»Ich musste mich erleichtern. Zuviel Holunderwein.« Einer der neuen Alphas lachte und Finns Wangen wurden heiß. »Euer Abort war der nächste.«
»Wir dulden keine Omegas in unserem Turm«, sagte Eric, als ob Finn das nicht wüsste.
»Ja. Tut mir leid.« Verdammte, arrogante Alphas. Finn knirschte mit den Zähnen.
»Sieht aus, als hätte Harris dich schon gezüchtigt.« Eric sah durch Finn hindurch, als wäre er unsichtbar. »Beim nächsten Mal wirst du bestraft, ist das klar?«
»Klar.« Finns Fäuste waren schweißnass.
Harris lachte leise. Und dann hatten sie genug von dem unwichtigen Omega und gingen weiter. Alle fünf. Nur der Steinerne blieb einen Moment lang stehen und sah Finn an. Er hatte Falkenaugen und Wangenknochen wie scharfkantige Felsen. Es musste Tage her sein, dass er sich zuletzt rasiert hatte. Schwarze Stoppeln bedeckten Kinn und Wangen.
»Eric?«, rief Finn. Er wich dem Blick des Steinernen aus. »Äh, meine Kleidung. Die liegt noch im Alphaturm. Kann ich sie holen?«
»Nein«, sagte Eric und wandte sich nicht einmal um. »Du bekommst sie beim Abendessen wieder.«
Natürlich. Was nun? Sollte er nackt in die Schreibstube zurückkehren? Er fröstelte bereits jetzt.
Grauer Stoff segelte auf ihn zu. Instinktiv schnappte er danach und hatte den Wollumhang des Steinernen in den Händen. Hä?
»Gib ihn mir beim Abendessen wieder«, knurrte der.
Ich will deinen stinkenden Umhang nicht, wollte Finn sagen. Aber er wollte auch nicht nackt vor Leighton und Declan auftauchen.
»Danke«, brachte er heraus, obwohl er an den Worten fast erstickte.
Der Steinerne starrte ihn immer noch an, als könnte er die Luft zwischen ihnen gefrieren lassen. »Bei uns im Norden können die Omegas sich benehmen«, sagte er kühl. »Seid ihr hier alle so oder hast nur du keine Manieren?«
»Keine Manieren?« Finn reckte das Kinn in die Höhe. »Ich zeig dir gleich, was für Manieren ich habe, du ungewaschener Nordländer!«
»Das glaube ich kaum.« Abschätzig betrachtete der Kerl Finns magere Schreiberarme.
»Ich habe ausgezeichnete Manieren«, behauptete Finn. Nur, wenn man mich schänden will, vergreife ich mich halt im Ton, fügte er in Gedanken hinzu.
»Du hast dich einem Alpha widersetzt und dich verwandelt, obwohl es verboten ist. Du gehorchst nicht.« Die Stimme des Steinernen war vollkommen emotionslos, aber Finn glaubte, Widerwillen zu hören.
»Was?!« Finn bekam kaum Luft vor Zorn. Wenn ich mich Harris nicht widersetzt hätte, würde ich jetzt mit blutendem Arschloch im Abort hocken, wollte er sagen. Tat er aber nicht. Anscheinend war es im Norden normal, Omegas nach Herzenslust zu schänden. »Deine Freunde sind weg. Ich hoffe, du findest den Weg alleine.« Steinfresse, wollte er hinzufügen, aber er traute sich nicht. Er war einem Alpha-Mistkerl entkommen, da wollte er sein Glück nicht auf die Probe stellen.
Der Blödmann drehte sich um und marschierte davon. Kein Wort des Abschieds. Finn sah ihm nach, und als der Kerl um die Ecke gebogen war, machte er ein paar unflätige Gesten.
»Verlauster Köter«, murmelte er. Unschlüssig betrachtete er den groben Stoff in seinen Händen. Nein, er hatte keine Wahl. Missmutig streifte er den Umhang über.
Der Geruch traf ihn wie ein Hammer. Ein köstlicher Hammer. Der Duft des Alphas umhüllte ihn und weckte Sehnsucht nach dem Frühling, der draußen auf sich warten ließ. Süß wie Honig und herb wie Starkbier und gut. Einfach gut. Und geil.
Beschämt spürte Finn, wie sein Glied anschwoll. Was war das? Diese Wolle, die noch warm vom Körper des steinernen Mistkerls war, dieses Bergs, dieses Felsen aus dem Norden.
Finn schluckte. Er sah sich kurz um, aber niemand war zu sehen. Dann vergrub er die Nase im Stoff und sog den Duft ein. Kribbeln strömte durch seinen Körper. Wie ein heißes Bad, nachdem man aus der Kälte kam. Unbekannte Gefühle rasten durch seine Adern. Sie bündelten sich zwischen den Beinen, wo seine Rute die Stofffalten hob. Dass seine Härte den Stoff berührte, machte es nicht leichter, sich abzuregen. Ungefähr da, wo sich seine Eichel in die kratzige Wolle grub, musste auch der Schritt des Steinernen gewesen sein.
Sein Geruch war überall. Finn stöhnte leise.
Was ist das?, dachte er. Das ist doch nicht normal.
Für gewöhnlich stieß ihn der Duft der Alphas ab. Zu herb, zu beißend. Zu arrogant. Aber das hier … Es war, als hätte man den Frühling in Flaschen gefüllt und dann über diesem Stoff hier verschüttet. Ja, vielleicht war es das. Irgendeine Seife, mit der sie im Norden ihre Wäsche wuschen. Oder ein Wald, durch den der Steinerne gelaufen war. Roch es nicht ein wenig nach harzigen Stämmen? Nach kühlem Waldboden und nach Sonnenschein?
»Sonnenschein riecht nach nichts«, knurrte Finn und ballte die Fäuste.
Ja, es musste Seife sein, beschloss er. Dieser Duft konnte nicht von einem Alpha kommen. Alphas stanken. Er riss sich zusammen und ging zurück zur Schreibstube.
3. Caelan
»Wo ist dein Umhang?«, fragte Fraser, als sie ihr neues Quartier bezogen. Eine Kammer mit drei Strohsäcken und einem winzigen Fenster. Klamme Steinmauern umgaben sie und sonderten muffigen Geruch ab.
Caelan zuckte mit den Achseln. Er sehnte sich nach dem Feuer, das nachher im Speisesaal lodern würde. Er fror nicht schnell, und anmerken ließ er es sich schon gar nicht. Aber die Kälte ihrer Reise war bis in seine Knochen gedrungen.
»Hat er dem kleinen Omega gegeben«, sagte Myles und grinste. »Dem Feuerschopf. Kein schlechter Anblick, oder? Ja, ich glaube, der war mir die liebste Begrüßung. Nicht, dass der Rudel-Chief unfreundlich wäre, aber der Kleine war einfach nackter.«
Caelan warf ihm einen warnenden Blick zu. Myles verdrehte die Augen. Er saß auf seinem Bett und zog sich die Stiefel aus. Fraser fluchte leise.
»Pack deine Schweißmauken wieder ein«, knurrte er. »Das stinkt ja erbärmlich.«
»Niemals.« Myles wackelte mit den Zehen. »Ich warte seit Wochen darauf, endlich wieder die Pfoten ausstrecken zu können.«
»Dann mach das woanders.« Fraser packte einen der Stiefel und warf damit nach ihm. »Im Abort zum Beispiel. Da stinkt es eh schon.«
Myles wich aus und lachte. »Du liebst meinen köstlichen Duft doch. Hast du mir selbst gesagt, letzte Nacht.«
»Da war ich nicht bei klarem Verstand.« Fraser fletschte die Zähne.
»Nein, das warst du nicht.« Myles' Grinsen wurde breiter. »Ganz und gar nicht.«
In Ermangelung williger Omegas vergnügten Caelans Kameraden sich miteinander, schon die ganze Reise über. Und nicht zum ersten Mal. Es fiel Caelan schwer, einzuschlafen, wenn die gehetzten Geräusche zu seinem Lager herüberwehten. In ihrem Rudel war Sex unter Alphas nicht ungewöhnlich. Normalerweise wurde nicht darüber gesprochen, aber es wurde getan. Zumindest von unbeherrschten Gesellen wie Fraser und Myles.
»Ich kann es kaum erwarten, die Zähne wieder in zartes Omega-Fleisch zu schlagen statt in Myles' behaarten Nacken.« Fraser seufzte schwer. »He, Caelan. Was ist mit dem Kleinen? Dem Rotschopf?«
»Was soll mit dem sein?«, fragte Caelan und verstaute seine Habseligkeiten in der brüchigen Kiste am Bettende.
»Erhebst du Anspruch auf ihn?«
Was? Caelan musterte Fraser, um herauszufinden, ob der Scherze machte. Machte er nicht.
»Nein. Er ist schwach, wie alle Omegas.« Er erinnerte sich an seine Begegnung mit der ruppigen Kackbratze. »Und er hat keine Manieren.«
»Der war ganz schön wütend,