Im Spukschloss Monbijou. Nataly von Eschstruth. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nataly von Eschstruth
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9788711472941
Скачать книгу
Sohn zu sein, ist an und für sich auch ein Stückchen Idealismus!“

      „Da Sie sich aber anscheinend noch gern dieser Jugendeselei erinnern, trägt Sie der zugelaufene Pegasus doch wohl hie und da noch in das Land der Träume hinein?“

      „In meinen Musestunden lebe ich der Muse — warum hiessen sie sonst so? Und wenn ich irgendwo etwas Reizvolles oder Eigenartiges sehe, so führen meine Augen sofort den Pinsel! — Als ich soeben die wundersamen Lichtreflexe auf Ihrem Haar sah, drängte sich mir die Frage auf, ob wohl schon Künstler von Beruf die gleiche Empfindung gehabt haben wie ich, ein Stücklein Sonnengold auf der Leinwand festzuhalten!“

      Sie errötete, blieb aber ganz unbefangen.

      „Kennen Sie nicht die ‚Rosenbilder‘, gnädiges Fräulein, in denen ein blondes Weib so entzückend mit Worten gemalt ward:

      ‚Die Sonne lag auf ihrem Haar —

      Als wär’ sie dort zu Haus!‘?“

      Der Sprecher unterbrach sich, um durch eine sehr elegante Verbeugung ein paar vorüberschreitende Damen zu begrüssen, dann wandte er sich wieder Fräulein von Waldeck zu und fuhr fort, „Sie sind für längere Zeit bei Ihren Verwandten Strombeck zu Besuch, mein gnädiges Fräulein?“

      „Was man lang nennt! Wir Landmenschen rechnen im Sommer mit langen Tagen, an denen man keine Zeit hat, im Winter mit sehr kurzen, an denen man nicht weiss, was mit den vielen Stunden beginnen! Darf ich übrigens fragen, ob Ihre Frau Mutter heute abend hier anwesend ist? — Leider habe ich sie heute nachmittag, als ich meinen Besuch machen wollte, nicht angetroffen!“

      Sigurd klappte die Sporen zusammen.

      „Sehr liebenswürdig, gnädiges Fräulein, meiner Mutter zu gedenken! Sie wird doppelt bedauern, dass sie für ein paar Tage nach Hannover fahren musste, die Silberhochzeit ihrer Cousine Kloss mitfeiern zu helfen.“

      „Ich wollte mich nach langen Jahren bei Ihrer Frau Mutter noch für ein Patengeschenk bedanken, das sie mir ehemals so freundlich in die Wiege legte!“

      „Ein Patengeschenk?!“

      Wie hübsch es ihr stand, wenn sie so schelmisch lächelte.

      „Ihre Frau Mama riskierte es vor langer Zeit —“

      „Hm, hm!“

      „ein sehr arg schreiendes und zappelndes kleines Mädel über die Taufe zu halten, dieser Unart war ich!“

      „Wie?? — Was? ... Sie, meine Gnädigste, ein Patenkind meiner Mutter?!“ — Leutnant von Savaburg machte sehr grosse, überraschte Augen. „Ich habe doch den Vorzug, Fräulein von Waldeck zu begrüssen?!“

      Sie hob den geschlossenen Fächer und liess ihn langsam durch die Hand gleiten.

      „Der Name ist Ihnen völlig unbekannt? Hörten Sie dahingegen wohl von einer Frau von Hörschelwitz?!“

      „Hörschelwitz?“ — einen Augenblick schien der Husar nachzudenken, dann stimmte er lebhaft zu. „Selbstverständlich! Thekla von Hörschelwitz! Soviel ich weiss, standen die Gatten damals zusammen bei den dritten Ulanen in X?“

      „Ganz recht. Rittmeister von Hörschelwitz, war mein Stiefvater und stürzte so unglücklich nach kaum dreijähriger Ehe bei einem Rennen, dass meine arme Mutter abermals als Witwe sehr einsam im Leben stand.“

      „Ganz recht! Natürlich! Ich entsinne mich! Und Frau Thekla von Hörschelwitz war in erster Ehe mit einem Waldeck-Wartenfels verheiratet! Selbstverständlich ist mir die Sache nun ganz klar, — bloss etwas begreife ich nicht, dass mir eine Patentochter Mamas so unbekannt geblieben!“

      „Ihre Frau Mutter war sehr beliebt und viel begehrt! Sicherlich bezog sie die Paten gleich en gros und vergass, das Register dem Sohn vorzulegen.“

      „Ich war wohl in jenen Jahren wenig zu Hause, da die kleinen Garnisonen die Eltern zwangen, ihre Söhne ausser dem Hause erziehen zu lassen. Ihre beklagenswerte Frau Mutter blieb wohl nicht in X wohnen, so dass die Damen sich bei ihrem weiteren militärischen Wanderleben etwas aus den Augen verloren? — Bei meiner sonst so gewissenhaften kleinen madame mère allerdings sehr unbegreiflich.“

      „Für mich nicht, Herr von Savaburg! Mama trat mit Verwandten eine längere Orientreise an und liess mich bei Grossmutter auf dem Lande zurück. In Kairo schon erkältete sich Mama so schwer, dass sie einer Lungenentzündung erlag. — Die so einsam lebenden Grosseltern kannten kaum die näheren Freunde ihrer Schwiegertochter, und so haben wir tatsächlich erst vor wenig Tagen erfahren, dass Frau von Savaburg meine Pate war.“

      „Wie seltsam! Und welch glücklichem Umstand verdanken wir solche Kenntnis, mein gnädiges Fräulein?“

      Amarant wies mit einem ganz klein wenig verlegenen Lächeln auf ein Armband, das als breites Goldband, einen edelsteinbesetzten Namenszug tragend, über ihrem Handgelenk glänzte.

      „Als Grossmama mich für die hiesigen Feste equipieren wollte, öffnete sie zum erstenmal Mamas versiegelten Schmuckkasten, und da fanden wir in einem Etui mit einem Brief Ihrer lieben Frau Mutter dieses entzückend schöne Schmuckstück, das noch unverändert so eingepackt, wie es gekommen, den anderen Pretiosen beigefügt war.“

      „Und unsere hiesige Adresse war bereits angegeben?“

      „O nein! Aber eine Überraschung kommt selten allein! Onkel Strombeck ist doch erst kürzlich Kommandeur des hiesigen Regiments geworden. In die Tage seines Umzugs fiel eine Erbschaftsangelegenheit, die in manchen Auskünften schnelle Erledigung verlangte. Da gab Onkel meinen Grosseltern für die acht Tage, während der er sich in der Residenz bei Hofe melden musste, Ihre Adresse als die seines Regimentsadjutanten an!“

      „Ah natürlich! Nun bin ich völlig im Bilde! Entsinne mich sogar noch genau, dass ich dem Herrn Oberst ein Telegramm nachsenden musste, das ihn zu einem Auflassungstermin nach Münden berief!“

      „Der Name fiel Grossmama auf, da wir gerade das Armband gefunden hatten, sie schrieb an Tante Ena, ob wohl Ihr Herr Vater bei den dritten Ulanen gestanden, und als dies bejaht wurde, konnte ich es nun tatsächlich noch ermöglichen, mich selber für das reizende Angebinde zu bedanken.“

      „Und ich werde die Freude haben, meiner guten Mutter zuerst diese Nachricht zu überbringen — —“

      Der Oberleutnant musste sich abermals unterbrechen und höflich dem Ruf eines vielbeschäftigten Vortänzers Folge leisten, der ihn „unbedingt“ für ein paar Minuten entführen musste.

      Andere Husaren traten herzu, Herr von Strombeck stellte vor, und Frau von Strombeck bedurfte ebenfalls der Nichte, um sie der Frau Erbprinzessin zu präsentieren, die jetzt erst aus der „fürchterlichen Enge“ der sie umringenden Herren und Damen des Regiments auftauchte, um den Knix der Saisonneuheiten huldvoll entgegenzunehmen.

      An der geöffneten Türe, die zu dem Rauch- und Lesesalon führte, stand etwas isoliert der Leutnant Bill von Unterlüss.

      Unter den jungen Kameraden erschien er älter und würdevoller, als er es in der Tat war.

      Man wusste, dass der „Dichter und Denker“ sich die Zeit genommen, bis er den Attila angelegt und sein Schlachtschwert alias Säbel umgeschnallt hatte.

      Erst hatte er das Abiturium gemacht, dann eine Zeitlang bei den Borussen in Bonn studiert und schliesslich war er als Opfer eines sehr eigenwilligen Erbonkels seinem angeborenen Beruf, dem eines Schriftstellers, untreu geworden und hatte auf seinen Goldfuchs Desdemona sowie noch auf eine Anzahl anderer eigener und Schwadronsgäule umgesattelt. — Nun war er Offizier.

      Die Damen fanden ihn sehr hübsch.

      Sehr gross und imposant, eigentlich mehr Kürassierfigur, trug er das Haupt mit den meist nachdenklich und tiefsinnig blickenden Augen hoch erhoben.

      Ein dunkelbrauner Sportbart streifte wohlgepflegt das frischwangige Gesicht von etwas englischem Schnitt und gab ihm, dem so ernst und gemessen redenden Mann, das viel ältere Aussehen.

      Sein Erbonkel,