Das Hexaemeron. Ambrosius von Mailand. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ambrosius von Mailand
Издательство: Bookwire
Серия: Die Schriften der Kirchenväter
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783849659660
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      IV. Kapitel.

       “Im Anfang” (Gen 1,1). Der Schöpfungsanfang ein Schöpfungsfrühling, die Osterzeit. Christus, der mystische Anfang. Anfang gleichbedeutend mit Inbegriff.

      12.

      Daß es nun einen (Welt-) Anfang gibt, lehrt der, welcher spricht: „Im Anfang hat Gott Himmel und Erde geschaffen“. „Anfang“ kann entweder auf die Zeit oder auf die Zahl oder auf das Fundament bezogen werden, wie bei einem Hausbau das Fundament den Anfang bildet35. Daß man auch von dem Anfang einer Bekehrung, einer Entartung reden kann, wissen wir auf Grund der Schrift. Desgleichen hat die Kunst ihren Anfang gerade im Können, von dem in der Folgezeit das Schaffen der verschiedenen Künstler seinen Ausgang nahm. Es haben ebenso die guten Werke ihren Anfang, (nämlich) den guten Endzweck. So besteht der Anfang der Barmherzigkeit darin, es möchte dein Tun Gott gefallen: der stärkste Beweggrund zur Hifeleistung an die Menschen. Es gibt übrigens auch eine Eigenschaft Gottes, die man so bezeichnet. ― Eine Zeitbeziehung liegt vor, wenn man ausdrücken wollte, in welchem Zeitpunkte Gott den Himmel und die Erde geschaffen hat, d. i. im Augenblicke der Weltentstehung, als sie zu werden anfing. So spricht die Weisheit: „Als er bereitete den Himmel, war ich mit ihm“36. ― Falls wir aber die Beziehung auf die Zahl machen wollten, würde man’s am besten so verstehen: Zuerst hat er den Himmel und die Erde geschaffen37, sodann die Anhöhen, das Gelände, die bewohnbaren Gegenden; oder so: Vor allen anderen sichtbaren Geschöpfen, vor dem Tage, der Nacht, den Fruchtbäumen, den verschiedenen Tierarten, hat er den Himmel und die Erde geschaffen. ― Macht man aber die Beziehung auf das Fundament, so beruht, wie du gelesen, der Erde Anfang in einer Grundfeste; denn so spricht die Weisheit: „Als er schuf die starken Grundfesten der Erde, war ich ordnend bei ihm“38. ― Auch eine tüchtige Schulung hat ihren Anfang. Darauf bezieht sich das bekannte Wort: „Der Weisheit Anfang ist die Furcht des Herrn“39. Wer nämlich den Herrn fürchtet, meidet die Sünde und lenkt seine Wege nach der Tugend Pfad; wer Gott nicht fürchtet, vermag ja der Sünde nicht zu entsagen.

      13.

      Wir könnten dies ebenso auch von der folgenden Stelle annehmen: „Dieser Monat (Nisan) soll euch der Anfang der Monate sein“40. Sie muß freilich auch zeitlich verstanden werden, weil eben vom Pascha des Herrn die Rede war, dessen Feier in den Frühlingsanfang fällt41. An diesem „Anfang der Monate“ nun hat Gott den Himmel und die Erde geschaffen; denn die Entstehung der Welt sollte zu der Zeit statthaben, da allen Dingen warmer günstiger Frühlingshauch wehte. So spiegelt denn das Jahr das Bild der werdenden Welt wider: Auf Winterfrost und Winternacht erstrahlt freundlicher denn sonst des Frühlings Pracht. Ein Bild der künftigen Jahresläufte also bot das erste Entstehen der Welt: Demselben Gesetze folgend ziehen im Wechsel die Jahreszeiten herauf und sproßt zu Beginn jedes Jahres die Erde neue keimende Saat hervor, seitdem zum ersten Mal Gott der Herr gesprochen hatte: „Es sprosse die Erde das Grün des Grases, Samen treibend nach seiner Art und nach seiner Beschaffenheit, und fruchttragende Fruchtbäume. Und sogleich brachte die Erde das Grün des Grases hervor und die Fruchtbäume“42. Sowohl die göttliche Vorsehung, die ewig lenkende, als auch die rasch sprossende Erde sprechen für unsere Deutung auf die Frühlingszeit. Denn wenn es auch zu jedweder Zeit Gott zugestanden hätte, zu gebieten, der Erdennatur, zu gehorchen, so daß sie auch bei Wintereis und Winterfrost unter dem belebenden Hauche des himmlischen Gebotes geknospet und Frucht getrieben haben würde, so lag es doch nicht im ewigen Ratschlusse, vor eisiger Kälte starrende Flächen mit einem Mal zu grünen Fruchtgefilden auftauen zu lassen und in rauhen Frost zarte Blüten zu streuen. Um also die Frühlingszeit bei der Erschaffung der Welt anzuzeigen, spricht die Schrift: „Dieser Monat ist euch der Anfang der Monate, der erste ist er euch unter den Monaten des Jahres“, mit dem „ersten Monat“ die Frühlingszeit bezeichnend. Denn füglich sollte der Schöpfung Anfang mit dem Jahresanfang zusammenfallen und die Schöpfung selbst durch linder Lüfte Wehen befruchtet werden. Sonst wären nämlich der Dinge zarte Anfänge nicht imstande gewesen, sei es den Druck allzu rauher Kälte zu ertragen, sei es die Unbill versengender Hitze zu überstehen.

      14.

      Zugleich mag man, weil es mit Recht hierher gehört, beachten, daß der gnadenvolle Eintritt in diese Schöpfung und in diese Lebenssphäre sichtlich zu der Zeit erfolgen sollte, da auch der ordnungsmäßige Übergang von dieser Welt (generatio) in die Welt der Wiedergeburt (regeneratio) statthat43. Hielten doch auch die Kinder Israels zur Frühlingszeit den Auszug aus Ägypten und den Durchzug durch das Meer, „getauft in der Wolke und im Meere“, wie der Apostel sich ausdrückte44. Und zu dieser Jahreszeit wird auch das Pascha des Herrn Jesus Christus gefeiert, d. i. der Übergang der Seelen vom Sündenleben zur Tugend, von den Leidenschaften des Fleisches zur Gnade und zur Enthaltsamkeit des Geistes, vom „Sauerteig der Bosheit und Verderbtheit“ zur „Wahrheit und Lauterkeit“45. Auf die Wiedergeborenen geht sonach das Wort: „Dieser Monat ist euch der Anfang der Monate, der erste ist er euch unter den Monaten des Jahres“. Es verläßt und flieht nämlich der Täufling den Pharao im geistigen Sinn, den Fürsten dieser Welt, indem er spricht: „Ich widersage dir, Teufel, und deinen Werken und deiner Herrschaft“46. Und er wird ihm nicht mehr frönen, noch den irdischen Leidenschaften dieses Leibes, noch den Verirrungen des verderbten Geistes, vielmehr versenkt er alle Bosheit wie mit Bleigewicht in die Tiefe, wappnet sich zur Rechten und zur Linken mit guten Werken: so bemüht er sich, ungehemmten Schrittes durch das Meer dieser Welt hindurchzuschreiten. Auch die Schrift spricht im Buche Numeri: „Der Erstling der Völker ist Amalek, und seine Nachkommenschaft wird untergehen“47. Gewiß ist Amalek nicht an sich das erste unter allen Völkern, wohl aber, insofern man Amalek verdolmetscht für „König der Gottlosen“48 nimmt. Die Gottlosen aber sind die Heiden. Sieh also, ob wir nicht den Fürsten dieser Welt darunter zu verstehen haben, der über die Heidenvölker herrscht, die ihm zu Willen sind. „Seine Nachkommenschaft wird untergehen“. Seine Nachkommenschaft aber sind die Gottlosen und Ungläubigen, denen des Herrn Wort gilt: „Ihr habt den Teufel zum Vater“49.

      15.

      [Forts. ] Es gibt auch einen mystischen Anfang, so wenn es heißt: „Ich bin der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende“50, und insbesondere, wenn der Herr im Evangelium auf die Frage, wer er sei, erwiderte: „Der Anfang, der ich auch zu euch rede“51. Er ist in Wahrheit seiner Gottheit nach der Anfang von allem, weil niemand vor ihm ist, und das Ende, weil niemand nach ihm ist. Nach dem Evangelium ist er der Anfang der Wege des Herrn zur Vollbringung seiner Werke52: durch ihn soll das Menschengeschlecht die Wege des Herrn gehen und die Werke Gottes vollführen lernen. In diesem Anfang also, d. h. in Christus, hat Gott den Himmel und die Erde geschaffen; denn „durch ihn ist alles geworden und ohne ihn ist nichts geschaffen, was geschaffen ist“53; aber auch in ihm, weil „alles in ihm besteht“54. Und er ist „der Erstgeborene der ganzen Schöpfung“55, sei es weil er vor aller Schöpfung ist, sei es weil er der Heilige ist; denn die Erstgeborenen sind heilig56, so Israel, „der Erstgeborene“57, nicht weil es vor allen (Völkern) war, sondern weil es vor allen übrigen heilig war. Der Herr aber ist heilig vor jedem Geschöpfe, auch der Menschheit nach, die er angenommen hat; denn er allein ist sündelos, er allein unvergänglich, „die ganze Schöpfung aber der Vergänglichkeit unterworfen“58.

      16.

      Wir können’s auch so verstehen: „Im Anfange hat Gott den Himmel und die Erde geschaffen“, d. i. vor der Zeit. So ist der Anfang eines Weges noch nicht der Weg, und der Anfang eines Hauses noch nicht das Haus. So haben denn auch andere die Lesart * ἐν κεφαλαίῳ* [en kephalaio], gleichsam „im Haupte“, wodurch angedeutet wird, daß der Hauptinhalt der Schöpfung in einem kurzen, winzigen Augenblick vollendet war59. Es gibt sonach auch Autoren, welche das Wort Anfang nicht zeitlich, sondern vorzeitlich, und * κεφάλαιον* [kephalaion] oder caput, wie wir lateinisch sagen, als den Inbegriff