Das Hexaemeron. Ambrosius von Mailand. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ambrosius von Mailand
Издательство: Bookwire
Серия: Die Schriften der Kirchenväter
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783849659660
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Alter reift sittlich die süßere Frucht in uns aus, erweist sich an Einsicht nützlicher, zur standhaften Ertragung des Todes bereitwilliger, zur Unterdrückung der Begierden stärker. Desgleichen bedeutet des Leibes Schwachheit des Geistes Gesundheit. Darum des Apostels Wort: „Wenn ich schwach bin, bin ich stark“135. Nicht seiner Kräfte, sondern seiner Schwachheiten rühmt er sich darum136. Ein göttlicher Ausspruch leuchtete auch aus jenem Heilsworte auf: „Die Kraft kommt in der Schwachheit zur Vollendung“137. Zu meiden sind jene „Sünden der Jugend“138, die unserem Willen entspringen, sowie die unvernünftigen Leidenschaften des Fleisches. Suchen wir also die Ursachen von dem, worüber wir selbst Herr sind, nicht außer uns, und führen wir sie nicht auf andere zurück, sondern erkennen wir an, was unser ist! Denn wenn wir uns für etwas, was wir, falls wir nicht wollen, auch nicht tun brauchen, entscheiden, so müssen wir doch lieber uns als anderen die Schuld zuschreiben. Darum bindet auch vor den weltlichen Gerichten die Verbrecher, die freiwillig und nicht gezwungen handelten, Schuld, trifft sie Strafe. Tötet einer im Wahnsinn einen Unschuldigen, verfällt er nicht der Todesstrafe. Ja selbst auch nach dem Ausspruche des göttlichen Gesetzes erhält einer, der ohne Vorbedacht Totschlag verübte, Straflosigkeit in Aussicht gestellt, Gelegenheit zur Zuflucht139, so daß er sich (der Strafe) entziehen kann. ― Soviel also vom Übel im eigentlichen Sinn. Denn Übel sind nur jene, die mit Schuld den Geist binden und das Gewissen schnüren. Im übrigen wird kein Vernünftiger Armut, Niedrigkeit, Krankheit, Tod als Übel bezeichnen oder in die Kategorie der Übel rechnen, weil auch ihre Gegensätze nicht als die höchsten Güter gelten; von diesen kommen uns ja augenscheinlich die einen von Natur, die andern durch glückliche Umstände zu.

      32.

      Nicht umsonst schickten wir diesen Exkurs voraus, um zu beweisen, daß „Finsternis“ und „Abgrund“ wörtlich zu nehmen sind. Die Finsternis stammte nämlich vom Schattenwurf des Himmels. Jeder Körper wirft nämlich einen Schatten, mit dem er die in seiner Nähe oder unter sich befindlichen Gegenstände, insbesondere jene, die er sichtlich bedeckt und einschließt, verdunkelt. Der Himmelsraum aber schließt (die Erde) ein, weil der Himmel, wie wir oben (6, 21) gezeigt haben, wie ein Gewölbe ausgespannt ist. Die dichte Finsternis war also nicht eine ursprüngliche Finsternissubstanz, sondern gleichsam nur der Schatten, welcher der körperlichen Welt folgte. So grenzte denn die Welt, da sie im Augenblicke des göttlichen Befehles auftauchte, nach innen einen Schattenbereich ab. Oder wird nicht ebenso, wenn jemand mitten auf einem Felde, das die Mittagssonne bescheint, mit einem Mal einen Platz abzäunt und mit dichtem Laubwerk überdeckt, diese Hütte mit ihrem schaurig dichten Laubwerk darüber140 um so finsterer werden, je heller die Außenseite dieser Stelle im Lichte erstrahlt? Oder warum nannte man einen solchen von allen Seiten abgeschlossenen Raum antrum (Höhle)? Doch nur wegen des Schaurigen seines schwarzen141 Aussehens und der darin lagernden Finsternis. Solche Finsternis nun lag auch über den Abgründen der Wasser. Denn daß man große und tiefe Wassermassen Abgrund nennt, lehrt die Lesung des Evangeliums an jener Stelle142, wo die Dämonen den Heiland „baten, er möchte ihnen nicht befehlen, in den Abgrund zu fahren“. Er indes, der lehrte, daß man den Dämonen nicht zu Willen sein dürfe, befahl ihnen, in die Schweine zu fahren, die Schweine aber stürzten sich hinab in den Wasserschlund. Es sollten die Dämonen dem Lose, gegen das sie sich sträubten, nicht entrinnen, sondern in jähem, verdientem Sturz in die Tiefe versenkt werden. ― Also war diese Welt nach Aussehen und Form „ungestaltet“.

      IX. Kapitel.

       Die Erschaffung des Lichtes (Gen 1,3). Das Licht der erste und notwendigste Schmuck der Schöpfung. Sein plötzliches Aufleuchten durch das ganze All. Auge und Licht. Die Ausscheidung des Lichtes (= Tag) von der Finsternis (= Nacht). Das Licht, nicht die Sonne gebiert den Tag.

      33.

      „Und der Geist Gottes schwebte über den Wassern. Und es sprach Gott: Es werde Licht“143. Mit Recht nun war zuvor noch vom Geiste Gottes die Rede, da wo Gottes Wirken seinen Anfang zu nehmen hatte. „Es werde Licht.“ Womit hätte auch Gottes Wort in der göttlichen Schrift beginnen sollen als mit dem Lichte? Womit hätte die Ausschmückung der Welt ihren Anfang nehmen sollen als mit dem Lichte? Sie würde ja umsonst dagewesen sein, wenn sie nicht sichtbar gewesen wäre. Gott selbst war zwar im Lichte, denn „er wohnt in unnahbarem Lichte“144, und er „war das wahre Licht, welches jeden Menschen erleuchtet, der in diese Welt kommt“145: aber er wollte ein Licht schaffen, das auch dem leiblichen Auge wahrnehmbar sein sollte. Wenn ein Familienvater ein Haus zu bauen wünscht, worin sich menschenwürdig wohnen lassen soll, fragt er sich, bevor er noch den Grund legt, woher er ihm Licht zuführen kann. Und das ist sein Hauptschmuck. Fehlt er, mutet das ganze Haus unschön und unwohnlich an. Das Licht ist es, das den sonstigen Schmuck des Hauses erst zur Geltung bringt. ― „Es werde Licht.“ Der lichtvolle Ausdruck selbst deutet nicht erst auf langwierige Vorkehrung, sondern strahlt wider vom Glanze der vollbrachten Tat. Der Schöpfer der Natur sprach „Licht“ und schuf es. Das Wort Gottes ist der Wille (Gottes), das Werk Gottes die Natur. Er schuf das Licht, hellte auf die Finsternis: „Und es sprach Gott: es werde Licht. Und es ward Licht“146. Nicht deshalb sprach er, daß die Wirkung (zeitlich) folgen sollte, sondern mit dem gesprochenen Worte vollbrachte er (gleichzeitig) das Werk. Darum die treffende Ausdrucksweise Davids: „Er sprach, da waren sie geschaffen“147. Das Vollbringen war die Erfüllung des Wortes. ― Der Schöpfer des Lichtes ist demnach Gott, Ort und Ursache der Finsternis hingegen die Welt. Es sprach aber der gütige Schöpfer in der Weise „Licht“, daß er mit dessen Strahl die Welt erschloß und ihrer Gestalt Schönheit verlieh. Es erstrahlte plötzlich der Luftkreis, und es schwand die Finsternis vor der Helle des neuen Lichtes; der Glanz, der mit einem Mal durch das Weltall flutete, verdrängte und versenkte sie gleichsam in die Abgründe. Schön und einzigartig heißt es darum: „Es ward Licht“. Gleichwie nämlich das Licht im Nu Himmel, Länder und Meere aufhellt und in einem Augenblick, sobald völlig unvermerkt im Glanze des aufgehenden Tages die Lande sich erschließen, rings vor unserem Auge sich ergießt, so sollte auch (der Bericht über) seine Entstehung nur kurz beleuchtet werden. Was Wunder auch, wenn Gott „Licht“ sprach und Licht über der dunklen Welt aufschimmerte? Kann doch schon ein Taucher im Wasser, wenn er aus dem Munde Öl ausfließen läßt, die Dinge, welche die verborgene Tiefe deckte, einigermaßen aufhellen. ― Es sprach Gott nicht so, daß mittels des Stimmorganes ein Ton beim Sprechen lautbar wurde, die Bewegung der Zunge das himmliche Wort formte und der Worte Schall diese Luft traf, sondern so, daß er seinen Willen durch die vollbrachte Tat nach außen zu erkennen gab.

      34.

      “Und er schied das Licht von der Finsternis. Und Gott sah das Licht, daß es gut ist“148. Er sprach, und niemand vernahm den Laut einer Stimme; er schied aus, und niemand merkte seines Schaffens Mühe; er sah, und niemand gewahrte seines Auges Blick. ― „Und Gott sah das Licht, daß es gut ist.“ Nicht etwas, was ihm unbekannt war, sah er, und nicht etwas, das er vorher nicht kannte oder nicht gesehen hatte, billigte er; guten Werken ist es vielmehr eigen, daß sie einer äußeren Empfehlung nicht bedürfen, sondern selbst bei ihrem Anblick von ihrer Vortrefflichkeit Zeugnis geben. Mehr besagt die Billigung des Auges als das Lob des Mundes; denn das Auge stützt sich auf das eigene Zeugnis, nicht auf fremde Empfehlung. Wenn nun schon bei uns mittels der Augen, die ein Schauen der anmutvollen Schönheit und der natürlichen Beschaffenheit der Dinge zugleich ermöglichen, ein Urteil sich fällen läßt, wieviel mehr sieht Gott, was er billigt, und billigt er, was er ansieht, nach dem Ausspruch der Schrift: „Des Herrn Augen ruhen auf den Gerechten“149. Die Natur des Lichtes ist derart, daß seine ganze Vorzüglichkeit nicht in der Zahl, nicht im Maß, nicht im Gewicht liegt wie sonst ein Vorzug, sondern im Anblick. Mit besonderen Wendungen bezeichnete also (die Schrift) die Natur des Lichtes, das deshalb beim Sehen Gefallen weckt, weil es selbst das Sehen ermöglicht. Und nicht umsonst war ihm ein so berufener Herold beschieden, von dem es mit Recht an erster Stelle Lob erntet, weil es gerade die Vorbedingung für das Lob bildete, dessen auch die übrigen Bestandteile der Welt würdig sind. ― „Gott sah das Licht“ und hellte es mit seinem Blicke auf und sah, „daß