Tod dem Management. Siegfried Kaltenecker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Siegfried Kaltenecker
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Зарубежная деловая литература
Год издания: 0
isbn: 9783969101506
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Philosoph. Andererseits war zum jetzigen Zeitpunkt eine Beziehungstat genauso wahrscheinlich wie eine beruflich motivierte. Wer sagte ihnen, dass nicht eine alte Feindschaft hinter Joschaks Tod steckte? Die Konkurrenz zwischen Sportlern, die oft genug krankhafte Auswüchse annahm? Eine heimliche Affäre Joschaks, die einen gehörnten Ehemann ausrasten ließ? Vielleicht steckte sogar Joschaks Frau selbst hinter dem tödlichen Anschlag, den sie so heftig beklagte. Es wäre nicht das erste Mal, dass eine Täterin auf diese Weise ihre Schuld zu verschleiern versuchte. Was umso wahrscheinlicher war, wenn es eine Lebensversicherung gab. Zukic sollte klären, ob es eine entsprechende Police gab. Und sie sollte mit den Nachbarn der Joschaks reden, ob diese irgendwelche Auffälligkeiten in deren Ehe wahrgenommen hatten.

      Ein dichtes Programm, bilanzierte Nemecek. Dennoch durften sie jetzt nichts überstürzen. Sie mussten Schritt für Schritt vorgehen. Eigentlich sollte er ja noch Kappacher über die neuesten Entwicklungen informieren. Andernfalls würde sich dieser sicher wieder aufregen, wie er das schon so oft getan hatte, wenn er sich zu wenig eingebunden oder gar übergangen fühlte, insbesondere wenn es um so weitreichende Entscheidungen wie die Einrichtung einer Sonderkommission ging.

      Als er jedoch den Faaker See wieder vor sich auftauchen sah, stand Nemeceks Entschluss fest. Wenn er schon den gestrigen Feiertag und den heutigen Brückentag gewissermaßen in geheimer Mission unterwegs war, sollte zumindest der Rest des Wochenendes seiner Familie gehören. Und für Montag früh war ohnehin eine Besprechung mit dem frisch aus seinem Urlaub zurückgekommenen Oberst Kappacher angesetzt.

       Montag, 8:12

       Standpauke im Sitzen

      Im Raum wurde es still, aber es war eine angespannte Stille wie zwischen einem Blitz und dem darauffolgenden Donnerschlag. Unwillkürlich musste Nemecek an das Gewitter denken, währenddessen Joschak ums Leben gekommen war. Dann räusperte er sich, um endlich die erwartete Antwort zu geben.

      »Wir hatten ausreichend Hinweise, dass es sich hierbei nicht um einen Unfall handelte.«

      Kappacher holte tief Luft. Und dann krachte es tatsächlich.

      »Ausreichend Hinweise!«, bellte er, nachdem er mit der flachen Hand auf seinen Mahagoni-Schreibtisch geschlagen hatte. »Sind Sie von allen guten Geistern verlassen? Warum sind Sie der Sache nachgegangen, ohne sich vorher mit mir abzustimmen?«

      »Sie waren im Urlaub und ich sah Gefahr im Verzug.«

      »Gefahr im Verzug«, brauste Kappacher neuerlich auf und riss seine Arme in die Höhe. »Gefahr im Verzug«, wiederholte er nicht weniger laut, aber deutlich langsamer, als müsste er über die besondere Bedeutung dieser Worte nachdenken. Dann ließ er seine Arme wieder nach unten sinken.

      Nemecek betrachtete seinen Vorgesetzten. Er war braun gebrannt und wirkte erstaunlich gut erholt. Die erste Urlaubswoche in den Bergen schien ihm gut getan zu haben, obwohl er sich wochenlang über seine Frau mokiert und gebetsmühlenartig geklagt hatte: »In den Tiroler Alpen! Ausgerechnet!« Immerhin handelte Kappacher mit seiner besseren Hälfte aus, dass sie die zweite Urlaubswoche am Meer verbringen würden. Angesichts des aktuellen Ärgers fragte sich Nemecek jedoch, wie lange der Erholungseffekt wohl anhalten würde. Die roten Flecken an Kappachers Hals ließen nichts Gutes ahnen.

      »Wir haben nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt«, beteuerte nun auch Obermayr, die bislang ungewohnt zurückhaltend agiert hatte.

      »Nach bestem Wissen und Gewissen?«, kam prompt von der anderen Seite des Schreibtischs zurück. Nemecek fragte sich, wie lange Kappacher wohl jeden Satz wiederholen würde und ob dieses Echo ein Gradmesser für seinen Zorn war. Natürlich hatte Nemecek eigenmächtig gehandelt und ihm war von Anfang an klar gewesen, dass das ein Nachspiel haben würde. Er hatte allerdings nicht damit gerechnet, dass sich sein Vorgesetzter dermaßen aufregen würde.

      Sich echauffieren, fiel Nemecek plötzlich der altmodische Ausdruck ein, nach dem er zuvor vergeblich gesucht hatte. Diese Erkenntnis half allerdings nur mäßig gegen das Donnerwetter, das sie nun über sich ergehen lassen mussten.

      Nemecek vermutete, dass Kappacher vor allem deswegen so in die Luft ging, weil er immer noch viele Leute vom Kärntner Landeskriminalamt kannte. Immerhin war er in Klagenfurt aufgewachsen, hatte dort die Polizeiakademie besucht und sich später seine ersten Sporen als Kriminalbeamter verdient. Gut möglich, dass er mit dem aktuellen Polizeidirektor sogar persönlich verbunden war. War der nicht genau in Kappachers Alter?

      »Mit ihrem unverantwortlichen Alleingang haben Sie uns in eine unmögliche Lage gebracht«, kam schon der nächste Vorwurf. »Ich habe keine Ahnung, wie ich das dem Karl erklären soll.«

      Also lag er mit seiner Vermutung richtig, dass Kappacher den Kärntner LKA-Direktor Glantschnig gut kannte. Wahrscheinlich hatte ihn dieser noch am Wochenende angerufen und sich mächtig über das Vorgehen seiner Leute beschwert. Ob ihn der junge Kollege in der Faaker Inspektion angeschwärzt hatte? Der brauchte ja bloß jemanden im Bezirk zu kennen, der jemanden in der Stadt kannte, der wiederum jemanden im Landeskriminalamt kannte – und schon stieg der oberste Polizeichef auf die Barrikaden. Wie es nun einmal so lief in Österreich. Am wichtigsten schien es, das eigene Revier zu verteidigen.

      »Sie kennen einander?«, versuchte Nemecek einen möglichst harmlosen Ton anzuschlagen.

      »Natürlich kennen wir einander! Seit Ewigkeiten schon!« Aus irgendeinem Grund fragte sich Nemecek, ob sich die beiden aus dem Polizeidienst oder vom Studium her kannten, für das Kappacher später aus seiner Heimat in die Bundeshauptstadt wechselte. War Glantschnig ebenfalls Jurist? Und gehörten sie womöglich derselben Studentenverbindung an, die gewisse Kreise besonders intensiv zusammenschweißte?

      »Wie gedenken Sie also, wieder aus dieser Sache herauszukommen?«

      »Gar nicht. Wir machen erst einmal weiter wie geplant.« Obermayrs Trotz war nicht zu überhörbaren.

      »Weiter wie geplant!«, polterte Kappacher postwendend. »Jetzt wird’s mir aber langsam zu bunt!«

      »Hätten Sie’s denn lieber in Schwarz-Weiß?«, konnte sich Obermayr eine Widerrede nicht verkneifen.

      Kappacher sah Obermayr an, als ob er sich gleich auf sie stürzen würde.

      »Wenn dann schwarz auf weiß«, zischte er durch die zusammengebissenen Zähne. »Ich spreche von Fakten, falls Sie schon einmal davon gehört haben, Frau Kollegin!«

      »Selbstverständlich, Herr Oberst.« Obermayr blieb gelassen. Kappachers drohender Unterton schien wieder einmal von ihr abzuperlen, als wären ihre Ohren mit Teflon beschichtet. »Deswegen sind wir der Sache ja nachgegangen.«

      Nemecek sah, wie sein Vorgesetzter die Augen aufriss. Hinter seinen dicken Brillengläsern wirkten sie unnatürlich groß, wie unter einer Lupe. Hinter dem Brillenbügel sah man seine Schlagader heftig pulsieren. Dazu schienen Kappachers Kiefer gerade ein paar Kieselsteine zu zermahlen.

      Obermayr wusste natürlich, wie man jemanden auf 180 bringen konnte. Und bei Kappacher stieg sie gerne nochmals extra aufs Gaspedal. Unvergesslich würde Nemecek deren allererste Konfrontation bleiben, die wohl in vieler Hinsicht die Weichen für das künftige Verhältnis zwischen der Bezirksinspektorin und dem Oberst stellte. Obwohl das gut und gern zehn Jahre her war, erinnerte er sich noch ganz genau, wie Kappacher die damals blutjunge Bezirksinspektorin angefahren hatte: »Haben Sie den Verstand verloren?« Worauf Obermayr geradezu reflexhaft zur Antwort gab: »Wieso? Haben Sie ihn gefunden?« Auch damals war Kappacher knapp an der Schnappatmung gewesen.

      »Sie mit Ihren extraordinären Methoden«, presste er hervor. »Ih-ren Ermitt-lun-gen«, betonte er Silbe für Silbe wie ein Lehrer beim Diktat.

      »Aber damit ist jetzt Schluss! Das LKA Kärnten hat eine Dienstaufsichtsbeschwerde angekündigt. Ihnen droht ein Disziplinarverfahren, das sich gewaschen hat!«

      Am liebsten hätte Nemecek mit den Schultern gezuckt. Er spürte es schon kribbeln, hielt sich aber im letzten Moment doch noch zurück. Obermayr hatte schon genug Öl ins Feuer gegossen. Gleich im