Monstermauern, Mumien und Mysterien Band 3. Walter-Jörg Langbein. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Walter-Jörg Langbein
Издательство: Bookwire
Серия: Monstermauern, Mumien und Mysterien
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783967247251
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gab.

      …schützen Kuelap

      Weitere Türme standen einst im Inneren der Anlage, an der Nord- und an der Südseite. Es soll sich um Wachtürme gehandelt haben. Von den Türmen aus konnte man offenbar alle weitaus tiefer gelegenen Dörfer beobachten. Fürchtete man Angriffe? Von astronomischer Bedeutung könnte ein anderes Bauwerk gewesen sein, vielleicht eine Art Observatorium? Das »Castillo« hatte, wie Ausgrabungen ergeben haben, einst ein rechteckiges Fundament und bestand aus drei plattformartigen Stockwerken. Oder war das »Castillo« eine Verteidigungsanlage, innerhalb des gewaltigen Mauerwerks? Das macht wenig Sinn: Befindet sich die vermeintliche »Verteidigungsanlage« eher im mittleren Bereich von Kuelap. Feinde, die erst einmal so weit in das Innere der Stadt vorgedrungen waren, konnten kaum noch abgewehrt werden, hatten sie doch dann das Zentrum von Kuelap bereits erobert! Die riesige Mauer um den Komplex herum, sie war ein riesiges Bollwerk zur Verteidigung, aber doch keine Gebäude im Zentrum!

      Drei »Tore« führen in die Stadt, zwei an der Ostseite und einen an der Westseite. »Tore«... der Begriff führt in die Irre. Es sind eigentlich nur schmale Spalten in der mächtigen Steinmauer. Eine Vorrichtung zum Verschließen dieser Eingänge gab es nicht. Angreifer, die sich einem dieser »Risse« der Mauer näherten, konnten von den Verteidigern mit Steinen bombardiert werden. Hatten sie die schmalen Türen erreicht, mussten sie feststellen, dass sich kein offener Blick auf das Innere der Stadtanlage bot, sobald sie sich durch den schmalen Spalt gezwängt hatten. Vielmehr musste sie erkennen, dass sie sich einzeln und hintereinander gehend durch einen engen, steinernen Korridor quälen mussten, und zwar eine steinerne Treppe empor. Ein Ende dieses schmalen Gangs, der zudem in einer Kurve verläuft, war nicht auszumachen. Und Krieger, die sich durch diese Enge zwängten, ihre Waffen so gut wie nicht einsetzen konnten, wurden von oben bombardiert. Die Verteidiger von Kuelap konnten den Angreifern hart zusetzen, ohne selbst verwundbar zu sein.

      Drei oder vier Tausend Menschen sollen einst in »Kuelap« gelebt haben. Wurde die Stadt trotz der gewaltigen und ausgeklügelten Verteidigungsanlage trotzdem von den Inkas eingenommen? Wurden die »Wolkenkrieger« getötet oder als Sklaven verschleppt? Oder wurden sie durch langanhaltende Belagerung ausgehungert? Wir wissen es nicht! So viele Fragen blieben bis heute unbeantwortet!

      Kuelap, Stadt der Wolkenkrieger

      Im Inneren der Anlage hat man bis heute etwa 420 steinerne Fundamente runder Häuser nachweisen können. Sie sahen wie kleine Miniaturtürmchen aus. War Kuelap also eher ein Dorf als eine Stadt? Die riesenhafte Wehrmauer aber – eine Mammutleistung der Erbauer – scheint aber ganz und gar nicht zu einem Dörfchen eines südamerikanischen Völkchens á la »Asterix und Obelix« zu passen. Siedelten sich vielleicht die Dörfler erst an, als die Metropole der Chachapoyas längst gefallen war?

      Vermutlich – aber auch das ist ungewiss – tauchte das rätselhafte Volk der Wolkenkrieger im 9. Jahrhundert im Norden Perus auf. Wir wissen nichts über die Herkunft dieser Menschen, auch nichts über ihre Sprache. Warum bauten sie Kuélap? Als militärische Anlage? Als Verteidigungsbastion gegen Feinde? Bei den gewaltigen Ausmaßen der Mauer um Kuelap herum muss von sehr langer Baudauer ausgegangen werden. Die Monstermauer kann also nicht als Antwort auf eine aktuelle Krisensituation gebaut worden sein. So muss der eigentliche Zweck von Kuelap hinterfragt werden: War Kuelap kein militärisches Objekt, sondern ein religiöses Zentrum? Dienten die drei schmalen Gangkorridore ins Innere von Kuelap nicht der Abwehr von Feinden, sondern unbekannten religiösen Riten? War Kuelap so etwas wie ein Wallfahrtszentrum eines prä-inkaischen Volkes? Gehörte es zu mysteriösen Riten, sich mühevoll ins Innere von Kuelap vorzukämpfen, symbolisch für den harten Weg des religiös Suchenden zur Wahrheit?

      Über die Religion der »Wolkenkrieger« wissen wir so gut wie nichts. Astronomische Beobachtungen gehörten anscheinend ebenso dazu wie die Verehrung von heiligen Schlangen. Betete man zu Muttergöttinnen? Frauen genossen bei den Chachapoyas großen Respekt. Bei Verhandlungen mit anrückenden feindlichen Truppen wurden stets Frauen zugezogen.

      Kuelap, die Stadt der Wolkenkrieger: Manchmal erstrahlt die mächtige Mauer der einstigen Metropole der Wolkenkrieger wie eine edle Krone aus unvergänglichem Stein hoch oben in den Anden. Manchmal leuchtet sie silbern oder kupferfarben, ganz nach Sonnenstand und Bewölkung. Stolz präsentiert sie sich dann wie ein Denkmal der Überlegenheit einer uralten rätselhaften Kultur, das sowohl die Inkas als auch die Horden der Spanier überdauert hat. Manchmal verschmelzen Wolken- und Nebelbänke mit Erde, Stein und Himmel. Dann fragt sich der Besucher, ob die mysteriöse Mauer mehr zum Himmel als zur Erde gehört. Kuelap, die wehrhafte Mauer mit den schmalen Eingängen trotzte nicht nur den Feinden der Chachapoyas, der Wolkenkrieger, sondern auch der Wissenschaft. Denn bis heute wissen wir so gut wie nichts über das geheimnisvolle Volk. Woher kam es? So manche Frage konnte bis heute nicht beantwortet werden. Warum? Weil die finanziellen Mittel fehlen.

      Im Jahr 2000, wenige Monate vor unserer Reise ins Reich der Chachapoyas, wurden 35 Chachapoya-Mumien gefunden. Ihr Alter konnte mit Hilfe der C-14-Methode (Radiocarbontest) bestimmt werden. Sie stammten aus dem 11. und 12. Jahrhundert. Nur acht der Mumien waren intakt. Es wurde eine genetische Untersuchung durchgeführt. Definitiv konnte festgestellt werden, dass die Chachapoyas keinerlei genetische Übereinstimmung mit den Indios des südamerikanischen Kontinents aufwiesen. Woher stammten sie dann, wenn nicht aus Südamerika?

      Mumiensärge der Wolkenkrieger

      Die Chachapoyas waren nicht mit den Inkas verwandt. Sie verwendeten auch ganz andere Mumifizierungstechniken als die Inkas. Die Inkas ließen ihre Toten austrocknen. Die Chachapoyas entfernten die Innereien der Toten. Sie waren dabei bemüht, die äußere Hülle der Leichname so unberührt wie nur möglich zu lassen. Sie nutzten die natürlichen Körperöffnungen der Verstorbenen, um die Innereien aus ihnen herauszuholen. Offenbar sollten die Toten im nächsten Leben nach der Wiedergeburt wiederzuerkennen sein. Also stopfte man in die leeren Köpfe – das Gehirn war ja sorgsam entfernt worden – Baumwolle.

      Kurios: Die Chachapoyas verwendeten eine Mumifizierungstechnik, die fremd war in Südamerika, aber wohl bekannt im Land der Pharaonen, in Ägypten. Eine Verbindung zwischen Ägypten und dem Reich der Chachapoyas mutet mehr als kühn an. Es gibt keinerlei Belege dafür, dass jemals Kontakte bestanden. Warum mumifizierten aber die Chachapoyas ihre Toten wie die Ägypter?

      Wurde das Volk der Chachapoyas von wo auch immer von Feinden zur Flucht in die Anden gezwungen? Wohin verschwanden die Wolkenkrieger? Woran glaubten sie? Welche religiösen Ansichten teilten die Erbauer von Kuelap? Wir wissen es nicht. Und wir werden es wohl nie erfahren. Es sei denn, es würden noch schriftliche Zeugnisse der Chachapoyas gefunden, die Antworten auf unsere Fragen bieten.

      Aber haben sie überhaupt jemals etwas Schriftliches hinterlassen? Wenn man die mächtige Mauer von Kuelap sieht, ist man höchst beeindruckt. Dieser gewaltige Komplex muss sorgsam geplant worden sein. Es muss Berechnungen und Baupläne oder Skizzen gegeben haben. Nichts dergleichen wurde bislang gefunden!

      Kuelap, die steinerne Krone hoch oben in den Anden, war sie die Metropole der Chachapoyas? Oder ist die eigentliche Hauptstadt des verschwundenen Reiches noch irgendwo in den Bergen Nordperus versteckt? Einheimisch wissen von zahllosen Mauern zu berichten, die und nur unter Lebensgefahr zu erreichenden Gefilden längst von Gestrüpp überwuchert worden sind, kaum noch zu erkennen sind, selbst wenn man direkt vor ihnen steht.

      Hoch oben an senkrechten Felswänden, gern in Felsspalten, wurden turmähnliche Steinbauten wie Schwalbennester an den Abgrund gesetzt. Wer die Felswände mit einem guten Feldstecher absucht und geduldig bleibt, wird immer wieder fündig. Waren es Totenhäuser? Oder lebten Auserwählte als Wächter bei den Toten? Wir wissen es nicht.