Das Hexaemeron. Ambrosius von Mailand. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ambrosius von Mailand
Издательство: Bookwire
Серия: Die Schriften der Kirchenväter
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783849659660
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ihren Anfang, auf welchen der Bestand dieser Welt und der ganzen sichtbaren Schöpfung beruht. ― So mag denn unser Vortrag an die Wunderwerke des zweiten Tages herantreten, deren Großartigkeit nicht nach unserem Darstellungsvermögen, sondern nach der Schrift zu Gottes Preis zu beurteilen ist.

      3.

      Euch nun bitte ich, das, was wir glaubhaft aussprechen, gütigst im natürlichen Sinn verstehen und mit Herzenseinfalt und geistigem Interesse überdenken zu wollen, nicht nach Maßgabe philosophischer Schulmeinungen und „eitlen Trugs“167, die mit ihren Schlüssen nur den Schein des Wahren wecken, sondern nach Maßgabe der Wahrheitsregel, die in den Aussprüchen des Gotteswortes vorliegt und mit der Betrachtung ihrer so wunderbaren Erhabenheit den Herzen der Gläubigen sich einsenkt. Denn so steht geschrieben: „Befestige mich in Deinen Worten!“168 „Die Ungerechten erzählten mir ihre Gepflogenheiten, aber nicht wie Dein Gesetz, o Herr: nur Deine Gebote alle sind Wahrheit“169. Also nicht die Natur der Dinge selbst, sondern Christus, der in der Überfülle seiner Gottheit170 alles, was er wollte, geschaffen171, soll uns maßgebend sein für die Beurteilung der Geschöpfe und die Frage, was die natürliche Kraft zu leisten vermag. So fragte, als er im Evangelium einen Aussätzigen heilte172 und Blinden das Augenlicht wiederschenkte173, das Volk, das zugegen war und es sah, nicht lange nach den Regeln der Heilkunst, sondern bewunderte die Macht des Herrn und „lobte Gott“174, wie geschrieben steht. Auch den Moses bestimmten nicht die Zahlenkünste der Ägypter oder die Konstellation der Gestirne oder die Bemessungen der Elemente, daß er seine Hand ausstreckte, das Rote Meer zu teilen, sondern der Gehorsam gegen den göttlichen Machtbefehl. Darum bekennt er selbst: „Deine Rechte, Herr, ward verherrlicht in Macht; Deine Rechte, Herr, schlug nieder die Feinde“175. Dorthin, heiliges Volk, erhebe also deinen Geist, dahin lenke all’ deinen Sinn! Nicht so wie des Menschen Auge sieht Gottes Auge. Gott sieht ins Herz, der Mensch ins Gesicht. Und nicht so wie Gottes Auge sieht sonach des Menschen Auge. Du vernimmst, wie Gott sah und guthieß176: So miß denn die geschaffenen Dinge nicht nach deinem Augenmaß und beurteile sie nicht nach deinem Dafürhalten, glaube vielmehr, was Gott sah und guthieß, nicht nachprüfen zu sollen.

      II. Kapitel.

       Die “Veste inmitten des Wassers” von Gott gefestigt. Die Existenz nicht einer Einzahl, auch nicht einer Unzahl, sondern einer Mehrzahl von Himmeln. Die Sphärenmusik eine Fiktion der Philosophie.

      4.

      177 * „Und es sprach Gott: Es werde eine Veste inmitten des Wassers, und sie sei die Scheide zwischen dem Wasser. Und es ward also“*178. Vernimm die Worte Gottes! „Es werde“, spricht er. Es ist die Sprache eines Befehlenden, nicht eines Abwägenden. Er gebietet der Natur, folgt nicht ihrer Kraft, berechnet nicht ihre Größe, wägt nicht ihr Gewicht: Sein Wille ist der Dinge Maß, sein Wort des Werkes Vollbringung. ― „Es werde“, spricht er, „eine Veste inmitten des Wassers.“ Fest ist alles, dem Gott Bestand gibt. Und vollends zutreffend ließ er das „Es werde eine Veste“ dem folgenden Zusatz „inmitten des Wassers“ vorausgehen. Man sollte erst an die Erschaffung des Firmamentes kraft göttlichen Befehles glauben, bevor man über die Flüssigkeitsqualität des Wassers hinterdenklich würde. Faßt man nun die Natur der Elemente ins Auge: wie ließ sich „zwischen den Wassern“ eine Veste gründen? Jene sind doch flüssiger, diese fester Art; jene in Bewegung, diese in Ruhe. „Und sie sei Scheide zwischen den Wassern“, spricht er. Doch das Wasser liebt Vermischung, nicht Scheidung: wie kann er etwas anbefehlen, von dem er weiß, daß es nach der Eigenart der Elemente einen Widerspruch in sich schließt? Doch da sein Wort der Ursprung der Natur ist, hält er sich mit Recht befugt, der Natur Gesetze zu geben, nachdem er ihr auch den Ursprung gegeben hat.

      5.

      Doch erst wollen wir erwägen, was das Firmament ist? Ob es identisch ist mit dem, was er im vorausgehenden „Himmel“ genannt hat, oder etwas anderes? Und ob es zwei oder mehrere Himmel gibt? Einige behaupten nämlich, es gebe nur einen Himmel; für einen zweiten Himmel habe, nachdem es auch nach ihrer Meinung nur eine Hyle gibt, der Grundstoff unmöglich ausgereicht. Nachdem nämlich diese für den ersten Himmel vollständig aufgebraucht wurde, erübrigte nichts mehr für den Aufbau eines zweiten oder dritten Himmels. Andere dagegen nehmen unzählige Himmel und Welten an179, ernten aber aus den eigenen Reihen Spott damit ― sie liegen nämlich mit uns nicht in größerem Streit als mit ihresgleichen ―; letztere erbieten sich nämlich, mit mathematischen Zahlen und zwingenden Gründen den Nachweis zu erbringen, daß es einen weiteren Himmel nicht geben könne. Weder vertrage sich ein zweiter oder dritter Himmel mit der Natur, noch reiche die Kraft des Schöpfers zur Erschaffung eine Vielheit von Himmeln aus. Und doch, wer müßte nicht über dieses ihr künstliches Phrasentum lachen? Vom Menschen leugnen sie nicht, daß er aus ein und demselben Stoff eine Mehrzahl von gleichartigen Dingen herstellen kann, vom Schöpfer des Alls bezweifeln sie, ob er mehrere Himmel zu schaffen imstande war, da doch von ihm geschrieben steht: „Der Herr aber schuf die Himmel“180; und an einer anderen Stelle: „Alles, was er wollte, schuf er“181. Was auch könnte für den zu schwer sein, für den Wollen Vollbringen ist? So zerrinnt ihnen denn bei ihren Sophistereien über Gott jeder Grund für ein Unmöglich; denn auf ihn geht in Wahrheit das Wort: „Dir ist nichts unmöglich“182.

      6.

      Wir können sonach die Existenz nicht bloß eines zweiten, sondern auch eines dritten Himmels nicht in Abrede stellen, nachdem doch auch der Apostel nach Ausweis seiner Schriften versichert, in den dritten Himmel entrückt worden zu sein183. Auch David führt „die Himmel der Himmel“ im Chor der gottlobenden Wesen auf184. Ihn nachäffend brachten die Philosophen185 die Idee einer harmonisch erklingenden Bewegung von fünf Sternen (Planeten) sowie des Mond- und Sonnenballes auf186, mit deren Sphären oder besser Bällen das Universum in enger Beziehung stehen soll. Diesem, wie sie glauben, eingefügt und gleichsam eingegliedert, seien sie in rückläufiger Bewegung begriffen und erlitten wegen ihrer Gegenbewegung zu den übrigen (Himmelskörpern) einen Zusammenstoß. Durch diesen Anprall nun sowie durch die Bewegung der Sphären selbst entstehe ein süßes Tönen voll Lieblichkeit und Kunstmäßigkeit und entzückendem Wohlklang. Bei ihrer gewaltsamen Teilung löse nämlich die Luft infolge einer kunstgerechten Bewegung, welche die hohen und tiefen Töne melodisch ausgleiche, mannigfache Harmonien voll Ebenmaß aus, so daß sie jegliche Lieblichkeit musikalischen Sanges überböten.

      7.

      Fragt man nach der Glaubwürdigkeit dessen und verlangt man, sie möchten unsere Sinne, unser Gehör hiervon sich überzeugen lassen, sind sie verlegen. Wäre nämlich dem wirklich so, wie könnte es unserem Gehör, das selbst leisere Töne zu vernehmen pflegt, entgehen, wenn die Himmelskörper mit so gewaltigem Anprall aufeinanderplatzen? Wenn dort die Himmelssphäre, an welche man den Lauf der unaufhörlich rotierenden Sterne gebunden hält, eine von größeren Erschütterungen begleitete Umdrehung macht und akutes Getöse auslöst, hier ebenso gewaltiges der Mond? Wenn wir also darauf bestehen, daß wir von der Glaubwürdigkeit ihrer Behauptungen uns selbst durch unseren Gehörsinn überzeugen möchten, schützen sie vor, es seien unsere Ohren taub, es sei uns das Gehör abgestumpft geworden, weil wir vom ersten Augenblick unserer Geburt an das Getöse gewohnt seien187; und sie verweisen auf das Beispiel, wonach der Nil188, der größte der Ströme, gerade dort, wo er in Katarakten von gewaltigen Bergeshöhen niederstürzt, mit seinem mächtigen Getöse die Ohren der Anwohner so betäube, daß ihnen das Hören vergehen soll. Doch die Wirklichkeit selbst gibt ihnen die leichte Antwort. Denn wenn wir den Donner vernehmen, der durch den Zusammenstoß der Wolken erzeugt wird, sollten wir die Rotationen so gewaltiger Himmelskörper nicht vernehmen, die doch ein um so mächtigeres Getöse erzeugen müßten, je größer die Geschwindigkeit ist, mit der sie angeblich aufeinanderstoßen? Sie fügen außerdem noch bei, daß dieses Tönen deshalb nicht zur Erde dringe, damit die Menschen nicht, entzückt von der Lieblichkeit und dem Wohlklang,