sich Peter an die Stelle des Herrn Arlinger denken. Peter mit seiner scharfen vorspringenden Nase und den versonnenen Augen. Einen schmalen Mund hat er. Einen klugen Mund!

      Warum hatte sie ihn eigentlich vergessen?

      Gott, man vergißt so schnell. Das Leben rennt. Man muß mitrennen.