Tod dem Management. Siegfried Kaltenecker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Siegfried Kaltenecker
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Зарубежная деловая литература
Год издания: 0
isbn: 9783969101506
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den Allerwertesten zu retten. Glauben Sie denn, dass ich nichts Besseres zu tun habe, als mich den lieben langen Tag mit den Fehltritten meiner Untergebenen zu beschäftigen?«

      »Ich wüsste nicht, was wir falsch gemacht haben.« Obermayr ließ es sich nicht nehmen, noch ein wenig Zunder nachzulegen.

      Schon krachte Kappachers Hand wieder auf den Schreibtisch. »Sie begreifen es einfach nicht! Aber nun ist ein für allemal Schluss mit Ihrem eigenmächtigen Vorgehen! Ab sofort sprechen Sie jeden Schritt vorher mit mir ab, ist das klar?«

      »Wir müssen abwarten, was die gerichtsmedizinische Untersuchung ergibt«, erklärte Nemecek ruhig, als hätte er Kappachers Anweisung überhaupt nicht gehört. »Und dann dürfen wir gespannt sein, was die Zeugensuche der Kärntner Kollegen ergibt.«

      »Oder die Kameraaufzeichnungen«, ergänzte Obermayr.

      Kappacher schnaubte. »Sind Sie schwerhörig? Sie stimmen alles, was Sie tun mit mir ab! Kapiert?«

      »Nehmen Sie doch einfach wieder an unseren Standups teil«, schlug Obermayr vor. »Dann sind Sie stets auf dem Laufenden.«

      »Aber jetzt müssen Sie uns entschuldigen«, sagte Nemecek und erhob sich. »Wir haben gleich einen Termin mit Joschaks Witwe.«

      Während er sich rasch in Richtung Tür entfernte, hörte er Kappacher stöhnen. »Und wann ist mit ersten Ergebnissen zu rechnen?«

      »Die Frau Professor hat mir versprochen, dass sie spätestens am Abend ihre Erkenntnisse vorlegen wird.«

      »Dann beten Sie zu Gott, dass die Probisch etwas findet!«

      »Das geht auch ohne Gebet«, rief ihm Obermayr über die Schulter zurück, während sie die Klinke hinunterdrückte. Wie so oft musste sie unbedingt das letzte Wort behalten.

       Montag, 9:55

       Grelle Trauer

      Außer Betrieb, verkündete das rote Schild an der Gittertür.

      »Na super!« Obermayr verdrehte die Augen. »Jetzt auch noch Fitnesstraining!«

      »Tür 24«, erinnerte sich Nemecek. »Bei unserem Glück wahrscheinlich ganz oben.«

      Vier Stockwerke später wussten sie, dass die Einschätzung richtig war. »Schön, dass wir den maximalen Trainingseffekt auskosten dürfen«, bemerkte Obermayr keuchend.

      Nemecek war verwundert. Setzte ihr das Treppensteigen tatsächlich so zu? Sie war doch immer ganz gut in Form gewesen? Oder war das heute einfach nicht ihr Tag? Bevor Nemecek zu einer Antwort gekommen war, drückte seine Kollegin bereits den Schalter mit der kleinen Glocke. Von innen ertönte nicht mehr als ein leises Klingeln. Ansonsten gab es keinerlei Geräusche, die darauf schließen ließen, dass sich jemand näherte. Sicherheitstür, registrierte Nemecek automatisch, während er überlegte, ob die Witwe ihren Termin verschwitzt haben könnte. Instinktiv spitzte er die Ohren. War da ein Geräusch gewesen?

      Als sich die Tür schließlich öffnete, musste Nemecek unwillkürlich blinzeln. Vor ihm stand eine stattliche Frau in einem schwarzen Kleid, dem man ansah, dass es nicht von der Stange war. Mitte 40, etwa 1 Meter 70 groß, schätzte Nemecek, zumindest wenn er die roten Stöckelschuhe abzog, mit denen sie jetzt fast so groß war wie er selbst. Ihr rundliches Gesicht war stark geschminkt, vor allem die schwarz umrandeten Augen stachen hervor, die zusammen mit den übernatürlich langen Wimpern ihre hellgrüne Iris noch stärker zur Geltung brachte. Dazu hatte sie einen kirschroten Lippenstift aufgetragen und trug kugelförmige Ohrringe im selben Farbton. Am Auffälligsten war indes dieser scharfe Kontrast zwischen ihrer Trauerkleidung und den wasserstoffblonden Haaren, die sie offensichtlich auftoupiert hatte, um für noch mehr Volumen zu sorgen. Dadurch wirkte die ganze Frisur wie ein überdimensionierter Helm. Ob sie sich extra für ihren Besuch so aufgedonnert hatte? Oder lief sie die ganze Zeit so durch die Gegend? Für Nemecek hatte Joschaks ganze Erscheinung etwas ungeahnt Grelles und er musste an sich halten, um nicht die Augen zusammenzukneifen.

      »Frau Joschak?«, rettete ihn Obermayr aus seiner Verlegenheit. »Chefinspektor Nemecek, Bezirksinspektorin Obermayr. Dürfen wir hereinkommen?«

      Wortlos trat Joschak zur Seite und gab den Blick auf den dahinter liegenden Flur frei. Kiefer? Buche? Eiche?, versuchte Nemecek die Holzart zu identifizieren, die hier dominierte. Während er weiter ins Wohnungsinnere vordrang, stieg ihm eine Wolke von schwerem Parfüm in die Nase. Dior kam ihm in den Sinn, obwohl er keine Ahnung hatte, ob das wirklich so roch. Aus irgendeinem Grund schien Dior perfekt zu der extravaganten Erscheinung zu passen.

      Als er wenige Augenblicke später die Küche betrat, wusste er zumindest, woran ihn bereits der Eingangsbereich erinnert hatte – nämlich an die Ferienwohnung, die sie seit Jahren für ihren Sommerurlaub am Faaker See buchten. Also an genau jenes Quartier, in dem seine Familie derzeit ihren Urlaub verbrachte. Kärntner Landhausstil, pries dieses Quartier an, und das war es auch, was er hier vorfand: helles Holz so weit das Auge reichte, dunkle Maserung, glänzende Oberflächen und dazu dieser süßliche Geruch nach Bienenwachs, der dem Ganzen eine ganz besondere Note verlieh. Auf der rechten Seite stand eine mindestens zwei Meter hohe und wohl ebenso breite Kredenz, auf der linken eine Eckbank mit roten Sitzbezügen. Dazu gab es passende Tischdecken, Lampenschirme und Zierpolster. Es war kaum zu übersehen, dass hier eine versierte Gestalterin am Werk gewesen war.

      »Nehmen Sie doch Platz.«

      »Danke«, murmelte Obermayr, bevor sie einen der massiven Holzstühle unter dem Tisch hervorzog.

      »Ich muss sagen, dass ich ein wenig überrascht bin«, eröffnete Joschak. Nemecek fiel auf, dass ihr Oberkörper dabei leicht hin und her pendelte.

      »Sie sind überrascht?« Obermayr staunte. »Unsere Kollegin hat Ihnen doch unser Kommen angekündigt?«

      »Was haben Sie herausgefunden?«, antwortete Joschak mit einer Gegenfrage, während der sie ihren Kopf zweimal auf- und abwippen ließ.

      »Die Untersuchungen laufen noch«, erklärte Nemecek mit einer Polizeifloskel und legte gleich eine zweite nach. »In der Zwischenzeit durchleuchten wir das Umfeld des Toten.«

      Mit geschlossenen Augen erwiderte Joschak: »Ich habe eigentlich nicht mehr damit gerechnet, dass die Polizei noch ihrer Arbeit nachgehen würde.«

      »Lassen wir das«, wies Nemecek den Vorwurf in aller Entschiedenheit zurück. Er staunte selbst über seinen strengen Tonfall, doch er wollte sich keinesfalls auf das klassische Rechtfertigungsspiel einlassen. Stattdessen erklärte er, dass sie hier seien, um mehr über das Umfeld des Toten zu erfahren.

      »Was können Sie uns über Ihren Mann erzählen?«, übersetzte Obermayr.

      »Was genau wollen Sie wissen?« Wieder dieses leichte Pendeln mit dem Oberkörper. Hatte Joschak Probleme mit ihrem Gleichgewichtssinn?

      »Was war er für ein Mensch?«

      Die grelle Witwe faltete ihre Hände, trennte sie jedoch gleich wieder, als erinnere sie diese Berührung an ein Gebet. Gleich darauf fuhr sie sich vorsichtig über ihr Haar, als prüfe sie den Sitz ihrer Frisur. Sie öffnete ihre Lippen, blieb allerdings weiterhin eine Antwort schuldig. Dafür begann sie nun laut durch den Mund ein- und auszuatmen.

      Verblüfft verfolgte Nemecek die seltsame Darbietung. Irgendwie erinnerte ihn das Ganze an das Spiel Activity, bei dem es um das Erklären und Erraten bestimmter Begriffe ging. Joschak schien die Karte mit dem Wort Unentschlossenheit gezogen zu haben und sich in der Phase zu befinden, in der man das Gesuchte pantomimisch darstellen musste. Je länger Nemecek die grelle Witwe betrachtete, umso befremdlicher kam ihm ihr Schauspiel vor. Irgendwie wirkte das Ganze einstudiert, wie eine Choreografie der Trauer, die Marina Joschak vor dem Spiegel eingeübt hatte. Doch von einem Moment zum anderen schien sie die Unentschlossenheit abgelegt und stattdessen den Begriff Verzweiflung in Arbeit zu haben. Jedenfalls griff sie sich nun an die Stirn und stöhnte theatralisch. »Das darf doch alles nicht wahr sein!« Aus den Augenwinkeln bemerkte Nemecek,