Die Medizinstudenten
Sandra Norrbin
„Erzähl, was heute Abend deiner Meinung nach passieren soll“, sagte der Mann ihr gegenüber ruhig.
Es war eindeutig, dass er nicht zum ersten Mal mit einer Frau zusammensaß, die vor Nervosität so zitterte, dass sie ihr Glas kaum halten konnte.
Eigentlich wusste sie nicht mehr über ihn, als dass er Johan hieß und 47 Jahre alt war. Zwölf Jahre älter als sie, aber er fühlte sich gleichaltrig an. War sie alt geworden oder hatte er sich so gut gehalten?
Sofie sah ihn an und schluckte.
„Können wir noch ein bisschen damit warten?“, fragte sie schließlich.
Sie wurde rot.
„Ich habe so etwas noch nie getan“, sagte sie dann und trank von dem Wein, der auf dem Tresen vor ihr stand.
Johan lächelte sie an.
„Natürlich“, sagte er. „Das hier ist dein Abend, nicht meiner.“
Es dauerte nicht lange, bis er sie zum Entspannen gebracht hatte. Er hatte Humor und warme, braune Augen, die sie ansahen, als wäre sie die schönste Frau der Welt. Wäre die Situation eine andere gewesen, hätte sie ihn stolz zu ihren Freundinnen mitgenommen und ihn ihren Eltern vorgestellt.
Aber sie waren hier auf keinem gewöhnlichen Date und sie würde ihn nie jemandem vorstellen. Er war ihre Fantasie und sonst gar nichts.
Sofie nickte, als er sie fragte, ob er ihr nachschenken dürfe.
„Du weißt ja, was ich dir geschrieben habe“, setzte sie vorsichtig an.
Johan nickte.
„Ich weiß nicht, wieso, aber ich hatte eine Fantasie“, setzte sie fort, unterbrach sich dann aber.
Johan sagte nichts und trank etwas Wein. Er hatte für sie beide bestellt. Einen lieblichen Weißwein lieblichen für Sofie und einen herben Barolo für sich selbst. Er ließ den Wein im Mund kreisen, während er den Geschmack voll in sich aufnahm. Speichel, eine Veilchennote und trockene Früchte balancierten die herbe Note aus. Dieser Wein war die perfekte Mischung aus Hartem und Weichem. Die Kontraste des Weines sagten ihm zu.
Sofies Kontraste hatten ihm ebenfalls zugesagt. Sie sah so unschuldig aus mit ihren großen, hellblauen Augen und den blonden Haaren, aber unter der Oberfläche schlummerte etwas sehr viel Gewagteres. Er freute sich darauf, diese Seite von ihr hervorzukitzeln. Er nahm an, dass Sofie sehr viel mehr in sich verbarg, als ihr selbst klar war.
„Ich hab dir ja ein bisschen darüber geschrieben“, sagte sie und wurde noch röter.
Johan nickte. Er konnte sich kaum vorstellen, dass die schüchterne Frau vor ihm dieselbe war, die ihm so offen von ihren Träumen, Hoffnungen und Fantasien geschrieben hatte.
„Ist es schwer, darüber zu reden?“, fragte er.
Sofie nickte.
„Aber das ist noch etwas“, protestierte Sofie. „Ich bin ans Schreiben gewöhnt, aber nicht daran, hier zu sitzen und …“
Sie verstummte.
„Und es jemandem laut zu erzählen“, beendete Johan den Satz.
Sofie nickte erneut.
„Genau!“
„Wäre es einfacher, wenn ich erzähle, wie ich es verstanden habe, und du verbesserst mich, wenn nötig?“
Sofie sah ihn erleichtert an.
„Ja“, sagte sie. „Danke!“
„Wieso hast du mir überhaupt geschrieben?“, fragte Johan.
Sofie zögerte erst, beschloss dann aber, ehrlich mit ihm zu sein.
„Ich habe gedacht, dass du meine Fantasie Wirklichkeit werden lassen kannst“, sagte sie und setzte sich auf, als ob sie deutlicher für sich einstehen wollte.
„Die Medizinstudenten?“, fragte Johan.
Sofie sah auf den Tresen herunter und nickte.
„Wie lange hast du diese Fantasien schon?“, fragte er.
„Lange“, antwortete Sofie. „Es fühlt sich an, als hätte ich schon immer irgendwie darüber fantasiert.“
„Aber du hast es noch nie ausprobiert?“
Sofie schüttelte den Kopf.
„Nein, es gab nie die Gelegenheit, danach zu fragen. Es fühlte sich so doof an.“
„Warum?“, fragte Johan verwundert.
„Ich hatte nie so eine Art von Beziehung“, sagte Sofie. „Meistens hatten wir gewöhnlichen Sex. Missionarsstellung und so. Er wollte nichts anderes.“
„Dein Mann?“, fragte Johan, verbesserte sich aber schnell. „Entschuldige. Dein Exmann.“
Sofie nickte.
„Und jetzt willst du etwas anderes ausprobieren?“
„Ja“, antwortete Sofie. „Das will ich.“
„Erzähl mir davon.“
Sofie räusperte sich, als ob sie die Worte zusammensammeln wollte.
„Ich weiß nicht, ob es um die Untersuchung geht oder darum, so entblößt auf einem Gynäkologiestuhl zu liegen“, begann sie.
„Red weiter“, nickte Johan aufmunternd.
„Vielleicht geht es auch darum, die Verantwortung abzugeben?“, fuhr sie fort. „Einmal nichts tun zu müssen. Und du fühltest dich so vertraut an, dass ich dachte, du könntest mich das erleben lassen.“
„Das werde ich“, sagte Johan ruhig. „Wir können gleich los, aber vorher bekommst du noch etwas von mir“, sagte er und legte eine kleine Schachtel auf den Tresen.
Sofie holte tief Luft, als sie die Schachtel sah. Sie war schwarz mit einer breiten roten Schleife darum. Aus der Form konnte man nicht schließen, was darin war, aber Sofie vermutete, dass es nichts Romantisches sein würde. Sie konnte die Schachtel nicht aus den Augen lassen und spürte, wie die Geilheit in ihr größer wurde.
Johan knüpfte langsam die Schleife auf, hob aber nicht den Deckel. Stattdessen nahm er ihre Hand und legte die Schachtel hinein. Sofie wusste nicht, was sie tun sollte. Sie wagte nicht, die Schachtel zu öffnen, ohne dass er sie darum bat.
„Hast du schon einmal einen Analplug getragen?“, fragte Johan nach einer Weile des Schweigens, die ihr wie eine Ewigkeit vorkam.
Sofie holte Luft. Sie hatte noch nie einen Plug getragen oder anderes Sexspielzeug als einen Vibratorhasen gehabt.
„Nein, noch nie.“
„Mach es auf.“
Vorsichtig nahm Sofie den Deckel und öffnete die Schachtel ein wenig. Darin lag etwas Glänzendes. Überrascht sah sie Johan an, der ihrem Blick wortlos begegnete. Stattdessen bedeutete er ihr nickend, die Schachtel ganz zu öffnen. Es fühlte sich an, als ob alle in der Bar sie anstarrten, aber als sie sich im Lokal umsah, nahm niemand Notiz von ihr.
Sofie hob den Deckel von der Schachtel und sah den Plug an, der in schwarzen Samt gebettet war. Es war eher ein