»Vielleicht stimmt das«, sagte er. »Wie sonst sollten sie so etwas in Mayo oder Sligo wissen?«
»Du hast recht, Owen. Du solltest Mayo verlassen. Ich würde dich nur ungern vor Gericht sehen.«
»Deshalb bin ich ja zu dir gekommen. Ich dachte, du wüßtest vielleicht irgendeine Stadt im Osten, die einen Schulmeister braucht.«
MacKenna trank, dann nickte er. »Ich schreibe noch heute Nacht an Pat Dunphy in Longford. Er weiß immer gut Bescheid über solche Fragen. Welche Stadt wäre denn nicht stolz, den Dichter Owen MacCarthy zum Schulmeister zu haben?«
MacCarthy lächelte. »Mehr als eine, Sean. Und das weißt du auch.«
»Durchaus nicht«, widersprach MacKenna rasch. »Durchaus nicht. Jede Stadt wäre stolz. Du bist ein guter Dichter, und sogar Männer, die dich noch nie gesehen haben, ehren deinen Namen.«
»Die vor allem. Ich kann eine große Enttäuschung sein. Aber ich gebe guten Unterricht. Natürlich müssen die Leute immer ein paar Zugeständnisse machen, aber das bin ich wert.«
»Du solltest dich an das hier halten«, sagte MacKenna und hob sein Porter. »Der Whiskey bringt dich in Schwierigkeiten. Ich schreibe noch heute Nacht an Pat Dunphy und an Andrew MacGennis in Mullingar. Die reichen Counties brauchen Lehrer am dringendsten.«
»Das wäre nett«, sagte MacCarthy. »In ein oder zwei Wochen, wenn du bis dahin nichts gehört hast, gehe ich vielleicht in die Richtung und versuche mein Glück.«
»Das solltest du wirklich, Owen. Es wird mir leid tun, deine Gesellschaft zu verlieren, aber du solltest gehen.«
»Und wenn sie nun wirklich auf dem Meer sind, Sean? Als ich ein Junge in Kerry war und nur die Gedichte anderer Leute im Kopf hatte, ging ich oft an den Klippen entlang und blickte aufs Meer hinaus. Große Schiffe mit hohen Masten würden kommen, dachte ich, mit Segeln so breit wie Wolken.«
»Ach, die Engländer könnten fallen und die Franzosen erhoben werden, und du und ich würden immer noch unterrichten. Die Hütten wären noch genauso klein und die Kartoffeln genauso hart. Du solltest es besser wissen.«
»Wir beide haben gut reden«, erwiderte MacCarthy. »Du mit dem Laden, wir beide mit der Schule, und ich mit der Poesie. Aber was ist mit den Tausenden von armen Teufeln, die nie wissen, ob sie nicht morgen von ihrem Land verjagt werden, und die niemals diese Schenke von innen sehen, weil sie nicht die kleinste Kupfermünze aufbringen können?«
»Aber die Franzosen würden niemals tonnenweise Kupfermünzen für die Spalpeens von Connaught mitbringen. Sie würden Mord und Blutvergießen bringen. Und das kann ich nicht brauchen.«
»Ich weiß«, sagte MacCarthy. »Ich weiß.«
MacKenna nickte zu den beiden Soldaten hinüber. »Diese Burschen mit ihren Kanonen und Trommeln und Trommeln und Kanonen. Sie bedeuten weniger als ein Schmetterling in der Luft oder ein blühender Zweig oder die Stimme einer Frau, die ein Lied singt.«
»Es tut mir leid, daß ich dich nicht mehr sehen werde, Sean. Es gibt wenig genug Leute, mit denen man über ernste Dinge diskutieren kann.«
»Was ist mit deiner Frau in Killala?«
MacCarthy zuckte die Schultern. »Ich verlasse sie so, wie ich sie gefunden habe, eine Witwe mit schmaler Taille, die einen Heiligen in Versuchung führen könnte.«
»In manchen Dingen, Owen MacCarthy, bist du ein sorgloser und selbstsüchtiger Mann.«
»Bei dir ist das etwas ganz anderes, Sean, du bist mit einer so großartigen Frau wie Brid verheiratet und hast einen feinen munteren kleinen Sohn. Aber das wäre nicht das richtige für mich. Sieh dir doch den armen MacCrath unten in Clare an, jeder Tropfen Poesie in ihm wird von dieser zänkischen Frau und seinen beiden wilden Söhnen zum Versiegen gebracht. Ein abschreckendes Beispiel.«
»Ein schwaches Beispiel, Owen, aber ich kann mir die Luft auch sparen. Es hat keinen Zweck, einem Dichter Vorträge zu halten.«
MacCarthy legte seine beiden Hände auf MacKennas weiche, hängende Schultern. »Ich komme nächste Woche wieder, und dann machen wir uns eine schöne Nacht.«
»Nächste Woche«, erwiderte MacKenna, »kann Brid uns etwas zu essen machen, und wenn du ein paar neue Gedichte hast, wäre es eine Ehre, sie zu hören.«
»Kann sein«, sagte MacCarthy. »Ich habe ein Bild im Kopf, aber ich habe keine Worte dafür. Es läßt mir keine Ruhe. Es ist eine komische, umgedrehte Methode des Dichtens, als ob man mit dem Arsch zuerst durch die Tür ginge. Gib Brid heute abend einen Kuß von mir und umarme Timothy.«
Als er gehen wollte, rief ihn einer der Soldaten an: »Oy, da, Paddy!«
MacCarthy drehte sich zu ihm um. »Oy, da, roter Soldat!« sagte er auf Englisch.
»Wo sind all die hübschen Mädchen, die uns der Sergeant hier versprochen hat?«
»Alle eingesperrt«, antwortete MacCarthy. »Und die Väter und Ehemänner zittern beim Gedanken an die hübschen Soldaten in Castlebar.«
»Und du weißt nicht, wo wir ein oder zwei finden könnten?«
»Ihr solltet jemand anderen fragen«, sagte MacCarthy. »Ich bin selber nicht aus Castlebar. Woher kommt ihr denn eigentlich?«
»Ich bin aus London, und mein Kumpel hier aus Derbyshire.«
»Ihr seid weit weg von zu Hause.«
MacCarthy wühlte in seiner Tasche, stellte fest, daß er genug Geld hatte, und kaufte für alle Porter. Überrascht und erfreut trank der Londoner MacCarthy mit seinem Krug zu.
»Ihr seid ruhige Leute hier, Paddy. Das ist vielleicht eine Erleichterung. Wir waren vorher in Wexford und mußten uns mit den Croppies herumschlagen.«
»Mit den Croppies?« fragte MacCarthy verwirrt.
»Den Rebellen«, erklärte der Londoner. »Da unten nennen sie die Rebellen ›Croppies‹. Hast du nie das Lied ›Croppies lie down‹ gehört?«
»Und hingelegt haben sie sich ja«, sagte MacCarthy.
Der Londoner nickte. »Wir haben sie an einem Ort namens Vinegar Hill abgeschlachtet. Mir ist davon wirklich schlecht geworden. Einfache Burschen wie du und ich. Konnten sogar Englisch, die meisten jedenfalls.«
»Verdammte Wilde«, sagte der Mann aus Derbyshire. »Rebellen gegen den König.«
Er war untersetzt und redete mit schwerer Zunge. Der Londoner war klein und drahtig.
»Da waren ein paar Tausend von ihnen«, erzählte der Londoner weiter. »Alle die Hänge von Vinegar Hill hinaufgejagt, nur mit Piken in den Händen. Wir haben sie mit Kanonen und Gewehren zermatscht, und dann sind wir mit blankem Stahl auf sie losgegangen. Und wozu war das alles gut, Paddy? Kannst du mir das sagen?«
MacCarthy schüttelte den Kopf.
»Piken und Sensen gegen die Artillerie«, sagte der Londoner. »Verdammte Art, Selbstmord zu begehen. Was sollte das denn alles, Paddy?«
Das Porter war dunkler als Moorwasser.
»Das ergibt doch keinen Sinn«, sagte der Londoner geduldig. »Ich krieg vielleicht manchmal Lust, gegen meinen Kumpel hier zu kämpfen, aber ich weiß, daß der mich zu Brei hauen könnte.«
»Verdammte Scheißrebellen«, sagte der Mann aus Derbyshire. »Bist du auch ein verdammter Scheißrebell?« fragte er MacCarthy.
MacCarthy nickte ihm zu und fragte den Londoner: »Warum sagst du deinem Kumpel nicht, er sollte das Bier, das ich ihm gekauft habe, hinstellen und feststellen, ob er mich zu Brei hauen kann?«
»Da hast du’s«, antwortete der Londoner mit einem entzückten Grinsen. Seine Zähne waren klein und unregelmäßig. »Da hast du den typischen Paddy, immer bereit zu einem Kampf oder sonst einem Jux.