Die Rabenringe - Gabe (Band 3). Siri Pettersen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Siri Pettersen
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783038801153
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habe Schwarzfeuers Platz übernommen, aber keine Sorge. Ich werde nicht zulassen, dass du es dir zur Gewohnheit machst, deine Vorgesetzten zu töten.« Sie ging zurück zum Feuer. Dort wimmelte es inzwischen von Leuten, das ganze Lager hatte sich versammelt. Sie blickte Rime wieder an.

      »Du lebst. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte ist, dass es bedeutet, ein Sturm kommt auf uns zu, nicht wahr?«

      Er nickte. »Der schlimmste, den je einer von uns gesehen hat«, erwiderte er.

      Schwarz gekleidete Krieger saßen um das Feuer. Einige hatten sich hingelegt, wohl wissend, dass ein neuer Tag bevorstand und sie nicht länger würden schlafen dürfen, nur weil Rime von den Toten zurückgekehrt war. Aber die meisten blieben sitzen. Sie wollten nicht so tun, als wäre dies ein Abend wie jeder andere.

      Anfangs war das Gelächter noch nervös, während sie wild fabulierten, wie sie diese Tore nutzen würden. Diese Rabenringe.

      Einige behaupteten, sie würden alles aufgeben, was sie besaßen, in der Hoffnung, an einen besseren Ort als diesen zu kommen. Andere wollten sie als Fluchtwege in einem raffinierten Räuberleben nutzen, in dem sie Reichtümer aus allen erdenklichen Welten zusammenplünderten. Torgar erntete Lob für seine Idee, in jeder Welt eine Frau zu haben, bis jemand darauf hinwies, dass es in keiner Welt eine Frau gab, die Ja zu Torgar gesagt hätte.

      Das führte zu vorhersehbaren Spekulationen darüber, wie viel Mann ein Ymling war, verglichen mit Männern in anderen Welten.

      Das Gelächter schallte über den Platz, während Teekannen die Runde machten.

      Rime war froh, dass keiner von ihnen ahnte, was es erforderte, zu reisen. Sie fragten natürlich, aber er sagte, er wisse es nicht. Es gab allzu vieles, was er nicht sagen konnte. Deshalb klafften große Löcher in seinen Erklärungen und Orjas lange Blicke sagten ihm, dass sie es merkte.

      Er konnte von Graal erzählen, dem Totgeborenen, der nicht eher ruhen würde, bis Ymsland den Nábyrn gehörte. Und er konnte von Hirka erzählen, die jetzt bei ihnen war, in dem vergeblichen Versuch, sie aufzuhalten. Von dem Schnabel konnte er niemals jemandem erzählen.

      Aber dass er sich den Schwanz abgeschlagen hatte, um in der Welt der Menschen zu überleben, das konnte er nicht verheimlichen. Das müsste sich doch auf das Gleichgewicht auswirken, meinten sie. Sveinn, der sein Licht immer unter den Scheffel stellte, sagte, selbst er könnte Rime jetzt besiegen. Die anderen lachten. Irgendwer sagte, jetzt könnte jeder Rime besiegen. Da lachten sie noch lauter.

      Aber dann fiel ihnen wieder ein, wen Rime zuletzt besiegt hatte. Sie dachten daran, dass der unbesiegbare Schwarzfeuer nicht in ihrer Mitte saß und es auch nie mehr tun würde. Ihre Blicke wurden unruhig und sie suchten sich ein anderes Gesprächsthema.

      Als sich die Gelegenheit ergab, zog Rime sich still zurück. Er hatte kaum ein paar Worte mit Orja gewechselt, aber gehört hatte er mehr als genug. Sie würde ihn nicht unterstützen.

      Er folgte einem schmalen Pfad zu einer der Übungshallen. Sie lag ganz oben auf dem bewaldeten Berggipfel. Das Dach war weiß von Schnee. Es war so gebaut, dass es ein Stück über die Wände hinausragte und eine schmale Veranda schützte, die sich rund ums Haus zog. Wie oft war er auf Händen diesen ganzen Weg gelaufen? Wie oft hatte er von vorn anfangen müssen, weil er umgefallen war?

      Rime betrat die Veranda und öffnete die Falttür. Der Wind fuhr hinein, als wäre in dem leeren Raum ein Sog. Er riss eine Wolke aus Puderschnee mit sich, der sich in die Kerben des Fußbodens legte. Einige davon waren jahrhundertealt. Andere so neu, dass sie von ihm stammten. Kerben von seinem Schwert. Von seinem und Schwarzfeuers.

      Rime schloss die Augen. Er konnte beinahe hören, wie Stahl auf Stahl traf. Holzstock auf Holzstock. Glaubte den Geruch von Schweiß wahrzunehmen. Schwarzfeuers Stimme, wie ein Echo aus Draumheim.

       An dem Tag, an dem ich gegen dich verliere, wird es aus Liebe geschehen.

      Rime spürte, wie sich seine Lippen verzogen. Er musste gegen das aufsteigende Weinen ankämpfen. Gegen die Trauer, die er nicht zulassen wollte.

      Was hätte er denn tun sollen? Welche Wahl hatte er denn gehabt? Darkdaggar davonkommen lassen? Ihn nicht herausfordern? Und als er sah, dass sein Gegner Schwarzfeuer war, hätte er da sein Schwert wegwerfen sollen? Sich töten lassen?

      Das Geräusch von Schritten auf dem Pfad. Da kam jemand.

       Orja.

      Sie blieb in der Tür stehen, die Hände in die Seiten gestemmt.

      »Du bist nicht einverstanden«, sagte sie.

      Das war nicht das, woran Rime gedacht hatte, aber er berichtigte sie nicht. Sie kam einen Schritt näher. »Wir sind Schwarzröcke, Rime. Wir können uns nicht aussuchen, auf wen wir hören oder von wem unsere Befehle kommen sollen. Ob wir einverstanden sind oder nicht, wir sind das Werkzeug des Rates. Ganz gleich, aus wem der Rat besteht.«

      Rime drehte sich zu ihr um. Sie war zwischen dreißig und vierzig Winter alt. Ihr dunkles Haar war im Nacken geschnürt.

      »Ich bin in Eisvaldr aufgewachsen«, erwiderte er. »Ich weiß, wie das läuft.«

      »Und warum versuchst du dann, etwas anderes zu tun?« Sie hatte die Stimme erhoben. »Was dachtest du, was wir sagen würden?«

      »Du hast deine Wahl getroffen«, antwortete Rime.

      Sie kam mit raschen Schritten auf ihn zu. Zeigte auf ihn, als hätte er protestiert. »Rime An-Elderin, du hast mehr bekommen, als du dir hättest erträumen können. Du wirst gesucht, aber du bist kein Gesetzloser. Sie suchen dich immer noch als einen Vermissten. Deshalb steht es dir frei, hierzubleiben. Niemand wird dich verraten. Hundert Männer dort draußen würden ihren Arm für dich opfern. Manche sogar ihr Leben.«

      »Das beruht auf Gegenseitigkeit.« Er wandte ihr wieder den Rücken zu.

      Sie seufzte. »Glaubst du, ich würde dir nicht helfen, wenn ich könnte? Ich kann mir vorstellen, dass du recht hast, Rime, durchaus. Nach allem, was ich gehört habe, ist es mehr als wahrscheinlich, dass Darkdaggar dich umbringen wollte. Nicht nur er, sondern auch die anderen. Aber wir können nicht danach handeln, was wir glauben. Und wenn es so kommt, wie du sagst, dass die Reiche aufeinander losgehen, dass Totgeborene in Ymsland einfallen … ja, dann folgen wir den Befehlen des Rates, auch dann.«

      Rime sah sie an. Er wusste nicht, mit wem sie diskutierte, aber er war es nicht. Sie lehnte sich gegen die Wand. Verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich habe viel über dich gehört, Rime. Du hättest die meisten der Männer da draußen dazu bringen können, ihre Befehlshaber zu verraten. Garm Darkdaggar im Schlaf abzuschlachten. Du hast gehört, was sie gesagt haben, sie wären dir durch Tore in unbekannte Welten gefolgt, wenn nötig.«

      »Aber du nicht?«

      Sie seufzte wieder. »Weißt du, warum sie mich nach Schwarzfeuers Tod zur Mesterin befördert haben? Hier in Blindból war ich gar nicht die Nächste in der Reihe. Ich wäre in Haglefjell an der Reihe gewesen, aber sie haben mich hierher versetzt. Warum?«

      Rime konnte sich eine Menge Gründe vorstellen, aber er nannte keinen davon. Sie fuhr fort: »Weil sie erwartet haben, dass die Männer protestieren. Was sagt dir das?«

      Rime lächelte. »Dass der Rat seine eigenen Krieger nicht kennt.«

      Sie lächelte zurück. »Genau. Sie haben nie auch nur einen Tag bei den Schwarzröcken verbracht. Sie verstehen nicht, dass Disziplin das Einzige ist, was uns antreibt. Protestieren? Wir protestieren nicht, wir führen aus! Ich war ein Werkzeug für sie. Ein Hilfsmittel, um das Vertrauen der Schwarzröcke zurückzugewinnen. Der Plan war einfach: Sie befördern mich, warten auf Proteste, und wenn welche gekommen wären, hätten sie ihren guten Willen bewiesen, indem sie mich ersetzt hätten. Dass ich immer noch hier bin, liegt am Unverstand des Rates. All das weiß ich und trotzdem werde ich ihre Befehle