Monstermauern, Mumien und Mysterien Band 3. Walter-Jörg Langbein. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Walter-Jörg Langbein
Издательство: Bookwire
Серия: Monstermauern, Mumien und Mysterien
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783967247251
Скачать книгу
ein Licht aus. War man ihnen auf die Schliche gekommen? Das Licht, zunächst mehrere hundert Meter entfernt, kam immer näher. Die Gestalt war in einen langen Umhang gehüllt und trug eine flackernde Laterne. Als sich der Wind drehte, meinten die Grabräuber den Geruch von Moder wahrzunehmen und das Klappern von Knochen zu hören. Schließlich schien das Wesen sie entdeckt zu haben und kam auf ihre Grube zu. Es ächzte und stöhnte dabei.

      Vor Angst wie gelähmt beteten die drei Burschen um himmlischen Beistand. Die Kreatur blieb stehen. Im Mondlicht war nun zu erkennen, dass sie nicht das Gesicht eines lebenden Menschen hatte, sondern die grinsende Fratze eines Totenschädels. Langsam hob der Zombie einen Arm und deutete mit seiner Knochenhand in Richtung der zitternden Schatzsucher. Der Zombie - und nichts anderes konnte das Wesen nach Ansicht der Männer in der Grube sein – drehte sich um und gab einen heulenden Laut von sich. Da erhoben sich in einiger Entfernung zwei, drei ähnliche Gestalten und wankten zielstrebig in Richtung der Grabräuber. Hatte ihr letztes Stündlein geschlagen? Die Gestalten näherten sich ihnen. Waren sie den Zombies hilflos ausgeliefert? Konnten sie mit ihren einfachen Werkzeugen die Kreaturen der Nacht abwehren? Plötzlich wich die von Angst verursachte Starre von ihnen. Sie sahen nur eine Chance: Flucht vor den Unheimlichen. In Rekordgeschwindigkeit verließen die jungen Männer das Erdloch und rannten so schnell wie noch nie im Leben davon. Ihre Werkzeuge ließen sie zurück.

      Einer von ihnen blickte aus sicherer Entfernung noch einmal zurück. Vier Zombies starrten in das Loch, das die Burschen ausgehoben hatten. Hinter ihnen stand der Vollmond tief am Himmel, hinter den unheimlichen Wesen. Für Sekunden meinte der entsetzte junge Mann erkennen zu können, dass es lebende Leichen waren, wandelnde Skelette, an deren Knochen Reste von mumifiziertem Fleisch hingen: Untote aus dem Zwischenreich.

      Der kompetente Prof. Hans Schindler zum Verfasser: »Für viele Menschen aus Chauchilla waren die jugendlichen Grabräuber von Zombies vertrieben. Als moderner Wissenschaftler darf ich an eine solche Erklärung nicht glauben. Gibt es eine bessere, eine natürliche?«

      Tatsächlich liegt eine realistischere Lösung auf der Hand. Aber entspricht sie auch der Wahrheit, oder nur modernem Wunschdenken, das Mysteriös-Unheimliches nicht zulassen mag? Der Friedhof von Chauchilla wird schon seit Jahrzehnten von professionellen Grabräubern heimgesucht, die mit den Archäologen eine Art Wettkampf austragen. Waren vielleicht die »Zombies« nichts anderes als Grabräuber, die sich unliebsame Konkurrenz vom Leibe halten wollten? Das wäre eine auch für moderne Menschen der Jetztzeit akzeptable Lösung.

      Tatsächlich sind auch heute noch Grabräuber im dem weiten Areal aktiv. Es fehlt an finanziellen Mitteln für archäologische Ausgrabungen. Eine Rund-um-die-Uhr-Bewachung des weitläufigen Geländes mitten in der Wüste ist nicht finanzierbar. Außerdem schrecken viele Einheimische davor zurück, nachts auch nur in die Nähe des mysteriösen Friedhofs zu gehen. Dann werden die Grabräuber aktiv. Man kann sie auch am Tage antreffen. Auf den ersten und zweiten Blick sind sie nicht von Archäologen zu unterscheiden. Sie hoffen auf Grabbeigaben und graben systematisch nach weiteren Mumien, die vor Jahrtausenden der Wüste anvertraut wurden.

      Wer heute das Gräberfeld von Chauchilla aufsucht, fühlt sich in eine andere, höchst fremdartige Welt versetzt. Absolute Windstille und scharfe Windböen wechseln einander ab. Der Boden blitzt weißlich auf – im gleißenden Sonnenlicht ebenso wie nachts bei Vollmond. Unzählige Gräber sind geöffnet. Ihre »Bewohner« hocken, mit eng an den Leib gezogenen Beinen, tief unten in den Gruben. Schaut man näher hin, dann erkennt man, dass die Körper in sackartigen Gewändern stecken. Manchmal halten schmale zusätzliche Stoffbahnen die »Bekleidung« der Mumien zusammen, manchmal sind es sauber gearbeitete Seile.

      … von Chauchilla

      Je nach Stand des Toten ist der Stoff grob oder fein. Auch die Toten unterscheiden sich. Arm und Reich wurden aber offenbar nebeneinander beigesetzt. Wahrscheinlich wurden unzählige Arme einfach im trockenen Wüstenboden verscharrt. Reicheren gewährte man »Grabkammern« aus getrockneten Ziegeln. Es gab aber offenbar keine separaten Friedhöfe für Arme und Reiche.

      Die Totenschädel wurden nicht in Stoff gehüllt, sondern auf die Knochensäcke gesetzt. War das schon immer so? Oder haben die Ausgräber die Schädel aus den Leichensäcken geholt? Archäologen, die ich befragte, verneinten das. Die Gebeine sollten durch die sackartige Umhüllung zusammengehalten werden. Kein Knochen sollte verloren gehen. So und nur so konnte es ein Leben nach dem Tode geben. Die Schädel aber mit dem prachtvollen Haar wollte man nicht zu den übrigen Knochen in die Säcke stecken. Die Toten sollten in stolzer Haltung die Reise von unserer in die andere Welt antreten.

      Die Mumien von Chauchilla wurden, wie die von Chile, nicht präpariert wie ägyptische. Man hat auch nicht ihre Innereien entfernt. Vielmehr trockneten die Körper im heißen Wüstensand aus.

      Erstaunlich gut erhalten sind diese uralten Stoffe. Auch die groben sind manchmal mit besonderer Sorgfalt gewebt. Es kommt mir so vor, als hätten Arme ihren Verstorbenen besonders liebevoll gewebte Stoffe umgelegt. Wenn sie schon teure Ware nicht leisten konnten, so sollten doch die »groben» Stoffe so sorgsam wie nur möglich gearbeitet sein.

      Uralte Stoffe aus Gräbern

      Wirklich krass ist der Kontrast zwischen den ausgebleichten Schädeln und dem Haaren, die wie dichte Perücken auf den Häuptern der Toten sitzen. Zu Lebzeiten müssen die Menschen prachtvolle Mähnen gehabt haben. Es sind die echten Haare der Toten, die zum Teil Jahrtausende im Wüstenboden auf ihre Auferstehung gewartet haben. Die Rückkehr ins Reich der Lebenden dürften sie sich vollkommen anders vorgestellt haben, als von Grabräubern oder Archäologen ans Tageslicht gezerrt zu werden.

      Kilometerweit liegen heute auf dem riesigen Areal von Chauchillo Knochensplitter unterschiedlichster Größe verstreut, zu Hunderttausenden, nein zu Millionen.

      Wie alt mögen die Knochen sein? Mir wurde glaubhaft versichert, dass noch vor wenigen Jahrzehnten Tote auf dem Friedhof von Chauchilla beigesetzt wurden. Was will man den Toten wünschen, ob sie vor einigen Jahrzehnten oder einigen Jahrtausenden beigesetzt wurden? Endet unsere Pietät nach einiger Zeit?

      Die aschfahle Scheibe des mitternächtlichen Vollmonds steht tief über der gespenstischen Wüstenlandschaft Chiles. Der pechschwarze Himmel lässt unzählige Sterne heller erscheinen als sonst wo auf der Welt. Kein Baum ist zu sehen, kein Strauch unterbricht die Monotonie. Mit etwas Phantasie kann man sich auf den Mond versetzt fühlen.

      Der weißgelbliche Staub macht mir das Gehen schwer. Die kalte Luft beißt in den Lungen. Längst habe ich die Orientierung verloren. Liegt die Straße jetzt rechts von mir oder hinter mir? Immer wieder stolpere ich über scharfkantige Felsbrocken. Ein-, zweimal stürze ich in den festgebackenen Wüstensand, irgendwo im Niemandsland zwischen Iquique und Patillos.

      Die Strahlenfinger unserer Taschenlampen tasten sich durch die Dunkelheit. Sie springen umher. Sie tasten sich ruckartig durch die Schwärze der Nacht. Von irgendwo ertönt so etwas wie ein anhaltendes grelles Hupen. Oder ist es eine Polizeisirene? Wir schalten wie auf Kommando unsere Taschenlampen gleichzeitig aus. Pedro lacht. »Wenn man dich hier erwischt, wirst du sicher nach einigen Wochen oder Monaten abgeschoben.«, hatte mir vor einigen Stunden Pedro im Auto erklärt. »Aber bis es so weit ist, sitzt du in Untersuchungshaft. Und unsere Gefängnisse hier sind wirklich keine Hotels!« Ich habe erst gar nicht versucht, mir ein Bild von den Zuständen in den örtlichen Haftanstalten zu machen. »Die meisten Polizisten gehen mit Grabräubern eher nachsichtig um. Weil die meisten von ihnen den einen oder den anderen Verwandten haben, der auf diese illegale Weise sein Geld verdient. Und manche Polizisten sind selbst im Gewerbe. Aber auf Gringos, die unsere Erde durchwühlen, reagieren sie oft allergisch.«

      Pedro, der Anführer, bleibt plötzlich unvermutet stehen. In Spanisch raunt er seinen vier Gehilfen Befehle zu. Pedro bückt sich sucht nach einem Zeichen. Er findet es. Ein »Späher« hat es am Tag in einen Stein geritzt. Hier müsste