Die Zeit der Völkerwanderung: 14 Historische Romane. Felix Dahn. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Felix Dahn
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027222049
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zieht sich unsre Stellung entlang dem tiefen Bach; in diesen werden wir unfehlbar geworfen: die Brücken werden nicht zu halten sein. Darauf eine Strecke flachen Landes – welch schönes Feld für die gotischen Reiter, uns zu verfolgen! – Noch weiter rückwärts endlich ein dichter Wald und eine enge Schlucht mit dem zerfallnen Kastell Hadrians… – Marcus», rief er dem Eintretenden entgegen, «meine Scharen brechen auf. Wir ziehn hinab den Bach in den Wald, und jedem, der dich fragt, dem sagst du: wir ziehn zurück nach Rom.»

      «Nach Hause? Ohne Kampf?» fragte Marcus erstaunt, «du weißt doch: es steht der Kampf bevor!»

      «Eben deswegen!» Damit schritt er hinaus, Belisar in seinem Zelt zu wecken. Aber er fand ihn schon wach: Prokop stand bei ihm. «Weißt du’s schon, Präfekt? Flüchtendes Landvolk meldet, ein Häuflein gotischer Reiter naht: die Tollkühnen reiten in ihr Verderben: sie wähnen die Straße frei bis Rom.» Und er fuhr fort sich zu rüsten.

      «Aber die Bauern melden, die Reiter seien nur die Vorhut. Es folge ein furchtbares Heer von Barbaren», warnte Prokop.

      «Eitle Schrecken! Sie fürchten sich, diese Goten. – Witichis wagt gar nicht, mich aufzusuchen. Endlich habe ich ja, vierzehn Stadien vor Rom, die Atilobrücke durch einen Turm geschützt: Martinus hat ihn gebaut nach meinem Gedanken; – der allein hält der Barbaren Fußvolk mehr als eine Woche auf – mögen auch ein paar Gäule durch den Fluß geschwommen sein.»

      «Du irrst, Belisarius! Ich weiß es gewiß: das ganze Heer der Goten naht», sprach Cethegus. «So geh nach Hause, wenn du es fürchtest.» – «Ich mache Gebrauch von dieser deiner Erlaubnis. Ich habe mir in diesen Tagen das Fieber geholt. Auch meine Isaurier leiden daran: – ich ziehe mit deiner Gunst nach Rom zurück.»

      «Ich kenne dieses Fieber», sagte Belisar – «das heißt: – an andern. Es vergeht, sowie man Graben und Wall zwischen sich und dem Feinde hat. Zieh ab, wir brauchen dich so wenig wie deine Isaurier.»

      Cethegus verneigte sich und ging. «Auf Wiedersehen», sprach er, «o Belisarius. Gib das Zeichen zum Aufbruch meinen Isauriern», sprach er im Lager laut zu Marcus. «Und meinen Byzantinern auch», setzte er leiser bei.

      «Aber Belisar hat…» –

      «Ich bin ihr Belisar. Syphax, mein Pferd.» Während er aufstieg, sprengte ein Zug römischer Reiter heran: Fackeln leuchteten dem Anführer vorauf.

      «Wer da? Ah du, Cethegus? Wie, du reitest ab? Deine Leute ziehn sich nach dem Fluß? Du wirst uns doch nicht verlassen, jetzt, in dieser höchsten Gefahr?» Cethegus beugte sich vor. «Sieh, du, Calpurnius! Ich erkannte dich nicht: du siehst so bleich. Was bringst du von den Vorposten?»

      «Flüchtige Bauern sagen», sprach Calpurnius ängstlich, «es sei gewiß mehr als eine Streifschar. Es sei der König der Barbaren, Witichis selbst, im raschen Anzug durch die Sabina: sie seien schon auf dem linken Tiberufer: Widerstand ist dann… – Wahnsinn – Verderben. Ich folge dir, ich schließe mich dir an.»

      «Nein», sagte Cethegus herb, «du weißt, ich bin abergläubisch: ich reite nicht gern mit den Furien verfallnen Männern. Dich wird die Strafe für deinen feigen Knabenmord sicher bald ereilen. Ich habe nicht Lust, sie mit dir zu teilen.»

      «Doch flüstern Stimmen in Rom, auch Cethegus verschmähe manchmal einen bequemen Mord nicht», sprach Calpurnius grimmig.

      «Calpurnius ist nicht Cethegus», sprach der Präfekt, stolz davonsprengend. «Grüße mir einstweilen den Hades!» rief er.

      Siebentes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      «Verfluchtes Omen!» knirschte Calpurnius. Und er eilte zu Belisar: «Befehl den Rückzug, rasch, Magister Militum.» – «Warum, Vortrefflicher?» – «Es ist der Gotenkönig selbst.» – «Und ich bin Belisar selbst», sagte dieser, den prachtvollen Helm mit dem weißen Roßschweif aufsetzend. «Wie konntest du deinen Posten im Vordertreffen verlassen?» – «Herr, um dir das zu melden.» – «Das konnte wohl kein Bote? Höre, Römer, ihr seid nicht wert, daß man euch befreit. Du zitterst ja, Mann des Schreckens. Zurück mit dir ins Vordertreffen.

      Du führst unsre Reiter zum ersten Angriff: ihr, meine Leibwächter Antallas und Kuturgur, nehmt ihn in die Mitte: Er muß tapfer sein, hört ihr? Weicht er – nieder mit ihm! So lehrt man Römer Mut.

      Der Lagerrufer sagte eben die letzte Stunde der Nacht an. In einer Stunde geht die Sonne auf. Sie muß unser ganzes Heer auf jenen Hügeln finden.

      Auf! Ambazuch, Bessas, Constantinus, Demetrius, das ganze Lager bricht auf, dem Feind entgegen.»

      «Feldherr, es ist, wie sie sagen», meldete Maxentius, der treueste der Leibwächter, «zahllose Goten rücken an.»

      «Sie sind zwei Heere gegen uns», meldete Salomo, Belisars Hypaspisten-Führer.

      «Ich rechne Belisar ein ganzes Heer.»

      «Und der Schlachtplan?» fragte Bessas.

      «Im Angesicht des Feindes entwerf’ ich ihn, während des Calpurnius Reiter ihn aufhalten. Vorwärts, gebt die Zeichen, führt Phalion vor.» Und er schritt aus dem Zelte; nach allen Seiten stoben die Heerführer, die Hypaspisten, Prätorianer, Protektoren und Doryphoren auseinander, Befehle gebend, verteilend, empfangend.

      In einer Viertelstunde war alles in Bewegung gegen die Hügel! Man nahm sich nicht Zeit, das Lager abzubrechen. Aber der plötzliche Aufbruch brachte vielfache Verwirrung. Fußvolk und Reiter gerieten in der dunkeln, mondlosen Nacht untereinander. Auch hatte die Kunde von der Übermacht der vordringenden Barbaren Mutlosigkeit verbreitet.

      Es waren nur zwei nicht sehr breite Straßen, die gegen die Hügel führten: so gab es manche Stockung und Hemmung. Viel später, als Belisar gerechnet, langte das Heer im Angesicht der Hügel an: und als die ersten Sonnenstrahlen sie beleuchteten, sah Calpurnius, der den Vortrab führte, von allen Seiten gotische Waffen blitzen.

      Die Barbaren waren Belisar zuvorgekommen. Erschrocken machte Calpurnius halt und sandte Belisar Nachricht.

      Dieser sah ein, daß Calpurnius mit seinen Reitern nicht die Berge stürmen könne. Er schickte Ambazuch und Bessas mit dem Kern des armenischen Fußvolks ab, um auf der breiten Straße zu stürmen. Den linken und den rechten Flügel führten Constantinus und Demetrius, er selbst brachte im Mitteltreffen seine Leibwachen als Rückhalt heran. Calpurnius, froh des Wechsels im Plan, stellte seine Reiter unter den steilsten Abfall der Hügel, links seitab der Straße, wo kein Angriff zu befürchten schien, den Erfolg von Ambazuchs und Bessas Sturm abzuwarten und die fliehenden Goten zu verfolgen oder die weichenden Armenier aufzunehmen.

      Oben auf den Höhen aber stellten sich die Goten in langer Ausdehnung in Schlachtordnung. Totilas Reiter waren zuerst eingetroffen. Ihm hatte sich Teja, zu Pferd, vor Kampfbegier fiebernd, angeschlossen: – sein beiltragendes Fußvolk war noch weit zurück: – er hatte sich ausgebeten, ohne Befehlführung, überall, wo es ihn reizte, ins Handgemenge zu greifen. Darauf war Hildebrand eingetroffen und hierauf der König mit der Hauptmacht gefolgt. Herzog Guntharis mit seinen und Tejas Leuten wurden noch erwartet.

      Pfeilschnell war Teja zu Witichis zurückgeflogen.

      «König», sagte er, «unter jenen Hügeln steht Belisar.

      Er ist verloren beim Gott der Rache! Er hat den Wahnsinn gehabt, vorzurücken. Dulde nicht die Schmach, daß er uns zuvorkommt im Angriff.»

      «Vorwärts!» rief König Witichis, «gotische Männer vor!» In wenigen Minuten hatte er den Rand der Hügel und übersah das Talgefild vor ihm. «Hildebad – den linken Flügel! Du, Totila, brichst mit deinen Reitern hier im Mitteltreffen, die Straße herunter, vor. Ich halte rechts seitab der Straße, bereit, dir zu folgen oder dich zu decken.»

      «Das wird’s nicht brauchen», sagte Totila, sein Schwert ziehend. «Ich bürge dir, sie halten meinen Ritt diesen Hügel herab nicht auf.»

      «Wir