Weder die rauhen Berufsförster noch die hohen militärischen und polizeilichen Ränge, die Paradeuniformen angelegt hatten, um so die Autorität ihrer Lieblinge zu verstärken, weder die Zivilpotentaten, welche akademische Titel, politische Funktionen oder sogar das allmächtige Szepter des Leiters eines Geschäfts mit Mangelware in die Waagschale werfen konnten, noch gar die abgebrühten politischen Unpersonen wie Zet und ich konnten das Beben der Glieder und der Seele verbergen, als ihr jetzt vereinzelt einer minuziösen Untersuchung unterzogen wurdet, vor der Personalfragebogen, gerichtliche Verhöre und militärische Schwanzparaden geradezu verblaßten.
Einige Männer, deren Inneres sich während der Jahre ihres Schiedsrichterns bei Hundewettbewerben und Ausstellungen, von Klagen und Händeringen erfolgloser Besitzer begleitet, gepanzert hatte wie einst das Herz der Inquisitoren, leierten über jeden von euch eine Litanei herunter, ähnlich dem Start-Check eines Jumbojets.
Schon bei der lauten Aufzählung der jeweiligen Eltern, Großeltern und Urgroßeltern sahen wir, wie sich die Nüstern der Richter lobend oder ablehnend blähten. Sie ähnelten Vorkostern, denen Namen und Jahrgänge der Reben präsentiert werden. Wie wir angenommen hatten, rief dein Stammbaum Aufmerksamkeit hervor, die der Name des Führers noch verstärkte. Ein Dackel, der das Vertrauen von Ing. Čech höchstpersönlich gewonnen hatte, schien hier den Respekt eines vom Herzog von Edinburgh gesattelten Rosses zu genießen.
Sie begannen, aus den amtlichen Zeugnissen die Noten deiner Prüfungen vorzulesen und nickten anerkennend bei den Anmerkungen der Kommissare «laut auf der Spur» oder «apportiert aus dem Wasser». Dann kam der große Augenblick der Wahrheit, vor dem sogar die Förster und ebenso die Offiziere des Staates und der Partei zitterten, denn wie bei Menschen gilt auch bei Hunden: Nobody is perfect! Sie hoben dich auf den Tisch, um deine Fehler zu entdecken.
Einen Fehler, obwohl verborgen, hattest auch du, ruhmvoller Edi! Und wir wußten davon und warteten, ob er entdeckt werden würde. Du wurdest gewogen und gemessen, betastet und gewendet, dein Blick geprüft und dein Schwanz, oder besser deine Rute, wie wir Züchter eigentlich nach Jägerart sagen sollten, taktloserweise hat man sogar deine Männlichkeit streng geprüft!
«Dünnes Unterhaar ...», verkündete einer der Auguren, wobei er dein Fell zwischen den Fingern drehte, und uns blieb das Herz stehen, bevor er hinzufügte – «aber samt Deckhaar in der Norm.» Dann stellten sie dich auf den Boden und ließen dich im Kreis gehen. Und gerade das war der riskante Moment, das Hazardspiel um die zukünftige Spielbank voller Welpen. Aber schon war es auch vorbei. Der Hauptschiedsrichter leitete aus den Bewegungen der übrigen Köpfe ein übereinstimmendes Urteil ab, das er jetzt zu Protokoll verkündete.
«Edison Venor, Besitzer Ing. Čech, E. R., Zhd.»
Dieser einzigartige Ausspruch, vom neidischen Klatschen der Konkurrenz begleitet, bedeutete, übersetzt in Menschensprache, daß du die höchste Klassifikation, «Elite-Rekord», zugestanden bekommen hattest und das Prädikat «Zuchthund der Tschechischen Sozialistischen Republik».
Du warst nun der dritte Akademiker in unserer Familie, und der einzige summa cum laude. Und auf der ganzen Welt wußten nur vier Eingeweihte, daß du zu häufig erregt den Schwanz hebst, was ein erstklassiger Dackel keineswegs darf. Vor der Kommission allerdings zeigte sich, daß auch du das wußtest. Du hast deine Schau mit der Gelassenheit eines Vollprofi-Rüden abgezogen.
Frau Čechová wehrte den Ansturm der ersten kaufwilligen Interessenten ab, notierte sich aber die ersten Bewerber um deinen Samen und Stamm. Aus dem Klosterrestaurant beendeten wir telephonisch die Qualen des in Písek wartenden Ing. Čech. Beim Kaffee wurde in deinen Rassehundausweis die neue Besitzerin eingetragen: Jelena Mašínová.
Da sie bei der Heirat ihren Mädchennamen behielt, wurde die strenge Hundepolizei des Staatsverbandes für die Zusammenarbeit mit der Armee getäuscht: Zet fiel nicht auf, ihre Mitgliedschaft hat man nicht abgelehnt. Dein Liebesleben war nun erlaubt und vom gesamten sozialistischen Lager garantiert.
Bis auf Widerruf.
23
Böhmen, Winter 1974
Die Freunde fingen an, sich zu interessieren, ob es auch dieses Jahr die traditionelle Neujahrskarte geben werde. Sie fragten besorgt, ob wir sie aus Prag oder aus Hamburg schicken würden. Der Antrittstermin in der Freien und Hansestadt näherte sich, und meine unerfüllbaren Forderungen wurden in der Tat eine nach der anderen erfüllt. Nach der Militärverwaltung überwand sich auch die Staatsagentur «Pragokoncert». Sie teilte uns mit, sie habe zwar nicht die Absicht, uns zu vertreten, doch erhebe man gegen unsere Tätigkeit im Ausland keine Einwände. Damit verzichtete sie auf ihr Monopol und sogar auf dreißig Prozent Provision, wenn wir nur fahren würden.
Ich war dazu entschlossen, falls wir bis Freitag, den 20. Dezember, nicht auf einen einzigen Beweis stießen, daß uns die Gegner unserer Rückkehr eine erkennbare Falle gestellt hatten. Ich sehnte mich nicht danach, mich monatelang wie ein Bergsteiger an der Eigernordwand zu sichern, um mir dann an einer übersehenen Bananenschale den Hals zu brechen. Das Datum hatten wir so gewählt, damit wir uns ein Weihnachten in Ungewißheit ersparten.
Der Geruch der Theaterbühne, den ich schon fünf unendliche Jahre entbehrte, lockte mich genauso wie dich der Gestank einer verschimmelten Wurst, mein feinfühliger Dackel, die du uns am vorletzten Sonntag von irgendwoher vorwurfsvoll vor die Tür geschleppt hast, als Zet dir aus Schlankheitsgründen einen Fasttag verordnet hatte; trotzig schlucktest du sie vor unseren Augen. Ich sehnte mich nach der Möglichkeit, meine Stücke leben zu sehen, doch zugleich weckte mich in den Nächten die Angst, daß ich dafür, wenn es schiefging, die Bühne meines Lebens für immer verlöre.
Diesen Geisteszustand drückte auch das Motiv des Neujahrsphotos aus, das wir schon Anfang Dezember aufgenommen hatten. Als wir dich, «Elite-Rekord», zum letzten Mal aus Písek abgeholt hatten, stießen wir auf einen Wegweiser mit der Kilometerangabe, die der Zahl des kommenden Jahres entsprach. Der erste Photoversuch, an dem auch unserrr Grrroßmeisterrr des rrr, Valtrr, teilnahm, gelang dem Freund Štěpán nicht. Unmittelbar vor dem zweiten begann es zu frieren, was uns zwang, nur den leeren Käfig mitzunehmen.
Auf dem Rückweg entschlossen wir uns, auf den Erfolg der Aktion im «Junior-Klub» anzustoßen, der am Nachthimmel Prags die von politischen Schädlingen desinfizierte «Viola» abgelöst hatte. Er interessierte mich schon deshalb, weil er im Hotel des wieder normalisierten Jugendverbandes lag, und zwar in demselben Raum, in dem ich Anfang der sechziger Jahre wegen meiner Kritik an seiner Tätigkeit vom Präsidium abgewählt worden war. Vor allem aber, weil er zum Treffpunkt tschechischer Popsänger wurde, die einstmals, als man es duldete, Ultraantikommunisten waren, danach, als man das gerade trug, Hurra-Patrioten, seit der «Normalisierung» jedoch nur noch brave Buben, die sich nach einer opportunen Tournee in die Sowjetunion drängelten und sich auf Befehl der Fernsehkommandatur sogar die lange Haarpracht stutzen ließen. Zu ihrer Rechtfertigung verbreiteten sie die Legende, ohne ihre seichten Sing-Songs wäre das Volk endgültig verstummt.
Sie und die Sternenbündel junger Journalisten ohne Furcht und Tadel, Janoušek, Tvrzník, Šmíd und wie sie alle hießen, waren vor einigen Jahren vehement mit berechtigter Kritik an der vorhergehenden Generation angetreten. Mich fragten sie immer wieder, wie ich meine frühen Oden hatte ernst meinen können, und waren nicht bereit, mir zu glauben, daß es sich um ein intellektuelles Versagen gehandelt habe, das jedoch nie ins Moralische entgleiste; die Buße habe ich soeben das sechste Jahr bezahlt.
Sie alle zusammen dagegen sangen und schrieben jetzt für schweres Geld gegen ihre einst so brennende Überzeugung, dachten sich eine Philosophie aus, daß ein Streit unter Kommunisten sie nichts angeht, und betranken sich, damit sie das selbst