Die Zeit der Völkerwanderung: 14 Historische Romane. Felix Dahn. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Felix Dahn
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027222049
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      «Ja, wenn wir erst den Paß gewonnen haben, dort in den Waldhügeln, hinter dem Fluß». sagte Teja, mit dem Schwert hinüberdeutend.

      «Er ist noch unbesetzt, scheint’s: ihr müßt ihn mit den Flüchtigen zugleich erreichen.»

      Da tritt der Bannerträger, Graf Wisand von Vulsinii, der Bandalarius des Heeres, an den König heran. «Herr König, ihr habt mir eine Bitte zu erfüllen zugesagt.» – «Ja, weil du bei Salona den Magister Militum für Illyrien, Mundus, und seinen Sohn vom Roß gestochen.»

      «Ich habe es nun einmal auf die Magistri Militum abgesehen. Ich möchte denselben Speer auch an Belisar erproben. Nimm mir, nur für heute, das Banner ab, und laß mich den Magister Belisar aufsuchen. Sein Roß, der Rotscheck Phalion oder Balian, wird so sehr gerühmt, und mein Hengst wird steif. Und du kennst das alte gotische Reiterrecht: wirf den Reiter und nimm sein Roß.’»

      «Gut gotisch Recht!» raunte der alte Hildebrand.

      «Ich muß die Bitte gewähren», sprach Witichis, das Banner aus der Hand Wisands nehmend. Dieser sprengte eilig hinweg. «Guntharis ist nicht zur Stelle, so trage du es heute, Totila.»

      «Herr König», entgegnete dieser, «ich kann’s nicht tragen, wenn ich meinen Reitern den Weg in die Feinde zeigen soll.» Witichis winkte Teja.

      «Vergib», sagte dieser: «heut’ denk’ ich beide Arme sehr zu brauchen.» – «Nun, Hildebad.» – «Danke für die Ehre: ich hab’s nicht schlechter vor als die andern!» – «Wie», sagte Witichis, fast zürnend, «muß ich mein eigner Bannerträger sein, will keiner meiner Freunde mein Vertrauen ehren?»

      «So gib mir die Fahne Theoderichs», sprach der alte Hildebrand, den mächtigen Schaft ergreifend. «Mich lüstet weitern Kampfes nicht so sehr. Aber mich freut’s, wie die Jungen nach Ruhme dürsten. Gib mir das Banner, ich will’s heute wahren wie vor vierzig Sommern.» Und er ritt sofort an des Königs rechte Seite.

      «Der Feinde Fußvolk rückt den Berg hinan», sprach Witichis, sich im Sattel hebend. «Es sind Hunnen und Armenier», sagte Teja, mit seinem Falkenauge spähend, «ich erkenne die hohen Schilde!» Und den Rappen vorwärts spornend rief er: «Ambazuch führt sie, der eidbrüchige Brandmörder von Petra.»

      «Vorwärts, Totila», sprach der König, «und aus diesen Scharen – – keine Gefangenen.»

      Rasch sprengte Totila zu seinen Reitern, die hart an der Mündung der aufsteigenden Straße auf der Höhe aufgestellt waren. Mit scharfen Blick musterte er die Bewaffnung der Armenier, die in tiefen Kolonnen langsam bergauf rückten. Sie trugen schwere, mannshohe Schilde und kurze Speere zu Stoß und Wurf.

      «Sie dürfen nicht zum Werfen kommen», rief er seinen Reitern zu. Er ließ sie die leichten Schilde auf den Rücken binden und befahl, im Augenblick des Anpralls die langen Lanzen, statt, wie üblich, in der Rechten, in der Linken, der Zügelhand, zu führen, den Zügel einfach um das Handgelenk geschlungen und über die Mähne weg die Lanze aus der rechten in die linke Faust werfend. Dadurch trafen sie auf die rechte, vom Schild nicht gedeckte Seite der Feinde. «Sowie der Stoß angeprallt – sie werden ihm nicht stehen! – werft die Lanze im Armriem zurück, zieht das Schwert und haut nieder, was noch steht.»

      Er stellte sie nun, die Kolonne der Feinde rechts und links überflügelnd, auf beiden Seiten neben der Straße auf.

      Er selbst führte den Keil auf der Straße. Er beschloß, den Feind die Hälfte des Hügels herankommen zu lassen. Mit atemloser Spannung sahen beide Heere dem Zusammenstoß entgegen.

      Ruhig rückte Ambazuch, ein erprobter Soldat, vorwärts.

      «Laßt sie nur dicht heran, Leute», sagte er, «bis ihr das Schnauben der Rosse im Gesicht spürt. Dann, – und nicht eher, – werft: und zielt mir tief, auf die Brust der Pferde, und zieht das Schwert. So hab’ ich noch alle Reiter geschlagen.»

      Aber es kam anders.

      Denn als Totila, voransprengend, das Zeichen zum Angriff gab, schien eine donnernde Lawine vom Berg herab über die erschrocknen Feinde einzubrechen. Wie der Sturmwind jagte die blitzende, klirrende, schnaubende, dröhnende Masse heran, und eh’ die erste Reihe der Armenier Zeit gefunden, die Wurfspeere zu heben, lag sie schon, von den langen Lanzen auf der schildlosen Seite durchbohrt, niedergestreckt. Sie waren weggefegt, als wären sie nie gestanden.

      Blitzschnell war das geschehen: und während noch Ambazuch seiner zweiten Reihe, in der er selber stand, Befehl geben wollte, zu knien und die Speere einzustemmen, sah er schon auch seine zweite Reihe überritten, die dritte auseinandergesprengt und die vierte unter Bessas kaum noch Widerstand leistend gegen die furchtbaren Reiter, die jetzt erst dazu kamen, die Schwerter zu ziehen. Er wollte das Gefecht stellen: er flog zurück und rief seinen wankenden Scharen Mut zu.

      Da erreichte ihn Totilas Schwert: ein Hieb zerschlug ihm den Helm. Er stürzte in die Knie und streckte den Griff seines Schwertes dem Goten entgegen. «Nimm Lösegeld», rief er, «ich bin dein.»

      Und schon streckte Totila die Hand aus, ihm die Waffe abzunehmen, da rief Tejas Stimme: «Denk an Burg Petra.»

      Ein Schwert blitzte, und zerspaltenen Haupts sank Ambazuch. Da stob die letzte Reihe der Armenier, Bessas mit fortreißend, entsetzt auseinander, – das Vordertreffen Belisars war vernichtet. Mit lautem Freudenruf hatten König Witichis und die Seinen den Sieg Totilas mit angesehn.

      «Sieh, jetzt schwenken die hunnischen Reiter, die hier gerade unter uns stehen, gegen Totila», sagte der König zu dem alten Bannerträger. «Totila wendet sich gegen sie. Sie sind viel zahlreicher. Auf! Hildebad, eile die Straße hinunter, ihm zu Hilfe.»

      «Ah», rief der Alte, sich vorbeugend im Sattel und über den Felsrand spähend, «wer ist der Reitertribun da unten zwischen den zwei Leibwächtern Belisars?»

      Witichis beugte sich vor. «Calpurnius!» rief er mit geltendem Schrei.

      Und siehe, urplötzlich sprengte der König, keinen Pfad suchend, gerade wo er stand, hinab die Felshöhe auf den Verhaßten. Die Furcht, er möchte ihm entrinnen, ließ ihn alles vergessen. Und als hätte er Flügel, als hätte der Gott der Rache ihn herabgeführt über Gebüsch und spitze Felsspalten und Schroffen und Gräben sauste der König hinunter.

      Einen Augenblick faßte den alten Waffenmeister Entsetzen: solchen Ritt hatte er noch nie geschaut. Aber im nächsten Moment schwang er die blaue Fahne und rief: «Nach! Nach eurem König!» Und das berittene Gefolge voran, das Fußvolk, springend und auf den Schilden rutschend, hinterher, brach das Mitteltreffen der Goten plötzlich steil von oben auf die hunnischen Reiter.

      Calpurnius hatte aufgesehn. Ihm war, als ob sein Name, gellend gerufen, an sein Ohr schlüge. Ihm klang der Ruf wie die Posaune des Weltgerichts.

      Wie blitzgetroffen wandte er sich und wollte auf und davon. Aber der maurische Leibwächter zur Rechten fiel ihm in den Zügel: «Halt, Tribun!» sagte Antallas, auf Totilas Reiter deutend – «dort ist der Feind!» Ein Schmerzensschrei riß ihn und Calpurnius zur Linken herum. Denn da stürzte der zweite der Leibwächter, der Hunne Kuturgur, zu seiner Linken klirrend vom Pferd, unter dem Schwerthieb eines Goten, der plötzlich wie vom Himmel gefallen schien. Und hinter diesem Goten drein sprang und kletterte und wogte es den steilen Felshang hinab, der doch pfadlos schien: und die Reiter waren von diesem plötzlich von oben gekommenen Feind in der Flanke umfaßt, während sie gleichzeitig in der Stirnseite mit den Geschwadern Totilas zusammenstießen.

      Calpurnius erkannte den Goten. «Witichis!» rief er entsetzt und ließ den Arm sinken. Aber sein Pferd rettete ihn; verwundet und scheu geworden durch den Fall des hunnischen Leibwächters zur Linken, setzte es in wilden Sprüngen davon.

      Der maurische Leibwächter zu seiner Rechten warf sich wütend auf den König der Goten, der ganz allein den Seinigen weit vorausgeeilt war. «Nieder, Tollkühner!» schrie er. Aber im nächsten Augenblick hatte ihn das Schwert Witichis getroffen, der unaufhaltsam alles vor sich niederzuwerfen schien, was ihn von Calpurnius jetzt noch fernhielt. Rasend setzte ihm Witichis nach. Mitten durch die Reihen der hunnischen Reiter, die, entsetzt